Sehr geehrte Damen und Herren,
zuallererst möchte ich allen zu vergangenen Feiertagen gratulieren. Ich wünsche im Neuen Jahr Erfolg, Gesundheit, Wohlstand. Wir sind ihnen dafür dankbar, dass sie an unserer traditionellen Pressekonferenz teilnehmen.
Ich denke nicht, dass ich viel Zeit für Einführungsworte nehmen soll. Bereits vor kurzem gab es eine große ausführliche Pressekonferenz des Präsidenten der Russischen Föderation. Zudem traf sich Wladimir Putin vor wenigen Tagen mit den Leitern der russischen Medien, Nachrichtenagenturen. Ich bin mir sicher, dass sie diese großen Ereignisse verfolgten und seine Kommentare hörten, darunter natürlich zum außenpolitischen Thema.
Ich sage kurz, dass man erneut feststellen muss, dass das vergangene Jahr im außenpolitischen Sinne nicht einfach war. Es gab mehrere Herden der Spannung in verschiedenen Regionen der Welt – vom Nahen Osten und Nordafrika bis zu der mit uns benachbarten Ukraine. In den letzten Monaten spitzte sich deutlich die Situation wegen der Drohungen, die aus Washington zu hören waren, das Atomproblem der Koreanischen Halbinsel ausschließlich mit Gewalt zu lösen. Ähnliche Drohungen waren bezüglich des afghanischen Problems zu hören, für dessen Lösung ebenfalls eine ausschließlich gewaltsame Lösung vorgeschlagen wurde. Die jüngsten Verkündigungen, die darauf gezielt waren, die Umsetzung des Umfassenden Aktionsplans zum iranischen Atomprogramm zu torpedieren, brachten ebenfalls keinen Optimismus und Stabilität.
Leider wollen unsere US-Kollegen und ihre Verbündeten weiterhin die Angelegenheiten ausschließlich auf Grundlage von Diktat und Ultimaten führen, wollen nicht die Position anderer Zentren der Weltpolitik hören, damit wollen sie de facto nicht die Realität der sich bildenden multipolaren Welt anerkennen. Die Methoden, zu denen sie greifen, um ihre Konkurrenten abzuschrecken, sind in vielerlei Hinsicht ziemlich zweifelhaft und nicht gewissenhaft, und ihr Spektrum ist breit – vom Ausbau des globalen Raketenabwehrsystems bis zu einseitigen Sanktionen, grenzübergreifender Anwendung der eigenen Gesetzgebung und, wie ich bereits sagte, Drohungen, jede internationale Probleme ausschließlich nach dem eigenen Szenario zu lösen, ohne vor etwas zu stoppen, darunter Anwendung der groben Militärkraft. Als Ergebnis beobachten wir die Entwertung des Völkerrechts, Senkung der Rolle der multilateralen Institute sowie das Setzen von immer mehr Staaten auf den Ausbau der Militärstärke, in der sie in der jetzigen Situation beinahe die einzige Garantie der Aufrechterhaltung der eigenen Souveränität sehen.
Unter diesen Bedingungen unternahmen wir möglichst viele Anstrengungen dafür, um nationale Interessen der Russischen Föderation bei unserer Arbeit in der internationalen Arena zu verteidigen, darunter Interessen unserer Staatsbürger, des russischen Geschäfts, das immer mehr diskriminiert wird. Parallel machten wir alles, um das Völkerrecht und das internationale System zu schützen, die sich auf der UN-Charta stützen. Zusammen mit anderen konstruktiven Kräften in der internationalen Gemeinschaft verteidigten wir universelle Werte der Wahrheit, Gerechtigkeit, gleichberechtigten und gegenseitig respektvollen Zusammenarbeit sowie wollten den Verfall des Weltordnungssystems verhindern, das heute ernsthaft dysbalanciert ist. Wir möchten alles machen, um das Abrutschen zum Chaos und Konfrontation zu stoppen.
Konkrete Richtungen unserer Arbeit würde ich bereit beim Antworten auf ihre Fragen kommentieren. Ich sage nur, dass wir in diesem Jahr Anstrengungen in dem Sinne fortsetzen werden, über den ich bereits sagte. Das betrifft natürlich die Fortsetzung des Kampfes gegen Terrorismus, Erfolge bei dem wir in Syrien fixierten, wo jetzt die wichtigste Etappe läuft – Übergang zur politischen Regelung. Zusammen mit unseren türkischen und iranischen Partnern bereiten wir den Kongress des syrischen nationalen Dialogs vor, an dem ebenfalls ein breites Spektrum syrischer Kräfte teilnehmen soll, wie das die Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats erfordert. Wir werden die Aufrechterhaltung der Vereinbarung zum iranischen Atomprogramm, die Normalisierung der Situation um die palästinensisch-israelische Regelung anstreben. Die Nahostprobleme werden ernsthaft mit der fehlenden Lösung der palästinensischen Frage zugespitzt. Natürlich werden wir weiter an der Ukraine-Frage arbeiten, bei deren Lösung es keine Alternative außer vollständige und kontinuierliche Erfüllung des Maßnahmenkomplexes gibt, der im Februar 2015 in Minsk angenommen wurde.
Auf der Tagesordnung steht die wichtigste politische Veranstaltung in Russland – die Wahlen des Präsidenten der Russischen Föderation. Unsere ausländischen Einrichtungen – Botschaften, Generalkonsulate, russische Zentren für Wissenschaft und Kultur machen alles notwendige, damit alle russischen Staatsbürger, die sich im Ausland befinden und an den Wahlen teilnehmen wollen, das möglichst komfortabel machen können.
Frage: Herr Lawrow, Sie wissen anscheinend, dass Medien zum Jahresende oft Wörterbücher der wichtigsten Themen und Ausdrücke veröffentlichen. Hätten Sie solches Wörterbuch im Bereich internationale Beziehungen 2017 erstellt, welche wichtigste Sujets und Ausdrücke hätte es enthalten?
Sergej Lawrow: Ich werde Ausdrücke beiseite lassen, ich befürchte, ich werde erneut nicht richtig verstanden.
Was Sujets betrifft, ist es natürlich Syrien. Das ist ein Problem, bei dem sehr viele Interessen vieler Akteure zusammenfallen. Wir bemühen uns, wie ich bereits sagte, via die Initiative der Einberufung des Kongresses des syrischen nationalen Dialogs, die Interessen aller syrischer Seiten und aller äußeren Akteure zu harmonisieren, die einen Einfluss auf die Situation haben und ihre Interessen in dieser Region sichern wollen, darunter im Rahmen der syrischen Regelung. Das ist ein schwieriger Prozess. Ich wiederhole, dass es Gründe gibt zu meinen, dass die Initiativrolle Russlands, Irans und der Türkei, die vor einem Jahr den Beginn des Astana-Prozesses, Schaffung der Deeskalationszonen ermöglichte, die trotz aller Versuche, sie zu torpedieren, ungeachtet einzelner Verstöße funktionieren, bleiben wird. Wichtig ist, dass der Astana-Prozess die Aktivität der UNO förderte, die vor Beginn der Treffen in Astana, de facto etwa zehn Monate nicht vorging. Ich hoffe, dass auch die Initiative des Kongresses des nationalen Dialogs eine Rolle des Antriebs für die UNO spielen wird, damit sie ihre Arbeit intensiviert. Jedenfalls ist der Kongress in Sotschi darauf gerichtet, den Verhandlungen in Genf zu helfen. Wir erzählen darüber unseren Kollegen, darunter die UN-Führung und die Länder, die an der Syrien-Regelung teilnehmen.
Ein weiteres Thema ist wohl alles restliche, was mit der Region des Nahen Ostens und Nordafrika verbunden ist. Die syrische Regelung ist nur ein Teil einer schwierigen Konstellation der Probleme, die in dieser Region zu erkennen sind. Ich nenne Libyen, Jemen, ich erwähnte bereits die palästinensisch-israelische Regelung, die in eine tiefe Sackgasse steckte. Ich bin weiterhin davon überzeugt, dass die Sackgasse bei der palästinensisch-israelischen Regelung, bei der Bewegung zur Schaffung des palästinensischen Staates die Radikalisierung der arabischen Straße beeinflusst.
Ein weiteres Thema ist die Ukraine, das ziemlich künstlich größer gemacht wird, als es verdient und als Schleifstein bei dem Widerstandleisten zwischen Russland und dem Westen im Ganzen betrachtet wird. Ich halte solches Herangehen für fehlerhaft und absolut politisiert. Hätte man von der Einschätzung der Konfrontation zwischen dem „autoritären Russland“ und den „liberalen Westen“ abgewichen, über die man die Ukraine-Krise zu betrachten versucht und stattdessen sich darauf konzentriert, was in den Minsker Vereinbarungen steht (dort ist alles äußerst klar und eindeutig und kann nicht doppelt gedeutet werden), dann wäre die Ukraine-Krise seit langem geregelt. Das würde bedeuten, dass der Verzicht auf eine ideologisierte Deutung der Situation als angeblich von globaler Bedeutung für die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen unseren westlichen Kollegen ermöglichen würde, von einer unvernünftigen Unterstützung des Kurses abzuweichen, den Kiew zur Torpedierung seiner Verpflichtungen gemäß Minsker Vereinbarungen durchführt.
Man kann noch viel über positive Tendenzen sprechen – das sind endlose Gespräche. Das ist die Entwicklung der Eurasischen Integration, Umsetzung eines großen Eurasischen Projektes unter Teilnahme der EAWU, SOZ, ASEAN-Länder, ihre Offenheit für neue Teilnehmer im Osten und im Westen. Man soll natürlich auch über Integrationsprozesse in einem breiteren Sinne sprechen – in der Asien-Pazifik-Region, bei der Tätigkeit der APEC, Gruppe der 20 und BRICS. Das sind die Vereinigungen, in denen sich die Tendenzen der modernen Welt verkörperten, und zwar der objektive Prozess der Bildung eines polyzentrischen Systems der internationalen Beziehungen.
Ich bin mir sicher, dass ich vergessen habe, etwas zu erwähnen – mir fielen jetzt die Fragen ein, die bei uns ständig auf dem „Arbeitstisch“ liegen.
Frage: Die Anführer Russlands und Chinas sagten vor dem Neuen Jahr, dass sie die Kooperation in internationalen Angelegenheiten fortsetzen möchten. Könnten Sie die wichtigsten internationalen Probleme nennen, bei denen Russland mit einer effektiven Zusammenarbeit mit China in diesem Jahr rechnet?
Sergej Lawrow: Ich bin sehr dankbar, dass gerade Sie als zweiter zu Wort kommen, weil Sie das Thema kennzeichneten, das ich bei der Antwort auf die erste Frage nicht erwähnte.
Natürlich ist das Atomproblem der Koreanischen Halbinsel eines der ernsthaftesten Themen auf der internationalen Tagesordnung. Russland und China wirken aktiv in dieser Richtung zusammen. Wie Sie wissen, haben wir mit China eine gemeinsame Initiative, die den Übergang von der Konfrontation zur politischen Regelung des Problems betrifft, das auf der Koreanischen Halbinsel entstand. Zunächst schlagen wir vor, sich zu beruhigen und jede Konfrontationshandlungen einzufrieren, die vor allem mit den militärischen Veranstaltungen verbunden sind – ob Raketenstarts, Tests von Atomwaffen bzw. Organisation der Großmanöver, die in dieser Region von den USA zusammen mit der Republik Korea und dann auch mit Japan durchgeführt werden. Wenn solches Einfrieren, Verbot für nichtfreundschaftliche Konfrontationsschritte in Kraft tritt, würden wir aktiv direkte Kontakte zwischen den am meisten interessierten Seiten unterstützen. Was das Atomproblem betrifft, ist das vor allem Pjöngjang und Washington. Doch wir werden bereit sein, ihren bilateralen Dialog auch im Rahmen des so genannten sechsseitigen Prozesses unter Teilnahme Russlands, Chinas, Japans und der Republik Korea zu unterstützen. Das ist anscheinend das wichtigste, was Russland und China jetzt auf der gegenseitigen Tagesordnung lösen.
Ich hebe hervor, dass die Arbeit bei dieser Arbeit nicht einfach verläuft. Ich erwähnte bereits, dass die USA beinahe offen über die Unvermeidlichkeit der militärischen Lösung sprechen, obwohl alle katastrophalen Folgen solches Abenteuers verstehen. In der Situation, wenn Bedingungen für den Übergang zum Dialog entstanden, folgten in den meisten Fällen provokative Handlungen in Form der größeren Militärübungen um Nordkorea, die eine neue Welle der Spannung provozierten. Wir haben mit China eine gemeinsame Roadmap und wir werden sie aktiv fördern.
Wir arbeiten ebenfalls beim Problem der syrischen Regelung zusammen. Chinesische Kollegen sind derselben Meinung wie die Russische Föderation. Ich meine die Notwendigkeit einer ausschließlich politischen Regelung auf Grundlage der Beschlüsse des UN-Sicherheitsrats, die einen politischen Dialog ohne Vorbedingungen unter Teilnahme eines ganzen Spektrums der syrischen Gesellschaft – sowohl der Regierung, als auch aller wichtigsten Einheiten der Opposition, die die Vielfalt der politischen, ethnokonfessionellen Gruppen der syrischen Bevölkerung darstellen, vorsehen.
Wir haben mit China noch eine sehr wichtige gemeinsame Initiative, die den Entwurf des Vertrags über die Nichtstationierung der Waffen im Weltall betrifft. Sie wurde vor einigen Jahren bei der Abrüstungskonferenz der UNO eingereicht. Leider wegen der Position der USA hat die Besprechung dieses Vertrags noch nicht begonnen. Alle anderen verstehen die Aktualität dieser Aufgabe, doch die USA haben weiterhin Pläne zur Militarisierung des Weltraums im Sinne Stationierung der Waffen im Weltraum, was natürlich den Problemen der internationalen Sicherheit eine neue, sehr negative zusätzliche Dimension verleihen wird. Bezüglich der Abrüstungskonferenz ist China nämlich unser Mitverfasser des Entwurfs eines anderen wichtigen Dokuments – Übereinkommens zur Bekämpfung des chemischen und biologischen Terrorismus. Der Entwurf wird ebenfalls durch die USA gebremst.
Im Eurasischen Raum erfolgt jetzt ein enger Prozess der Vereinigung der Anstrengungen in Integrationsrichtungen. China hat eine Initiative „Ein Band, eine Straße“. Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Vorsitzender Xi Jinping vereinbarten die Förderung der Ankopplung der eurasischen Integration und der Initiative „Ein Band, eine Straße“. Die Mitglieder der Eurasischen Wirtschaftsunion entwickeln einen Vertrag über handelswirtschaftliche Zusammenarbeit mit China. Parallel erfolgen Kontakte zwischen der EAWU und der SOZ, die für den Anschluss der ASEAN-Länder offen sind. Mehrere ASEAN-Länder schlossen bereits Abkommen mit EAWU über die Freihandelszonen oder verhandeln darüber. Was Russlands Präsident Wladimir Putin ein „Großes Eurasisches Projekt“ nannte – ist eine sehr aussichtsreiche Initiative. Natürlich sollen mehrere konkrete Faktoren berücksichtigt werden, weil sich hier zu viele Wirtschaftsinteressen kreuzen. Doch der Vorteil dieser Initiative besteht darin, dass sie aus dem Leben ausgeht. Sie wird nicht zunächst via Schaffung der Rahmen und erst dann via Übergang zu praxisorientierten Dingen umgesetzt. Ich führe ein Beispiel an, wenn in England Straßen über die Wiesen verlegt werden – zunächst wird gesehen, wo es für Menschen bequem ist, zu gehen, erst dann wird betoniert. So laufen auch unsere Prozesse, die wir mit einem allgemeinen Begriff „Großes Eurasisches Projekt“ bezeichnen.
Man kann wohl noch lange die gemeinsamen Initiativen aufzählen, die Russland und China in der internationalen Arena fördern. Doch ich möchte, um mich kurz zu fassen, diese wichtigste Aspekte hervorheben.
Frage: Russland ratifizierte 1998 den Vertrag über Freundschaft und Zusammenarbeit mit der Ukraine. Das Außenministerium unternahm alle Anstrengungen dafür. Seit 2014 entspricht der Vertrag nicht mehr der Realität. Angesichts der Tatsache, dass er automatisch für zehn Jahre verlängert wird, falls nicht aufgelöst, was werden Sie machen? Wird der Vertrag automatisch verlängert oder wird er aufgelöst? Falls noch kein Beschluss getroffen wurde, was würden Sie der Führung als Experte für internationale Angelegenheiten empfehlen?
Sergej Lawrow: Wie kann ich etwas empfehlen, wenn ich nicht weiß, was ich empfehlen werde? Der Abgeordnete der Staatsduma, Konstantin Satulin, schnitt vor wenigen Tagen dieses Thema an. Er machte darauf aufmerksam, dass einer der wichtigsten Punkte dieses Vertrags über den gegenseitigen Respekt der territorialen Integrität Russlands und der Ukraine heute nicht aktuell angesichts der Tatsache ist, dass auf der Krim freie Willensäußerung der Krim-Bewohner stattfand. Sie wurden unabhängig und traten bei dieser Willensäußerung freiwillig der Russischen Föderation bei.
Wissen sie, diese Frage ist für mich gar nicht aktuell. Völkerrechtsdokumente sind wichtig, doch das ist die Sache der Juristen. Ich denke, dass wir politisch die territoriale Integrität der Ukraine in den Grenzen weiter respektieren, die sich nach dem Krim-Referendum und nach seiner Wiedervereinigung mit der Russischen Föderation bildeten. Wir antworteten mehrmals auf ziemlich legalistische Fragen, darunter in Bezug auf das Budapester Memorandum 1994, das wir ebenfalls vor kurzem erwähnten. Gemäß diesem Memorandum verzichtete die Ukraine auf ihre Atomwaffe, während Russland, die USA und Großbritannien garantierten, dass sie keine Atomwaffe gegen die Ukraine anwenden werden. Ich erinnere daran, dass wir nicht mit Atomwaffen gegen die Ukraine drohten, weshalb es keine Verletzung des Budapester Memorandums gab. Parallel übernahm die Ukraine in einer einzelnen Erklärung Verpflichtungen, antirussische Neonazi- und Fremdenhasstendenzen nicht zu fördern. Was nach dem Maidan geschah, war eine grobe Verletzung dieser Verpflichtungen durch unsere ukrainischen Nachbarn.
Ich sichere Ihnen zu, dass wir politisch daran interessiert sind, dass wie vor kurzem erneut Russlands Präsident Wladimir Putin sagte, die Minsker Vereinbarungen im vollen Umfang ohne Ausnahmen umgesetzt werden. Das entspricht unserem Kurs auf einen völligen Respekt der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine in ihren jetzigen Grenzen, die sich nach dem Referendum auf der Krim bildeten, das in völliger Übereinstimmung mit dem Völkerrecht stattfand.
Frage: Im Vertrag ging es um die Grenzen, die 1998 existierten. Vielleicht soll ein modernes Dokument verabschiedet werden?
Sergej Lawrow: Das Thema, das Sie jetzt anschneiden, entfernt nur vor dem Hauptsinn. Er besteht darin, dass sich die Ukraine zu den Minsker Vereinbarungen verpflichtete, die nicht das Thema Krim betreffen. Diese Vereinbarungen müssen erfüllt werden. Wenn wir jetzt statt die Kiewer Führung dazu zu bewegen, das zu machen, was sie versprach und was anschließend durch den Beschluss des UN-Sicherheitsrats fixiert wurde, darüber diskutieren werden, wie eine jeweilige Zeile des Vertrags gedeutet werden soll, dann wird es nur einen Anlass geben, die Erfüllung des wichtigsten Dokumentes weiter zu verzögern, das einstimmig vom UN-Sicherheitsrat gebilligt wurde. Unsere westlichen Kollegen (wir wissen das aus Gesprächen) sowohl in Europa, als auch in den USA verstehen sehr gut die Taktik, die die jetzigen ukrainischen Anführer gegenüber Minsker Abkommen durchsetzen. Sie sehen sehr gut, dass unsere ukrainischen Nachbarn weiterhin versuchen, eine Gewaltphase dieser Konfrontation zu provozieren und damit die Aufmerksamkeit davon abzulenken, dass sie die Erfüllung des Maßnahmenkomplexes einfach sabotieren. Wollen wir jetzt nicht um abstrakte Dinge reden – ich will nicht, dass das als fehlender Respekt des Völkerrechts betrachtet wird. Der fehlende Respekt wurde von jenen gezeigt, die Maidan organisierten und unterstützten. Letzten Endes erinnere ich daran, dass im Februar 2014 eine Vereinbarung zwischen dem damaligen amtierenden Präsidenten der Ukraine, Viktor Janukowitsch, und den Anführern der Opposition erreicht wurde. Das Abkommen wurde durch die Außenminister Deutschlands, Polens und Frankreichs bestätigt. Nach einem Tag wurde es von der Opposition gebrochen. Jene, die im Namen der EU dieses Abkommen unterzeichneten, betrugen damit das ukrainische Volk, weil es die Schaffung einer Regierung der nationalen Einheit vorsah. Stattdessen wurde die Regierung der Sieger geschaffen, wie sie damals von Arseni Jazenjuk genannt wurde. Nach einem Tag wurde in Charkow eine Sitzung der Volksabgeordneten des Südostens und der Krim, der Abgeordneten einberufen, die gemäß der Verfassung der Ukraine gewählt wurden. Sie beschlossen, bis zur Wiederherstellung der Legitimität in der Ukraine die Macht in den Regionen zu übernehmen. Es wurden keine Gewalthandlungen gegen Putschisten unternommen. Putschisten verabschiedeten am 23. Februar ein Gesetz über Sprachen. Es wurde nicht unterzeichnet, doch das gesendete Signal war eindeutig für alle – das ist ein absolut antirussisches, vor allem russlandfeindliches Gesetz.
Noch in einigen Tagen, am 26. Februar genehmigten Putschisten direkt die Anwendung der Gewalt durch den Rechten Sektor sowie die Organisation Hisb ut-Tahrir und die Organisation der Wahhabiten, für die Erstürmung des Obersten Rats der Krim. Daran vergessen jetzt viele. Das alles ereignete sich fünf Tage nachdem europäische Anführer von der Opposition die Erfüllung davon nicht erreichen konnten, was sie am 20. Februar vereinbarten. Erst danach begannen alle diesen Prozesse. Als die Gewalthandlung gegen den Obersten Rat der Krim genehmigt wurde, dann begann das alles und wurde gleich klar, dass die Krim-Bewohner nichts Gemeinsames mit diesen illegitimen Behörden haben können. Das ist ebenfalls die Verletzung des Völkerrechts, darunter Budapester Memorandum, über das ich sprach, wo sich die Ukraine verpflichtete, keine Fremdenhassstimmungen zu unterstützen.
Wir sind allumfassend für das Völkerrecht, wollen aber, dass zunächst alle, die den Zusammenbruch der Völkerrechtsdokumente initiieren, sich anständig verhalten.
Frage: Eine Art Ergebnis war die jüngste Januar-Umfrage von Lewada-Zentrum, wo 68 Prozent der Russen die USA als feindliche Seite bezeichnen. Von der anderen Seite ist eine ähnliche Situation zu erkennen – 64 bis 70 Prozent der Amerikaner sehen in Russland einen Feind. Könnten Sie diese gelinde gesagt „nicht lustigen“ Zahlen kommentieren? Wer ist daran schuld, dass die Russen in den USA einen Feind sehen und umgekehrt?
Sergej Lawrow: Zu diesem Thema äußerte sich mehrmals der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin. Das ist nicht das Problem von Ei und Huhn, sondern eher das Problem der Weltanschauung. In den USA festigt sich das Gefühl der eigenen Ausschließlichkeit. Das wurde offen, direkt, mehrmals von US-Präsident Barack Obama gesagt. US-Präsident Donald Trump nutzte nicht diesen Begriff, doch alle Handlungen der US-Elite und praktische Schritte der USA in der internationalen Arena zeigen, dass sie weiterhin aus dieser Psychologie ausgehen. Hätten sie ihre Ausschließlichkeit mit positiven Beispielen in einem fairen Kampf und Konkurrenz gefördert, doch leider ist dem nicht so. Während die USA und der ganze so genannte historische Westen ihre absolut dominierenden Positionen verlieren, die sie seit mindestens fünf Jahrhunderten genossen haben, und neue Zentren des Wirtschaftswachstums, Finanzstärke, politischen Einflusses mit dem natürlichen Verlauf der Geschichte entstehen, und man das internationale System an die Einbeziehung dieser neuen Zentren in den gleichberechtigten Dialog und Ausarbeitung der konstruktiven allgemein annehmbaren Lösungen anpassen soll, greifen die die USA zu illegitimen Methoden, mit denen sie den Abbau ihrer Rolle in der Weltpolitik stoppen wollen.
Die UN-Charta ist eine sehr wichtige Sache. Sie sieht mehrere Normen vor, die respektiert werden sollen. Ich denke nicht, dass dieses Dokument jegliche Modifizierung braucht, obwohl wir natürlich den Reformprozess des UN-Sicherheitsrats unterstützen, der jetzt läuft. Doch das wichtigste in diesem Dokument ist die souveräne Gleichheit der Staaten, Respekt voneinander und die Notwendigkeit der Abstimmung der Positionen. Dieser Aspekt wird in den USA, besonders in der jetzigen Administration nicht geachtet. Sobald eine US-Initiative auf Widerstand bzw. Gegenvorschlag stößt, wird sofort mit Sanktionen gedroht. Es gibt sehr viele Beispiele dafür.
Zurück zu Ihrer Frage. Der Prozess der Bildung einer polyzentrischen Weltordnung ist sehr lang. Er hat begonnen und wird für jene schmerzhaft sein, die ihre Positionen verlieren, weil sich die Wirtschaft zyklisch entwickelt. Jetzt sind bei weitem nicht die USA und nicht der Westen der Anführer des Weltwachstums. Es ist klar, dass man sich daran gewöhnen soll, das ist ziemlich schmerzhaft, doch wie ich bereits sagte, es gibt keinen anderen Weg. Einen anderen Weg gehen jetzt die USA und einige ihre Verbündeten – das sind Drohungen, Ultimaten, Strafen, darunter Strafen der Unternehmen, europäischen Geschäfts (mal erfüllte Volkswagen nicht irgendwelche Normen, mal hat es kein Geld jemandem gegeben). Das alles wird auf Grundlage der grenzübergreifenden Anwendung der US-Gesetzgebung gemacht. Kurz gefasst, scheint mir, dass in den Handlungen der jetzigen Administration sowie in den Handlungen der Administration von Barack Obama dieses Erbe zu erkennen ist. Dieses Erbe gibt es leider trotz des Kurses des US-Präsidenten Donald Trump im Wahlkampf immer noch, es gewann sogar an Schärfe. In den Handlungen der Administration ist die Angst vor fairer Konkurrenz in mehreren Bereichen zu erkennen – Energie, Gaslieferungen in Europa. Sie kennen die Geschichte, als statt dem russischen Gas das Flüssiggas aus den USA aufgedrängt wird, der viel teurer ist. Was die Energie betrifft, ist das die Bekämpfung des Projekts Nord Stream 2, das als politisiert bezeichnet wird und angeblich zur Spaltung Europas und Ersticken der Ukraine führt. Das alles ist aus den USA zu hören. Sie zwingen die Europäer dazu, auf Nord Stream 2 zu verzichten, obwohl die Gaslieferungen nach Deutschland via Nord Stream 2 um 2000 km kürzer und um das 1,5-2-fache billiger als über die Ukraine sind.
Was den Rüstungskomplex betrifft, verfolgen die Sanktionen, die den russischen Verteidigungsexport und Unternehmen umfassen, die entsprechende Erzeugnisse produzieren, zweifellos das Ziel, die Festigung unserer Positionen zum Nachteil der Position der USA nicht zuzulassen. Das Streben ist klar, doch man soll fair konkurrieren und nicht einfach den Ländern der dritten Welt verbieten, russische Produkte zu kaufen (es gibt immer mehr solche Beispiele), indem man mit Sanktionen droht.
Oder der Medienbereich, der ihnen nah ist – das ist doch ebenfalls die Einschränkung der Konkurrenz, ob das Verhalten zu Russia Today, Sputnik in den USA, Frankreich, oder die Vertreibung unserer Journalisten und Schließung unserer Sender in Moldawien, in der Ukraine, Lettland in vielen anderen Ländern. Oder die jüngste Initiative Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron, Regeln zum Kampf gegen Fake News einzuführen, wobei der Fake-Charakter nur von einer Seite bestimmt wird. Keine Diskussionen, Beweise bzw. Argumente sind vorgesehen – zumindest in der Version, die jetzt bekanntgegeben wurde.
Zum Thema Sport und dem, was dort angesichts der kommenden Olympischen Spiele und der Beschlüsse gegenüber russischen Sportlern vor sich geht. Es gibt keine Zweifel daran, und Russlands Präsident Wladimir Putin sagte das, dass es Fakten der Anwendung von Doping durch unsere Sportler gab, doch es gab niemals in solchen Fällen kollektive Bestrafung. Neben dem Streben, der Russischen Föderation zu schaden, sehe ich hier Angst vor fairer Konkurrenz.
Was Medien über russisch-amerikanische Beziehungen, die USA (ich führte Beispiele an, die regelmäßig auf den Webseiten, im Fernsehen, Zeitungen erscheinen) schreiben, das wird natürlich von unserer Gesellschaft wahrgenommen und analysiert. Die Frage der öffentlichen Meinung ist ein wichtiger Indikator. Doch ich meine, dass die US-Führung, indem sie Russland dämonisiert, den größten Beitrag zur Situation leistet, die Sie erwähnten. Wir können nicht auf feindliche Handlungen nicht antworten, die ich erwähnte. Wir bemühen uns immer, das vorsichtig zu machen, ohne das Auge-um-Auge-Prinzip. Man kann nicht absolut illegale Handlungen dulden (ich erwähnte jetzt nicht den präzedenzlosen Fall des Ergreifens des diplomatischen Eigentums, wir beginnen jetzt Gerichtsverfahren, die Vorbereitung ist schon abgeschlossen), man kann nicht darauf nicht reagieren und nicht darüber zu schreiben. Wenn unser Zuschauer, Leser und Nutzer der Sozialen Netzwerke diese Fakten wahrnehmen, die ich erwähnte (es gibt sie auch deutlich mehr), sehe ich nicht, wie man Menschen bei der Antwort auf die Frage „Wie verhalten Sie sich zu Amerika?“ davon überzeugen kann, gut zu sagen und dass es das beste Land auf der Erde ist und man will, dass es bei uns auch so wird. Ich werde hier wohl aufhören.
Frage: Wie schätzen Sie die acht Runden der zwischensyrischen Verhandlungen in Astana und jene in Genf ein?
Sergej Lawrow: Der Astana-Prozess wird ziemlich ausführlich beleuchtet. Wie ich bereits sagte, begannen wir mit diesem Prozess nachdem Administration von Barack Obama ihre Verpflichtungen torpedierte, die von ihr kontrollierte Opposition von Dchebhat an-Nusra und anderen Terroristen zu trennen. Solche Vereinbarung wurde zwischen den Präsidenten Wladimir Putin und Barack Obama nach ihrem Treffen in China im September 2016 erreicht. Danach legten wir das mit US-Außenminister John Kerry auf Papier. Die Amerikaner konnten sie nicht erfüllen, weil sie sich entweder als nicht imstande erwiesen, oder wollten nicht in der Tat Dschebhat an-Nusra unterdrücken. Unsere Verdachte bleiben bis heute bestehen und bekommen immer mehr Bestätigungen.
Damals ging die UNO gar nicht vor. Zusammen mit der Türkei und dem Iran beschlossen wir, einen Prozess zu starten, der sich nicht auf abstrakte Schemata, sondern auf eine reale Situation auf dem Boden stützen wird. Wir haben begonnen, mit der bewaffneten Opposition, der Regierung Syriens zu arbeiten, die sich dann in Astana versammelten, wo einige Runden stattfanden. Ihr Zwischenergebnis wurde die Schaffung von vier Deeskalationszonen. Eine von ihnen wurde unter Teilnahme Russlands, der USA und Jordaniens geschaffen. In diesen Zonen ging die Gewalt deutlich zurück.
Jetzt versuchen aber in Idlib und in Ost-Ghuta Provokateure, die Situation ins Wanken zu bringen. In Idlib werden die Strukturen, die ein Abkommen im Namen der Oppositionellen unterzeichneten und für die unsere türkischen Kollegen antworten, zusätzlich beeinflusst, soviel ich verstehe. Bereits vor kurzem organisierten sie mehrere Aktionen gegen die syrischen Truppen. Parallel gab es Provokationen auch gegen unseren Stützpunkt Hmeimim. Man konnte nicht ohne Reaktion lassen, weil das direkte Verletzungen der Vereinbarungen über Deeskalationszonen waren. Jetzt sind die Versuche unserer westlichen Kollegen, alles so darzustellen, als ob es die syrische Armee ist, die die Vereinbarungen verletzt, unfair. Alles ist direkt umgekehrt. Wir rechnen sehr damit, dass türkische Kollegen schnellst möglich den Ausbau der gebliebenen Beobachterposten um die Deeskalationszone in Idlib abschließen. Bislang wurden nur drei aufgestellt, insgesamt sollen es 20 sein. Darum ging es in den Kontakten unserer Anführer. Wir wurden zugesichert, dass diese Arbeit beschleunigt wird. Ich hoffe, dass das bei der Stabilisierung der Situation in Idlib helfen wird und es keine weiteren Brüche geben wird.
In Ost-Ghuta ist die Situation ähnlich. Westliche Medien und Politiker verursachen großes Aufsehen wegen der Tatsache, dass syrische Armee Operation in Ost-Ghuta trotz der Vereinbarung über die Deeskalationszone fortsetzt. Alle Handlungen der syrischen Armee sind Gegenhandlungen, weil Extremisten aus Ost-Ghuta, die unseres Erachtens Dschebhat an Nusra nahe liegen, regelmäßig Wohnviertel von Damaskus beschießen, darunter den Bezirk der russischen Botschaft. So zu tun, als ob nichts geschieht und nicht zu versuchen, rechtswidrige Handlungen zu machen, wäre absolut falsch.
Doch die Arbeit wird fortgesetzt. Im Rahmen des Astana-Prozesses gab es Vereinbarungen über zusätzliche humanitäre Schritte, Austausch von Gefangenen, mehreren anderen Sachen, die bei der Stärkung des Vertrauens auf dem Boden und Beginn der nationalen Versöhnung in den Deeskalationszonen auf lokaler Ebene helfen. Jetzt werden sie umgesetzt.
Wir hoben mehrmals hervor, dass der Astana-Prozess kein Konkurrent für UN-Anstrengungen ist. Die UNO nimmt immer an den Sitzungen der internationalen Treffen in Astana teil sowie auch der Kongress des nationalen Dialogs eine mehr produktive Durchführung der Verhandlungen fördern soll. In der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats wird gesagt, dass an den Verhandlungen die Delegation der Regierung und ein breites Spektrum der Opposition teilnehmen sollen, und in Genf, der Delegation, die von unseren saudischen Kollegen bei unserer Unterstützung gebildet wurde, ist ein nicht sehr breites Spektrum der Opposition vertreten. Dort gibt es vor allem äußere Opposition. Das sind Menschen, die in Riad, Moskau, Kairo, Paris, London, VAE und Istanbul wohnen. Der Kongress soll zu den Anstrengungen zur politischen Regelung und Prozess die Vertreter der Opposition heranziehen, die sich in Syrien befinden, und nicht nur jene, die gegen die Regierung sind, sondern auch Vertreter der Stämme, die ruhig wohnen, auf deren Gebieten es keine großen Kampfhandlungen gab, die keine Konfliktteilnehmer sind, aber in diesem Land wohnen. Natürlich soll die Meinung auch dieser Stämme berücksichtigt werden, wenn die Frage über die Zukunft Syriens via seine Verfassung bzw. irgendwie noch gelöst wird.
Frage: Ist ein Wandel bei den Herangehensweisen zur syrischen Krise bei Präsident Donald Trump im Vergleich zu seinem Vorgänger Barack Obama zu erkennen?
Sergej Lawrow: Anscheinend gibt es keine radikalen Unterschiede. Leider beobachten wir in beiden Fällen das Streben, nicht die schnellstmögliche Beilegung des Konfliktes zu fördern, sondern jenen zu helfen, die praktische Schritte zum Regimewechsel in Syrien anstreben. Ich sagte bereits, dass US-Außenminister Rex Tillerson wie John Kerry mir mehrmals zusicherten, dass das einzige Ziel der Präsenz der USA in Syrien, darunter die Fliegerkräfte und Spezialeinheiten auf dem Boden neben der Koalition, die Vernichtung der Extremisten, darunter ISIL, ist. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Amerikaner sagen, dass der ISIL bis zum Ende noch nicht vernichtet wurde und einzelne Herde bleiben, zeigen die jetzigen Handlungen, dass die USA jedoch nicht die territoriale Integrität Syriens anstreben.
Gestern wurde eine neue Initiative der USA bekanntgegeben, mit der sie den so genannten Demokratischen Kräften Syriens helfen wollen, Zonen der Grenzsicherheit zu schaffen. Das bedeutet de facto die Absonderung eines riesengroßen Gebiets entlang den Grenzen an die Türkei und den Irak, östlich des Euphrats. Diese Gebiete werden jetzt von Demokratischen Kräften Syriens kontrolliert, doch dort sind die Beziehungen zwischen Kurden und Arabern sehr schwer. Die Erklärung, dass diese Zone von US-geführten Gruppen kontrolliert wird, mit Kräften bis zu 30.000 Personen, ist eine sehr ernsthafte Frage, die Befürchtungen auslöst, dass der Kurs auf die Teilung Syriens genommen wurde. Das wird ohne jegliche Gründe gemacht, die sich aus Resolutionen des UN-Sicherheitsrats bzw. Vereinbarungen ergeben, die zuvor bei Genf-Verhandlungen erreicht worden waren. Wir sowie unsere türkischen und iranischen Kollegen erwarten von den USA ausführliche Erklärungen.
Frage: Die türkischen Streitkräfte haben seit gestern mindestens 40 Schläge gegen die Positionen der syrischen Kurden aus der Partei „Demokratische Union“ bei Afrin versetzt. Wie ist Russlands Position dazu?
Sergej Lawrow: Das ist ein gemeinsames Thema für unsere Arbeit. Wir bestehen auf der vollständigen Einhaltung der Vereinbarungen zum Waffenstillstand. Natürlich sind die Kurden Teil der syrischen Nation, und ihre Interessen sollten ebenfalls berücksichtigt werden, unter anderem im Rahmen der Vorbereitung des Kongresses des nationalen Dialogs. Ich erwähnte bereits das neue Projekt der USA zur Bildung von Grenzsicherheitskräften, die vor allem aus Kämpfern der Demokratischen Kräfte Syriens bestehen sollen, deren Basis die Kurden bilden. Sie wissen bereits, dass diese Absichten eine negative Reaktion der Türkei auslösten. Ich sagte, dass wir in diesem Zusammenhang wichtige Fragen bezüglich der territorialen Integrität Syriens haben. Aber da gibt es auch ein Problem in den Beziehungen zwischen den Kurden und der Türkei. Dieser neue einseitige ultimative Schritt ist alles andere als hilfreich für die Beruhigung der Situation um Afrin.
Frage: Der Konflikt zwischen Erbil und Bagdad dauert weiter an. In Kirkuk wurden Dutzende kurdische Einwohner getötet, und mehr als 200 000 Kurden mussten Flüchtlinge werden. Welche Rolle könnte Russland bei der Konfliktregelung zwischen Erbil und Bagdad spielen?
Sergej Lawrow: Die Antwort ist ganz einfach: eine Rolle, die annehmbar wäre und an der Erbil und Bagdad interessiert wären. Wir befürworten die territoriale Einheit des Iraks und plädieren für die Regelung aller Probleme auf dem Verhandlungsweg bzw. im Rahmen des nationalen Dialogs. Falls die Seiten Russlands Vermittlung brauchen, dann würden wir das positiv sehen – das versichere ich Ihnen.
Frage: US-Präsident Donald Trump erklärte Ende der vorigen Woche ultimativ, er würde zum letzten Mal die „Einfrierung“ der antiiranischen Sanktionen verlängern. Welche Folgen hätte das Scheitern des Atomdeals mit dem Iran? Wie wäre Russlands Reaktion darauf?
Sergej Lawrow: Wir haben diese Situation schon ausführlich genug kommentiert. Wir sind überzeugt, dass der Gemeinsame allumfassende Aktionsplan eine der wichtigsten Errungenschaften der Weltgemeinschaft im Kontext der Stabilisierung im Nahen bzw. Mittleren Osten und im Kontext der Unzulässigkeit der „Verwässerung“ des Regimes der Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen ist. Wir teilten unsere Position den USA öfter mit.
Seitdem Washington zum ersten Mal an der Zweckmäßigkeit der Einhaltung des Gemeinsamen Aktionsplans zweifelte, schilderten wir schon öfter gemeinsam mit den chinesischen und europäischen Teilnehmern dieses Abkommens unsere Meinung Washington, dass dieser Schritt schädlich wäre und kaum vorhersagbare Folgen hätte. Leider blieben unsere Bemühungen vorerst erfolglos.
Wir werden weiterhin daran arbeiten, dass die USA die Realität einsehen, die nämlich darin besteht, dass der Iran alle seine Verpflichtungen im Sinne des Gemeinsamen Aktionsplans einhält. Das bestätigt der Generaldirektor der IAEO regelmäßig. Die IAEO hatte bisher keine Einwände in Bezug auf die Verpflichtungen des Irans im Sinne des Atomdeals.
Jetzt versuchen die USA, die Vereinbarung zu verändern, wobei darin Dinge aufgenommen werden sollten, die für den Iran absolut inakzeptabel wären. Wir werden diese Initiative nicht befürworten. Der Zugang zu jedem Objekt auf erste Forderung geht über die Vereinbarung hinaus, genauso wie der fristlose Verzicht des Irans auf seine Rechte im Sinne des Atomwaffensperrvertrags und der IAEO-Satzung. Parallel wird der Iran einem sehr umfassenden Druck ausgesetzt. Die USA verlangen nämlich, dass er die Entwicklung von ballistischen Raketen aufgibt, was jedoch nie ein Gegenstand der Verhandlungen war. Diesbezüglich übernahm Iran nie irgendwelche Verpflichtungen. Und generell bestehen die USA darauf, dass sich der Iran nicht in die Angelegenheiten seiner Nachbarländer und der Region im Allgemeinen einmischt und die Menschenrechte auf seinem Territorium nicht verletzt. Es wird inzwischen ein ganzes Paket von Sanktionen gegen dieses Land vorbereitet, insbesondere für die eben erwähnten „Sünden“ außerhalb des Programms zur Regelung der Atom-Angelegenheit. Das ist sehr bedauernswert.
In einigen Monaten wird ein weiterer Bericht veröffentlicht. Sollten die USA tatsächlich die Tür „zuknallen“, will ich mir gar nicht vorstellen, wie die Folgen dann wären. Dann würde sich der Iran nicht mehr verpflichtet sehen, die Bedingungen des Aktionsplans einzuhalten. Ich hoffe sehr, dass unsere europäischen Partner, die von den Amerikanern jetzt wohl unter Druck gesetzt werden, die Bedingungen des Aktionsplans, der von der entsprechenden Resolution des UN-Sicherheitsrats bekräftigt wurde, trotzdem einhalten werden. Es ist bedauernswert, dass die USA wieder den Grund geben, ihre Verhandlungsfähigkeit infrage zu stellen.
Was die konkreten Folgen angeht, so muss ich wieder auf das Atomproblem der Halbinsel Korea verweisen. Von Kim Jong-un verlangt man aktuell, sein militärisches Atomprogramm aufzugeben, und verspricht dafür die Aufhebung der bisherigen Sanktionen. Dasselbe hatte aber die Weltgemeinschaft auch mit dem Iran vereinbart. Und wenn man jetzt dem Iran sagt, er sollte seine Verpflichtungen einhalten, aber die Sanktionen könnten wieder verhängt werden, dann sehen Sie sich diese Situation einmal mit den Augen Nordkoreas an. Man verspricht diesem Land die Abschaffung der Sanktionen, falls es auf sein Atomprogramm verzichtet – das wird es vielleicht auch tun, doch die Sanktionen könnten weiter in Kraft bleiben. Oder umgekehrt: Das Abkommen wird möglicherweise getroffen, aber die Amerikaner könnten dann sagen, sie wären die „Herren ihres Wortes“: Sie hätten ihr Wort gegeben – und würden jetzt ihr Wort zurücknehmen. Es gibt ja so einen Scherz.
Übrigens wird heute in Vancouver ein Treffen bezüglich Nordkoreas eröffnet, das von den Amerikanern und Kanadiern einberufen wurde, an dem sich die Länder beteiligen, die während des Korea-Kriegs der Jahre 1950 bis 1953 an der UN-Koalition teilgenommen hatten. Als wir über dieses Treffen erfuhren, fragten wir, warum ausgerechnet diese Länder zu den Teilnehmern gehören. Unter anderem sind das Griechenland, Belgien, Kolumbien und Luxemburg. Sie hatten zu den Teilnehmern der damaligen Koalition gehört, aber was haben sie mit der aktuellen Regelung des Problems auf der Halbinsel Korea zu tun? Was werden sie dort tun? Die Amerikaner antworteten uns, es sei wichtig, dass auch andere Länder unsere gemeinsamen Bemühungen unterstützen, doch die Tagesordnung ist so, dass dabei ein Mechanismus zum Ausbau des Drucks auf Pjöngjang entwickelt werden soll. Erst vor ein paar Wochen war eine neue Resolution verabschiedet worden. Und zwei Tage später wurde angekündigt, dass ein solches Treffen in Vancouver einberufen würde. Wir und die Chinesen wurden dazu nicht eingeladen, aber man sagte uns, das Treffen würde heute, am 15. Januar, am Abend beginnen, und am 16. Januar würden die Hauptsitzungen stattfinden. Und man schlug uns und den Chinesen vor, am Abend zu kommen, damit man uns erzählt, was dabei vereinbart worden ist. Es ist aber klar, dass für uns so etwas unannehmbar war. Wir bestanden darauf, dass auch die UNO die Einladung zu diesem Treffen ablehnt – und die Einladung dazu war an die UNO geschickt worden.
Ich muss noch ein paar Worte zu den Manieren der US-Diplomatie sagen. Ich denke, erst gestern fand ein Pressebriefing im US-Außenministerium statt. Der Moderator, der gerade über dieses Treffen in Vancouver erzählte, wurde gefragt, warum China und Russland dazu nicht eingeladen worden sind. Die Antwort war indirekt, und es ging darum, dass man über die Organisation dieses Treffens mit Moskau und Peking gesprochen hätte und dass beide Länder diese Bemühungen angeblich befürwortet hätten. Das ist aber nichts als offene Lüge. Wir hatten direkt gesagt, dass wir diese Bemühungen und dieses Treffen für schädlich halten.
Wir werden schon sehen, wie sich die Situation entwickelt. Aber vorerst ist es mir schwer zu sagen, wie die Position der Europäer zum iranischen Atomprogramm sein wird. Sie scheinen schon jetzt zu beginnen, zur Suche nach irgendwelchen Kompromissen aufzurufen. Das wäre aber die Bewegung in eine sehr gefährliche Richtung.
Frage: 2017 hat Russland einen riesigen Beitrag zur Konfliktregelung in Syrien geleistet und trat im Allgemeinen als Friedensstifter auf. Wie erfolgreich finden Sie die Arbeit der russischen Diplomatie bei der Regelung von anderen Konflikten, insbesondere in Bergkarabach? Gibt es bereits gewisse Pläne zur Konfliktregelung im Jahr 2018? Gibt es Pläne in Bezug auf die Kooperation mit Aserbaidschan in diesem Jahr?
Sergej Lawrow: Was die Konfliktregelung in Bergkarabach angeht, so hat Russland natürlich keine konkreten Pläne zur Lösung dieses Problems, denn nur die Konfliktseiten selbst können es lösen. Russland, die USA und Frankreich tun als Co-Vorsitzende der Minsker OSZE-Gruppe ihr Bestes, um Bedingungen für die Konfliktregelung zu schaffen. In den letzten Jahren bemühten wir uns sehr, um die Positionen der Seiten zusammenzufassen, gewisse Berührungspunkte in diesen oder jenen Aspekten der Regelung zu finden und mögliche Kompromisse hervorzuheben, damit die Seiten gemeinsame Nenner finden können.
Diese Arbeit wurde sehr intensiv geführt, unter anderem im vergangenen Jahr. Alle unsere Vorschläge und die Vorschläge der anderen Co-Vorsitzenden (und in diesem Kontext stehen wir, die USA und Frankreich auf einer einheitlichen Position) wurden den Konfliktseiten mitgeteilt. Sie wissen, was die Co-Vorsitzenden denken, müssen aber selbst diese oder jene Entscheidungen treffen. Natürlich warten wir auf positive Impulse seitens beider Länder.
Wir freuen uns, dass im vergangenen Jahr die Präsidenten und die Außenminister beider Länder sich getroffen haben. Vertreter der Co-Vorsitzenden beteiligten sich an diesen Prozessen. Ich denke, es wäre aktuell wichtig, zusätzliche Schritte zu unternehmen, damit die Situation an der Trennungslinie ruhiger wird. Dann könnte man zur politischen Regelung übergehen.
Im Allgemeinen kann ich sagen: Dieses Problem kann man nicht im Rahmen eines Dokuments ein für alle Mal lösen. Man müsste phasenweise vorgehen, wobei man einsehen würde, was unmittelbar jetzt möglich ist und wie die weitere Arbeit erfolgen könnte, damit die Situation, insbesondere der Status Bergkarabachs, endgültig geregelt wird. Also haben jetzt die Konfliktseiten etwas zu tun.
Zu unseren Plänen bezüglich der Entwicklung der Beziehungen mit Aserbaidschan kann ich sagen, dass sie sich auf den sehr intensiven Dialog unserer Präsidenten und Außenminister stützen. In diesem Jahr tauschten ich und mein aserbaidschanischer Amtskollege gegenseitige Besuche aus. Es finden regelmäßig diverse Veranstaltungen statt, insbesondere ein gemeinsames humanitäres Forum. Unser gegenseitiger Handel, unsere gegenseitigen Investitionen usw. wachsen weiter. Diese Arbeit geht weiter, und dafür sind keine speziellen Dokumente erforderlich. Wir haben gegenseitige Regierungskommissionen auf ganz verschiedenen Gebieten; es werden entsprechende Zeitpläne erstellt. Wir sind mit unserer strategischen Partnerschaft mit Aserbaidschan sehr zufrieden.
Frage: Es entsteht manchmal der Eindruck, Sie hätten die Situation um Julian Assange vergessen, aber das stimmt nicht. Es sieht so aus, dass alle legitimen Bemühungen der Behörden Ecuadors nicht mehr funktionieren. Zunächst wurde ihm Asyl gewehrt. Unlängst erfuhren wir, dass der WikiLeaks-Gründer die Staatsbürgerschaft Ecuadors erhalten hatte. Der vorerst letzte Versuch war, ihm den diplomatischen Status zu verleihen, doch London sagte ab. Es funktioniert nichts mehr. Was halten Sie von dieser Situation? Es sind inzwischen fast sechs Jahre vergangen, seitdem dieser Mann, der in der ganzen Welt als Kämpfer für die Wahrheit und Pressefreiheit wahrgenommen wird, auf dem Gelände der Botschaft Ecuadors bleibt. Hätte Russland genauso wie Ecuador gehandelt – hätte es Herrn Assange eingebürgert?
Meine zweite Frage gilt den Versuchen, den Kongress des syrischen nationalen Dialogs zum Scheitern zu bringen. Vor kurzem erklärte ein Sprecher des US-Außenministeriums, die USA würden seine Legitimität nicht anerkennen – im Unterschied zu den Gesprächen in Genf und Astana. Werden wir auf die USA Rücksicht nehmen? Können wir diesen Kongress planmäßig durchführen, wenn man die zahlreichen Schwierigkeiten bedenkt, vor allem die Kontroversen zwischen den Garant-Ländern sowie zwischen den anderen internationalen Akteuren, die Probleme um die Beteiligung der Kurden und des UN-Beauftragten für Syrien, Staffan de Mistura?
Sergej Lawrow: Die Frage von Russlands Vorgehen, wenn Julian Assange unsere Staatsbürgerschaft beantragt hätte, ist hypothetisch. Wir betrachten solche Situationen vor allem aus humanitärer Sicht. So war das im Fall von Edward Snowden, der bei uns Asyl beantragt hatte und es auch bekommen hat, denn wir dachten dabei an die möglichen Folgen für ihn angesichts der Anklage gegen ihn. Er lebt und arbeitet. Er steht auf einer absolut nonkonformistischen Position, äußert sich zu allen möglichen Themen – das wissen Sie selbst. Ich kann einfach nicht etwas kommentieren und dabei immer wieder „wenn“ und „aber“ sagen. Julian Assange befindet sich nicht in Russland, aber ich kann nur zustimmen, dass dieses Problem irgendwie geregelt werden müsste. Wir haben Verständnis für die Aktivitäten der Behörden Ecuadors. Hoffentlich werden sich auch andere Länder nach der Vernunft richten, insbesondere unsere britischen und schwedischen Kollegen, die inzwischen die Bereitschaft signalisieren, ihren guten Willen zu zeigen und dieses Problem endlich zu lösen.
Was das Verhalten unserer amerikanischen Kollegen zu den Initiativen Astanas und zum Kongress des syrischen nationalen Dialogs angeht, so hatten wir die Amerikaner nach Astana eingeladen, und ihre Vertreter beteiligten sich an den Treffen. Ich wäre nur froh gewesen, wenn der Genfer Prozess die Regelung vorangebracht hätte. Aber leider war der ursprüngliche Versuch, den Genfer Prozess nur auf die Verhandlungen zwischen der Regierung und den Emigranten aus der Zahl der Oppositionellen zu beschränken und die Oppositionskräfte innerhalb Syriens auszusondern, von Anfang an zum Scheitern verdammt. Wir beteiligten uns an den Treffen, sagten aber immer wieder, dass die Resolution des UN-Sicherheitsrats, die wir immer hervorheben, verlangt, dass das ganze Spektrum der syrischen Gesellschaft sich daran beteiligt. Und solche Personen, die seit vielen Jahren im Ausland leben, können kaum als Vertreter des ganzen Spektrums gelten.
Deswegen wurde eben der Astanaer Prozess ins Leben gerufen, damit die Kämpfer, die mit Waffen in der Hand der Regierung widerstehen, am Verhandlungstisch Platz nehmen und mit der Regierung Baschar al-Assads über die Feuereinstellung, über gemeinsame Handlungen zwecks Lebensförderung in den Deeskalationszonen sprechen.
Auch der Kongress des nationalen Dialogs hat die Aufgabe, nach dem Ende der „heißen Phase“ des Anti-IS-Kampfes den politischen Prozess einzuleiten, an dem sich die Kräfte beteiligen könnten, die sich an den Genfer Strukturen nicht beteiligt sind – und sie sind eigentlich in der Überzahl.
Unseres Erachtens könnte sich die UNO nach diesem Kongress bei uns bedanken, denn wir werden dadurch ihre Möglichkeiten sowie den Teilnehmerkreis wesentlich erweitern, damit die Verfassungsreform und die Regeln der künftigen Wahlen so festgelegt werden, dass sie die Unterstützung des ganzen syrischen Volkes genießen – und nicht nur der Kräfte, die sich an den Verhandlungen im Völkerbundpalast beteiligten.
Frage: Im Kontext der von Ihnen erwähnten Sanktionen, des verlorengegangenen diplomatischen Eigentums, der Ermittlungen der russischen „Einmischung“ lassen sich die bilateralen Beziehungen aktuell wohl noch schlimmer als unter Präsident Barack Obama bezeichnen. Knapp ein Jahr nach dem Amtsantritt des Präsidenten Donald Trump werden zusätzliche Sanktionen geplant. Bedauern Sie persönlich nicht, dass Donald Trump US-Präsident geworden ist? Wäre Ihnen vielleicht Hillary Clinton im Weißen Haus lieber gewesen?
Sergej Lawrow: Wissen Sie, etwas zu bedauern, was nicht passiert ist – das ist nicht, womit sich Diplomaten beschäftigen. Wir arbeiten mit Fakten. Sie sind so, wie wir sie eben sehen. Deshalb tun wir etwas, was für die Verteidigung der Interessen Russlands unter den aktuellen Bedingungen nötig ist.
Frage: Meine erste Frage gilt Libyen. Wie könnten die Aktivitäten der libyschen Diplomate Ihres Erachtens die aktuelle Krise regeln?
Meine zweite Frage gilt der Vatikanstadt. Können wir nach dem Russland-Besuch des Staatssekretärs Pietro Parolin im August 2017 auch andere wichtige Ereignisse in den bilateralen Beziehungen erwarten?
Sergej Lawrow: Was Libyen angeht, so spielen wir nicht die wichtigste Rolle bei den internationalen Aktivitäten zwecks Regelung. Wie Sie wissen, fand in Paris ein Treffen des Premiers der Regierung der nationalen Einheit, Fayiz as-Sarradsch, mit dem Marschall Chalifa Haftar statt. Dabei wurden gewisse vielversprechende Vereinbarungen getroffen, deren Erfüllung später aber ins Stocken geriet. Es gibt auch die Bemühungen der Nachbarländer Libyens, nämlich Algeriens, Ägyptens und Tunesiens, die unseres Erachtens ebenfalls nützlich sind. Wir begrüßen auch die Aktivitäten des UN-Beauftragten für Libyen, Ghassan Salamé, der einen interessanten „Fahrplan“ entwickelt hat. Jedenfalls geben die mehreren Verhandlungsrunden, die unter seiner Ägide in Tunesien stattfanden, die Hoffnung, dass sich die Situation Schritt für Schritt in die richtige Richtung entwickelt, also zur Vorbereitung von Wahlen. Alle sind einverstanden, dass dies eine wichtige Etappe wäre.
Was uns angeht, so hatten wir im Unterschied zu vielen Ländern von Anfang an mit allen Seiten in Libyen – mit der Regierung der nationalen Einheit in Tripolis, mit dem Abgeordnetenhaus in Tobruk, mit Chalifa al-Ghweil und vielen anderen – zusammengearbeitet. Zunächst hatten einige von unseren westlichen Kollegen nur auf eine von diesen Personen gesetzt – aber jetzt (lieber spät als nie) stehen sie auf einer besser ausgeglichenen Position und verstehen, dass die Verhandlungen ohne Beteiligung aller Schlüsselfiguren erfolglos bleiben werden.
Was unsere Beziehungen mit der Vatikanstadt angeht, so waren sie auch vor dem Besuch Kardinal Parolins durchaus intensiv gewesen. Präsident Wladimir Putin hatte sich mehrmals mit Papst Franziskus getroffen. Wir haben konkrete Errungenschaften bei der humanitären Kooperation vorzuweisen: Es fanden einmalige Ausstellungen statt. Und im vorigen Jahr wurden visafreie Reisen für Besitzer von diplomatischen Pässen vereinbart, was die Vatikanstadt als „historische Vereinbarung“ bezeichnete. Wir haben diverse gemeinsame Interessen, unter anderem im Kontext der Situation im Nahen Osten und in Nordafrika. Schon seit mehreren Jahren organisieren wir gemeinsam mit der Vatikanstadt und einigen anderen Kollegen spezielle Konferenzen für Verteidigung der Rechte der Christen im Laufe all dieser blutigen Konflikte. Die vorerst letzte solche Konferenz fand am Rande einer Sitzung des OSZE-Außenministerrats im Dezember 2017 statt. Das sind nur einige Beispiele für unsere umfassenden Beziehungen mit der Vatikanstadt.
Frage: Der „Winterkrieg“ beeinträchtigte seit vielen Jahren die Beziehungen zwischen Helsinki und Moskau und beeinträchtigt sie wohl immer noch. In den letzten Jahren gab es in russischen Medien Berichte, die sich finnische Historiker nicht gefallen lassen, weil es dort unter anderem einige lügnerische Behauptungen gibt. Könnten Sie klar und deutlich sagen, wie die Position des Außenministeriums Russlands ist? Wer hat denn in Mainila geschossen und dadurch den „Winterkrieg“ von 1939 ausgelöst?
Sergej Lawrow: Wissen Sie, damit sollen sich lieber Historiker beschäftigen. Die Außenministerien sollten meines Erachtens lieber nicht diese oder jene Positionen in Bezug auf historische Fakten einnehmen. Das waren nicht die besten Zeiten in den Beziehungen unserer Länder. Und den aktuellen Zustand unserer bilateralen Beziehungen finde ich sehr gut. Haben Sie gestern den Film „Walaam“ gesehen? Präsident Wladimir Putin hat meines Erachtens alles klar und deutlich gesagt: Wir gucken in die Zukunft, legen viel Wert auf die Rolle Finnlands bei der Rettung des Klosters und seiner Schätze. Wenn Diplomaten unserer Länder sich jetzt streiten werden, wer vor 70 oder 80 Jahren als erster geschossen hat, wäre das aus meiner Sicht falsch. Historiker sollen sich damit natürlich beschäftigen. Wir haben übrigens mit vielen Ländern gemeinsame Kommissionen für Geschichte. Ich hätte nichts dagegen, wenn wir auch mit Finnland eine solche Kommission bilden würden.
Frage: Vor genau einem Jahr fragte ich Sie, wie die westeuropäischen Länder auf die Entwicklung der EAWU reagieren. Sie sagten, dass sie nicht gerade eindeutig darauf reagieren. Hat sich ihr Verhalten irgendwie verändert?
Meine zweite Frage gilt Usbekistan: Welche Pläne hat das Außenministerium Russlands in Bezug auf dieses Land?
Sergej Lawrow: Was das Verhalten Brüssels zur EAWU angeht, so hatten die Europäer vor einem Jahr es vermieden, anzuerkennen, dass dieses Integrationsbündnis irgendeine Funktion hat. Das taten sie natürlich aus politischen und ideologischen Gründen – genauso wie die Nato die OVKS als Organisation nicht anerkennen will, mit der sie den Dialog führen könnte, obwohl es einen Moment gab, als sich gewisse Fortschritte abzeichneten.
Inzwischen unternimmt die EU immerhin gewisse Schritte zur Anerkennung der Realität und zeigt sich wenigstens zum Dialog zwischen der EU-Kommission und der Eurasischen Wirtschaftskommission bereit, auch wenn nur über technische Fragen, die aber mit der praktischen Beförderung von Waren verbunden sind. Dadurch entsteht aber die Basis für weitere Schritte zur Entwicklung der gegenseitigen Kooperation. Man kann auch auf diese Weise von Kleinem zu Großem gehen.
Mit Usbekistan sind wir schon seit Jahren Verbündete, und unsere Beziehungen stützen sich auf einen entsprechenden Vertrag. Wir stellen zufrieden fest, dass Usbekistan im letzten Jahr sich intensiver an multilateralen Veranstaltungen beteiligte, insbesondere im Rahmen der GUS und der SOZ. Wir begrüßen diese Veränderungen. Im Frühjahr 2017 besuchte der Präsident Usbekistans, Schawkat Mirsijojew, Russland, und während seiner Verhandlungen mit Präsident Putin wurden die Perspektiven für die weitere Vertiefung unserer strategischen Partnerschaft besprochen. All diese Richtungen stimmen mit den Aktivitäten im Rahmen unserer multilateralen Strukturen im postsowjetischen Raum überein. Also denke ich, dass unsere Perspektiven sehr positiv sind.
Frage: Kanada könnte sich an einer Friedensmission in der Ukraine beteiligen, wenn diese Mission den ganzen östlichen Teil dieses Landes umfassen würde. Dabei steht Russland, soweit ich verstehe, auf der Position, dass die Mission durch die Trennungslinie beschränkt werden sollte. Sehen Sie Möglichkeiten für einen Kompromiss zwischen diesen beiden Positionen?
Sergej Lawrow: Unser Vorschlag bezüglich der UN-Mission zum Schutz der OSZE-Beobachter beschränkt sich nicht auf ihre Unterbringung an der Trennungslinie. Die OSZE-Beobachter haben ein Mandat, dem zufolge sie sich in den Räumen bewegen, die mit den beiden Konfliktseiten abgesprochen worden sind. Sie besuchen regelmäßig das Territorium der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk – bis zur Grenze an Russland, wo sie sich bis 20 Mal pro Woche aufhalten. Unser Vorschlag sieht den UN-Schutz für die OSZE-Beobachter überall vor, wo sie sich in Übereinstimmung mit ihrem Mandat bewegen.
Was Kanadas Interesse angeht, so ist das keine Frage an mich. Für die nationale Zusammensetzung des Kontingents in Übereinstimmung mit unserem Vorschlag und mit der allgemeinen Praxis der UNO sind die Konfliktseiten zuständig, also soll das mit Kiew, Donezk und Lugansk abgesprochen werden.
Frage: Kann das von Ihnen schon erwähnte internationale Treffen zu Nordkorea in Vancouver ohne Russland produktiv sein?
Sergej Lawrow: Zu dem Treffen wurde nicht nur Russland, sondern auch China nicht eingeladen. Bei allem Respekt für die Länder, denen diese Initiative gehörte, erwarte ich davon nichts Produktives. Es wäre schon gut, wenn nichts Kontraproduktives passiert. Aber es fällt mir schwer, daran zu glauben, denn die Tagesordnung klingt „Ausbau des Drucks auf Nordkorea“.
Frage: Ich habe eine Frage zu den Worten, die gegeben, dann aber zurückgenommen werden. Sie sprachen viel vom 21. Februar 2014, als das von Ihnen erwähnte Abkommen unterzeichnet wurde. Warum trägt die Medaille für die so genannte „Rückkehr der Krim“ das Datum 20. Februar, also einen Tag vor der Unterzeichnung des Abkommens?
Sergej Lawrow: Ehrlich gesagt, sah ich diese Medaille nicht. Ich denke, das ist ein technisches Missverständnis.
Frage: In der vorigen Woche sagte Präsident Putin, Russland wäre bereit, die Panzertechnik und die Schiffe von der Krim der ukrainischen Seite zu überlassen. Er sagte zudem, dass sich die Beziehungen zwischen Russland und der Ukraine nach der Regelung der Donbass-Frage wieder normalisieren würden. Wie wichtig ist für Russland die Aufrechterhaltung der pseudostaatlichen Gebilde in der Ostukraine? In den Minsker Vereinbarungen, von denen Sie so viel sprechen, steht nichts über die Volksrepubliken Lugansk und Donezk geschrieben.
Sergej Lawrow: Dort handelt es sich um einzelne Teile der Gebiete Donezk und Lugansk. Da wir gerade keine Gerichtsverhandlungen, sondern ein Pressegespräch haben, gestatte ich es mir manchmal, über diese oder jene Ereignisse deskriptiv zu sprechen.
In den Minsker Vereinbarungen geht es um einzelne Teile der Gebiete Donezk und Lugansk. Wenn wir über die Erfüllung der Verpflichtungen sprechen, dann geht es in einem der ersten Punkte, nämlich gleich nach den Punkten über die Einstellung der Gefechte und dem Abzug von Waffen darum, dass einen Monat später direkte Beratungen zwischen der Regierung der Ukraine und den Vertretern einzelner Teile der Gebiete Donezk und Lugansk begonnen sollten. Dort geht es um direkte Beratungen. Bisher behauptete die ukrainische Führung, sie hätte sich dazu nicht verpflichtet, und denkt verschiedene Konfigurationen aus, um zu zeigen, dass sie mit ihnen nicht verhandelt, aber mit uns, der OSZE, den Deutschen und den Franzosen verhandelt.
Was die Waffen angeht, so hatten wir sofort, nämlich im März begonnen, die Waffen von der Krim zurückzugeben. Aber als Ihre Führung den so genannten Anti-Terror-Einsatz ausrief und die Kräfte zu Terroristen abstempelte, die sie nie überfallen hatten, stellten wir die Rückgabe der Waffen wieder ein, denn wir verstanden, dass diese Waffen gegen die Menschen eingesetzt werden könnten, die den antistaatlichen Machtsturz nicht anerkennen wollten, für den die Kräfte verantwortlich waren, die die russische Sprache anathematisiert hatten. Denn Dmitri Jarosch erklärte ein paar Tage nach dem Putsch, die Russen würden nie Stepan Bandera verehren, und deshalb sollten sie von der Krim verdrängt werden. Sehen Sie sich seine Erklärungen an. Jarosch brachte nämlich die Stimmungen auf dem „Maidan“ zum Ausdruck. Ich bin sicher, dass die Krim-Einwohner keine andere Wahl hatten als ihre Identität, ihre multinationale und multikonfessionelle Kultur vor solchen Banditen zu schützen. Sie hatten einfach keine andere Wahl.
Meines Erachtens sollte es keine Zweifel an unserer Bereitschaft und an unserem Interesse, die Minsker Vereinbarungen vollständig zu erfüllen, geben.
Frage: Russland und Polen sind Nachbarn, aber Warschau hat sehr viele, fast endlose Vorwürfe gegen Moskau. Dabei sagt man in Moskau, Warschau sei ein Partner. In Warschau sagt man, Russland sei ein Feind. Wie kann man denn die Beziehungen mit einem so schwierigen „Partner“ entwickeln?
Sergej Lawrow: Was man in Polen sagt, sollte man philosophisch sehen. Wir gaben öfter zu verstehen, dass wir zu einer sehr engen, beiderseitig nützlich und pragmatischen Kooperation bereit sind. Wir hatten immer sehr intensive kulturelle Kontakte – es gab immer viele musikalische und Filmfestspiele, gegenseitige Reisen und gemeinsame Filmproduktionen, die uns verbanden. Das widerspiegelte die Nähe einfacher Menschen in beiden Ländern, die keine Politik ausüben, sondern Beschäftigungen haben, die für einfache Menschen viel interessanter sind.
Leider haben Sie Recht: Man zählt uns inzwischen zu Feinden. Wir werden darauf nicht im selben Sinne antworten, obwohl wir sehen, dass in Polen absichtlich und nachhaltig der Russlandhass als nationale Idee verbreitet wird. Der Kampf gegen sowjetische Denkmäler, die Behauptungen, der Abriss von Denkmälern, die nicht über Grabstätten stehen, wäre Polen vorbehalten, obwohl im bilateralen Regierungsabkommen über die gegenseitige Pflege von Monumenten aus den Zeiten des Zweiten Weltkriegs (vom 22. Februar 1994) klar und deutlich feststeht, dass diese Regel für alle Denkmäler gilt. Es gibt auch viele andere Momente. Wir sehen die Rolle, die Polen in der Nato und der EU spielt; wir sehen, wie es allen Initiativen zu realistischeren Ansichten zu den Beziehungen mit Russland widersteht.
Wie gesagt: Wir wären zum Dialog bereit, aber dafür sollten unsere polnischen Kollegen verstehen, dass der Dialog nur bei der Rücksichtnahme auf die Interessen voneinander möglich wäre, ohne dass man versucht, uns etwas aufzuzwingen, wenn man die Amerikaner und andere „Falken“ aus der Nato aus seiner Seite spürt.
Frage: Sie erwähnten Frankreichs Initiative zum Kampf gegen „Fake News“. Falls in Frankreich tatsächlich ein solches Gesetz verabschiedet werden sollte, wäre es vor allem gegen russische Medien gerichtet?
Sergej Lawrow: Soweit ich verstehe, sind vorerst nur Sie, die Nachrichtenagentur Sputnik und RT, unerwünscht für den Élysée-Palast, wenn dort diese oder jene Veranstaltungen stattfinden. Ich denke, Sie waren großenteils der Grund für diese Initiative.
Natürlich gilt die von Präsident Emmanuel Macron verkündete Initiative für alle Quellen von "Fake News", wobei man darüber ohne jeglichen Austausch mit Argumenten und ohne jegliche Analysen entscheiden wird. Jedenfalls entsteht vorerst ausgerechnet dieser Eindruck. Da wird das „Gericht“ etwas bestimmen, ohne die Seiten zu verhören.
Es wurde aber noch eine interessante Idee geäußert. Wir haben bemerkt, dass es da nicht gesagt wurde, was man für "Fake News" halten sollte und was nicht. Die Idee ist so: Liberale Demokratien wissen selbst, was sie zu tun haben. Das ist zwar kein Zitat, aber der Sinn davon, was gesagt wurde – im Kontext der Einstufung verschiedener Länder in drei Kategorien: liberale Demokratien, illiberale Demokratien und autoritäre Länder. Es ist ja interessant, wie sich diese Initiative weiterentwickeln wird und was daraus am Ende des Tages wird.
Frage: Als Sie sich im vorigen Jahr mit Ihren weißrussischen Amtskollegen trafen, sprachen Sie viel über die gemeinsame Arbeit an der gegenseitigen Anerkennung von Visa. Schaffen wir das noch vor der Fußball-WM 2018?
Werden bei Ihren bilateralen Kontakten auch einige Kontroversen zwischen Russland und Weißrussland im Grenzbereich besprochen? Denn schon seit fast einem Jahr gibt es eine vollwertige Passkontrolle seitens Russlands, und zwar nicht nur an internationalen Kontrollstellen, sondern auch auf der Autobahn Moskau-Brest. Pässe werden in Flughäfen und Bahnhöfen kontrolliert. Gibt es die Hoffnung, dass unsere Grenze, die es in Übereinstimmung mit Dokumenten so gut wie gar nicht gibt, de facto aber doch gibt, wirklich durchsichtig wird – wie das vor mehr als 20 Jahren eben vereinbart wurde?
Sergej Lawrow: Wenn das von uns abhängt, dann wird sie durchsichtig. Dafür müssten aber unsere Handlungen synchronisiert werden. Im Grunde gilt das für alles, was das Leben der Menschen im Rahmen des Unionsstaates betrifft.
Es gibt einen besonderen Vertrag über die Gleichberechtigung der Weißrussen und Russen, damit die Weißrussen in Russland und die Russen in Weißrussland in Hotels des jeweiligen Landes genauso viel zahlen, wie die Staatsbürger dieses Landes. Dasselbe gilt auch für Erholungsheime usw. Aber in einigen Bereichen wurde die Situation noch nicht ausgeglichen. Aber wir sind nur dafür, dass wir überhaupt keine Grenzen haben. Aber wenn man bedenkt, dass unsere weißrussischen Freunde unter für Russland sehr schwierigen Bedingungen (aus der Sicht der Terrorgefahren) so gut wie über Nacht die Visapflicht für Staatsbürger von 80 Ländern aufgehoben haben (falls sie für einige Tage einreisen), wurde die Situation dadurch verworren. Denn mit einigen von diesen Ländern haben wir die Visapflicht. Es werden entsprechende Kontrollen über Visaanträge seitens der Bürger von entsprechenden Staaten durchgeführt. Es ist eine Situation entstanden, in der ein Staatsbürger eines Landes, der für eine Russland-Reise ein entsprechendes Visum braucht, ohne jegliche Kontrolle nach Russland kommen könnte. Deshalb mussten wir das tun, was wir eben getan haben. Wir hatten alle gewarnt, dass ausländische Staatsbürger Kontrollen unterzogen werden, wenn sie aus Weißrussland nach Russland reisen wollen. Und wenn Ausländer nach Weißrussland per Flugzeug reisen wollen, dann können bzw. müssen sie nur in die Flughäfen reisen, wo es internationale Kontrollstellen gibt. Das ist absolut offensichtlich.
Wir sind natürlich dafür, dass es keine einseitigen Schritte gibt, egal um welche Frage es gehen sollte, die unsere beiden Länder betrifft. Deshalb schlugen wir eben vor, den Vertrag über gegenseitige Anerkennung von Visa operativ abzusprechen, der bald unterschriftsreif ist. Hoffentlich wird er demnächst unterzeichnet. Wir sind dazu bereit.
Frage: Ende der vorigen Woche teilte das russische Außenministerium mit, britische Medien würden eine „schmutzige“ PR-Kampagne im Vorfeld der Fußball-WM in Russland vorbereiten. Könnten Sie bitte möglichst ausführlich darüber erzählen? Denn wir als Mitarbeiter der britischen Medien wissen darüber nichts.
Sergej Lawrow: Ich denke, gestern oder vorgestern wurde im „Guardian“ ein Bericht zum Thema Fußball-WM veröffentlicht, in Russland wäre wieder etwas nicht in Ordnung. Die offizielle Sprecherin des Außenministeriums, Maria Sacharowa, teilte mit, was wir gehört hatten. Sie schreiben immerhin auch über etwas, was Sie gehört oder gesehen haben. Und wir haben eben gehört, dass es einen solchen Auftrag geben soll.
Frage: Im März findet in Russland die Präsidentschaftswahl statt, und die Regierung wird dann zurücktreten. Wie sind Ihre weiteren Pläne? Falls Sie Ihre Arbeit nicht mehr fortsetzen werden, wer könnte Ihr Amt übernehmen?
Sergej Lawrow: Es gibt die Verfassung der Russischen Föderation, in der das Verfahren zur Bildung der Regierung klar und deutlich beschrieben ist. Ich kann Ihnen versichern, dass dieses Verfahren eingehalten wird.
Was mich angeht, so befasste ich mich immer mit Aufgaben, die mit der Förderung der Effizienz unseres Ministeriums verbunden waren bzw. sind. Das ist eben aktuell meine wichtigste Aufgabe.
Frage: Wie Sie wissen, hat die Agentur „Sputnik“ eine große Informationspräsenz in Lateinamerika. Wir reden mit den regionalen Anführern und Experten. Sie alle sind sich einig, dass sie eine größere Zusammenarbeit mit Russland wollen. Jetzt sprechen sie darüber besonders aktiv vor dem Hintergrund, dass sich bei der aktuellen Regierung der USA die Beziehungen Lateinamerikas mit den USA nicht sehr gut entwickeln, und sie suchen nach neuen Partnern. Es gibt ein großes Interesse an der Zusammenarbeit mit Russland. Gibt es in Russland ein Interesse an der Zusammenarbeit mit Lateinamerika? Vielleicht gibt es irgendwelche Projekte?
Sergej Lawrow: Nicht nur das Interesse ist da. Wir haben ein ziemlich großes Potential, das umgesetzt wird. Wir haben regelmäßige Treffen auf höchster Ebene. Sehr bald werden wir den Präsidenten Argentiniens, Mauricio Macri, empfangen. Wir erwarten acht Teams aus Lateinamerika, die sich für die Fußballweltmeisterschaft 2018 qualifiziert haben. Ich bin überzeugt, dass die Delegationen, die diese Teams begleiten werden, uns auch helfen werden, die Kontakte in den politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereichen auszubauen. Wir haben im Grunde genommen mit Ausnahme von vier bis fünf Ländern Mittelamerikas und der Karibik, mit allen visafreien Reiseverkehr. Ich bin überzeugt, dass wir in den nächsten 1,5 bis zwei Jahren die ganze CELAC-Zone in eine für die Russische Föderation visafreie Zone verwandeln können.
Es wurde ein Mechanismus des Dialoges und der Partnerschaft mit CELAC ins Leben gerufen. Vor anderthalb Jahren besuchte das CELAC-Quartett Sotschi, wo wir eine solide „Roadmap“ zur Entwicklung der Partnerschaft angenommen haben. Wir nehmen auch an den Kontakten mit anderen aber schon subregionalen Organisationen auf dem Kontinent teil, darunter ALBA, Mercosur, Andenpakt, das Zentralamerikanische Integrationssystem, in deren Rahmen wir den Status eines außenregionalen Beobachters beantragt haben. Natürlich haben wir mit sämtlichen Ländern ziemlich entwickelte bilaterale Beziehungen (mit jemandem mehr, mit jemandem weniger), aber mit allen pflegen wir einen Dialog.
Unser Warenumsatz mit Lateinamerika stieg, wenn ich mich nicht irre, auf über 10 Mrd. US-Dollar. Es geht vor allem um hochtechnologische Produkte, militärtechnische Vereinbarungen, Weltraumverträge, darunter die Unterstützung unseres GLONASS-Systems auf Boden, Kernenergie und anderes.
Insgesamt gehe ich davon daraus, dass es nicht wenig gemacht wurde. Nach oben sind aber bekanntlich keine Grenzen gesetzt. Wir haben zukunftsweisende Pläne zu jeder dieser Richtungen.
Wir arbeiten übrigens eng in der UNO zusammen. Das musste ich besonders betonen. Mit einer überwiegenden Mehrheit der Länder Lateinamerikas und der Karibik haben wir ähnliche Positionen in allen wichtigen Fragen der Tätigkeit der Organisation. Wir treten gemeinsam für die Achtung der UN-Charta und für die Regelung aller Streitigkeiten mit friedlichen Mitteln ein.
Besonders unterstützen wir das Prinzip, das in Lateinamerika schon längst gesetzlich verankert ist: Es ist unzulässig, beliebige verfassungswidrige Staatsstreiche zu unterstützen. Das ist ein sehr wichtiges Element in der vielseitigen Position Lateinamerikas. Zufriedenstellend kann ich sagen, dass erstmals auf Initiative unserer Partner bei unserer Unterstützung dieses Prinzip im Dezember 2016 in der Resolution der UN-Charta verankert wurde.
Frage: Das Erste Globale Forum der jungen Diplomaten fand im Oktober vergangenen Jahres in Sotschi statt. Wie bewerten Sie die Perspektive dieser Initiative sowie die Möglichkeit oder Zweckmäßigkeit der Bildung einer internationalen Assoziation der Diplomaten?
Sergej Lawrow: Meiner Meinung nach gibt es bereits diesen Plan, und auf dem ersten Forum ließ man ihn verlauten. Wenn das bei jungen Diplomaten der entsprechenden Länder Unterstützung findet, werden wir uns darüber nur freuen.
Frage: Was halten Sie von der Initiative und Absicht der USA, das Treffen des Außenministers der USA, Rex Tillerson, mit den Außenministern der fünf mittelasiatischen Republiken ehemaliger Sowjetunion im Format „5+1“ in einem dieser Länder durchzuführen? Vielleicht haben die Amerikaner mit ihren Aktivitäten in dieser Region antirussische Hintergedanken?
Sergej Lawrow: Die USA sind nicht das einzige Land, das diese Formate erweitert. Es gibt ein „5+1“-Format auch bei Zentralasien mit der Europäischen Union, China und vielleicht auch mit dem Iran.
Wir haben natürlich absolut nichts dagegen, dass unsere zentralasiatischen Nachbarn und Verbündeten ein maximal breites Spektrum von externen Partnern haben. Wir gehen davon aus, dass diese Beziehungen jene Verpflichtungen vollkommen respektieren werden, die es zwischen uns im GUS-, OVKS-, SOZ- und EAEU-Rahmen gibt, was die Länder betrifft, die an dieser Vereinigung teilnehmen.
Wir hören von dem Wunsch der USA, dieses Format etwas zu missbrauchen und ihre Ideen zu fördern, die einen Bezug dazu haben, was noch bei den vorigen Administrationen als Projekt „Groß-Zentralasien“ bezeichnet wurde. Der Sinn des Projektes, wie Sie sich wahrscheinlich erinnern, bestand darin, alle Projekte mit der Teilnahme Zentralasiens gen Süden, zur Seite Afghanistans, aber ohne Teilnahme der Russischen Föderation umzuschwenken. Ich bin überzeugt, dass, wenn es dem so ist und diese Vorhaben unsere amerikanischen Kollegen auf den Treffen mit unseren zentralasiatischen Freunden gefördert werden, so werden sie alle die Verwerflichkeit dieser Versuche sehen, die nicht den Interessen der wirtschaftlichen Entwicklung und der Entwicklung der Verkehrsinfrastruktur entsprechen, sondern basieren nur auf reiner Geopolitik.
Unsere Herangehensweise, die wir „Großes Eurasisches Projekt“ nennen, enthält eine gegenteilige Ideologie, die mit der Transparenz verbunden ist. Keiner wird von irgendwelchem Teil des Eurasischen Kontinentes abgeschnitten, sondern es werden allmählich Integrationsprozesse gefördert, dank denen im Endeffekt der ganze eurasische Kontinent vereinigt wird, indem er gegenüber der Aufnahme anderer Partner offen bleiben wird.
Frage: Der Präsident Palästinas, Mahmud Abbas, warf Israel vor, dass es mit seinen Handlungen ein Ende für die friedlichen Vereinbarungen in Oslo gesetzt hat, und bezeichnete den Vorschlag von Donald Trump zur Lösung des arabisch-israelischen Konfliktes als „Ohrfeige des Jahrhunderts“. Wie kommentieren Sie das?
Sergej Lawrow: Wir haben die Situation mit der Erklärung von Donald Trump bezüglich des Umzugs der US-Botschaft aus Tel Aviv nach Jerusalem bereits erörtert. Noch mehr, öfter und länger erläuterten wir die Schädlichkeit und Risiken, die diese Sackgasse in der palästinensisch-israelischen Regelung birgt. Wir verstehen ganz gut die Emotionen, die die Palästinenser derzeit empfinden. Sie machten tatsächlich in den letzten vielen Jahren Schritt für Schritt einseitige Zugeständnisse, ohne dabei etwas im Gegenzug zu erhalten. Wobei ich bereits sagte, dass sie zu direkten Verhandlungen mit den Israelis ohne Vorbedingungen bereit waren. Wir waren bereit, sie zu diesem Ziel in der Russischen Föderation zu empfangen, ihnen unsere Plattform zur Verfügung zu stellen. Aber bis jetzt fanden diese direkten Kontakte ohne Vorbedingungen nicht statt. Ich glaube, dass diese Chancen in der aktuellen Situation gleich Null sind, was traurig ist. Dabei hören wir in den letzten Monaten ständig, dass die USA kurz davor sind, „ein großes Geschäft“, das alle Probleme regeln und uns alle zufrieden machen wird, publik zu machen. Wir haben von diesem Dokument oder von irgendeiner Erklärung diesbezüglich nichts gehört.
Ich werde noch einmal sagen, dass das ungeregelte palästinensische Problem einer der ernstesten Faktoren bleibt, vom dem Radikale profitieren, indem sie neue Generationen von Terroristen rekrutieren. Meine israelischen Kollegen waren mir auch einmal übel, aber das ist die objektive Realität. Alle guten Analytiker in dieser Region sehen die entsprechende Statistik.
Ich möchte betonen, dass man nicht aufgeben darf. Wir wollen nicht, dass die Kontakte zwischen den Seiten vollkommen abgebrochen werden. Ich hoffe sehr, dass wir uns in absehbarer Zukunft mit unseren „Quartett“-Partnern (neben den USA sind das die UNO und die EU) beraten und brainstormen werden, wie man weiter vorgehen soll. Die Situation darf nicht dem Selbstlauf überlassen werden.
Ich weiß, dass in Palästina bereits Ideen ertönen, um die nationale Verwaltung aufzulösen, Palästina zum besetzten Gebiet zu erklären und die ganze Verantwortung Israel dafür aufzuerlegen, wie es existiert und funktioniert, wie dort alle Systeme funktionieren und wie dort die Menschen leben. Ich hoffe, dass wir immerhin aus dieser Krisensituation irgendwie herauskommen können. Ich wiederhole, wir werden uns mit den „Quartett“-Partnern diesbezüglich beraten. Außerdem sind bilaterale Kontakte mit den USA geplant.
Frage: 2017 gab es zwischen Russland und Pakistan intensive Kontakte im Bereich Terror- und Drogenbekämpfung sowie zum Problem Afghanistans. Wie wird die Situation 2018 aussehen? Was wird in den Beziehungen Russlands und Pakistans erwartet?
Sergej Lawrow: Sie haben ganz zu Recht das intensivierte Zusammenwirken beim Anti-Terror-Kampf hervorgehoben. Wir sind daran interessiert, dass die Terrorbedrohung, die sich auf dem pakistanischen und afghanischen Territorium sowie über die pakistanisch-afghanische Grenze hinaus verbreitet, bekämpft wird. Unsere Vereinbarung über die Lieferungen von spezieller Ausrüstung, vor allem Hubschraubern, für Anti-Terror-Truppen bestätigt die Ernsthaftigkeit unserer Absichten.
Außerdem haben wir Interessen im Bereich der Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Pakistan, wie auch Indien, wurden vergangenes Jahr vollberechtigte SOZ-Mitglieder. Das erweitert die Möglichkeiten für eine gemeinsame Arbeit auf den verschiedensten Gebieten, da die SOZ eine Struktur ist, die sich auf die Gewährleistung der Sicherheit in unserer gemeinsamen Region richtet, darunter der Kampf gegen neue Bedrohungen, sowie auf den Ausbau der Zusammenarbeit in Wirtschaft und humanitären Fragen. Ich glaube, das wird auch die russisch-pakistanischen Beziehungen bereichern.
Zur Frage über die SOZ-Rolle im Kampf gegen Radikalismus möchte ich einen wichtigen Charakter des Dokumentes hervorheben, das von den SOZ-Anführern im vergangenen Jahr unterzeichnet wurde, – die Konvention zum Kampf gegen den Extremismus, die die wichtigsten Rahmen schafft, darunter das Prinzip der Unannehmbarkeit der Nutzung von terroristischen, extremistischen Gruppen im Interesse des Drucks auf souveräne Staaten. Beispiele gibt es eine Menge, wie wir wissen, auch in Libyen, als Muammar al-Gaddafi gestürzt wurde. Diese Versuche wurden und werden auch in Syrien unternommen. Ich glaube, dass das eine sehr aktuelle Konvention ist. Indien und Pakistan schließen sich der Konvention an. Neben den SOZ-Mitgliedern zeigen auch andere Staaten Interesse am Beitritt zur Konvention, da sie einen transparenten Charakter hat, der nicht nur auf die SOZ-Mitglieder beschränkt ist.
Frage: Es ist kein Geheimnis, dass die USA eine Hubschrauberbasis und eine Plattform für die Aufnahme von Flüssiggas im Norden Griechenlands in Alexandroupoli, unweit des von Russland angekündigten Gas-Hubs an der Grenze zur Türkei und Griechenlands vorbereiten. Es gibt so ein Gefühl, dass die USA in irgendwelcher Weise symbolisch und in der Tat versuchen, den Weg der Energiezusammenarbeit Russlands mit Griechenland, dem Balkan, Südeuropa abzuschneiden. Was halten Sie davon? Kann dieser Druck die russisch-griechischen Beziehungen erschweren oder verschlechtern?
An diesen Tagen werden die Verhandlungen zur Benennung des mit Griechenland benachbarten Landes die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien wiederaufgenommen. Die Griechen nehmen es übel, dass der Name „Mazedonien“ unfair ist, denn der größte Teil des Territoriums des alten mazedonischen Staates heute Griechenland angehört. Das Nachbarland mit diesem Namen behält womöglich die Ansprüche an das Territorium vor. Einst sagten die russischen Vertreter, dass sie die Frage über den Namen dieses Staates revidieren können, wenn sich die Bedingungen ändern werden. Könnten Sie dies kommentieren?
Sergej Lawrow: Die russischen Vertreter sagten? Wir haben Mazedonien wie die Republik Mazedonien anerkannt. Wir erkennen sie in dieser Eigenschaft an.
Frage: Und wenn sich die Bedingungen ändern werden? Wird ein neuer Kompromiss gefunden?
Sergej Lawrow: Ich habe über die Gas-Angelegenheiten bereits gesprochen. An den Handlungen der USA sieht man die Angst vor einer fairen Konkurrenz. Da sie sie sich noch nicht leisten können, gehen die USA zu einer unlauteren Konkurrenz und einem politischen Druck über, um die europäischen Länder dazu zu zwingen, die entsprechenden Objekte zu bauen und teureres Gas zu erhalten. Das ist die Wahl der europäischen Länder. Wir gehen davon aus, dass sie sich ihre Wirtschaftsinteressen selbst bewusst sein müssen. Wenn sie in der aktuellen Situation bereit sind, mehr auszugeben, so ist das ihre Entscheidung.
Unsere Projekte bezüglich der Diversifikation der Gasrouten nach Europa sind die Pipeline „Nord Stream 2“, die ich bereits erwähnte, und die Pipeline Turkish Stream, die nach Europa verlängert werden kann. Bis jetzt wird nur der erste Abschnitt unmittelbar für die Abnehmer in der Türkei gebaut. Der zweite wird erst dann gebaut, wenn wir feste Garantien von der EU-Kommission in Bezug darauf erhalten, dass sie nicht wieder so eine Nummer abziehen werden, wie es mit der Pipeline South Strom in Bezug auf Bulgarien der Fall war. Bulgarien ist jetzt übrigens wieder bereit, die Möglichkeit zu erwägen, den zweiten Abschnitt von Turkish Stream aufzunehmen. Wir sind bereit für eine beliebige Variante, nur, wenn wir hundertprozentige Garantien der EU-Kommission haben, dass das Projekt nicht zum Scheitern gebracht wird.
Wir beobachten natürlich jene Diskussionen, die derzeit in der EU-Kommission laufen, um gewisse neue Regeln nachträglich zu erdenken und zu versuchen, North Stream zu verschleppen. Das ist kein faires Spiel. Ich hoffe, dass der rein wirtschaftliche Charakter dieses Projektes, seine Unterstützung als Wirtschafts- und kommerzielles Projekt durch die führenden Energieunternehmen der europäischen Länder nicht zulassen werden, dass die unkorrekten Spiele Oberhand gewinnen.
Was die wiederbelebten Verhandlungen, die Bemühungen zur Lösung des Problems mit dem Namen „Mazedonien“ betrifft, so befanden sie sich lange im halbschlafenden Zustand und wurden erst dann wiederaufgenommen, als die USA beschlossen haben, dass Mazedonien in der NATO sein soll. Da Griechenland bereits in der NATO ist, so braucht ihr quasi keine Zugeständnisse. Zugeständnisse braucht jedoch Mazedonien, das in die NATO hineingezogen werden muss. Das ist eigentlich alles.
Welchen Namen Griechenland und Mazedonien für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien auch vereinbaren werden, wenn dies offiziell beschlossen und in der Verfassung der Republik Mazedonien verankert wird, werden alle das wohl anerkennen. Aber ich hoffe, dass alle verstehen, was eigentlich geschieht. Hier handelt es sich gar nicht darum, irgendwelche gemeinsamen und spezifischen Merkmale der beiden verwandten Völker zu berücksichtigen, sondern darüber, um aus einem dieser Länder unbedingt ein NATO-Mitglied zu machen.
Frage: Im vergangenen Jahr waren in Syrien zwei russische Bürger, Grigori Zurkanu und Roman Sabolotny, in Gefangenschaft geraten. Es gab Videoaufnahmen ihrer Gefangennahme. Meine Kollegen auf dem Kanal sprachen mit den Eltern von Grigori Zurkanu, die in das Außenministerium Russlands, die Präsidialadministration der Russischen Föderation, den Inlandsgeheimdienst Russlands (FSB) und ins Verteidigungsministerium Russlands Anfragen richteten. Es gab keine Information über ihr Schicksal und darüber, was nach der Gefangenschaft geschah. Das Verteidigungsministerium sagte inoffiziell, dass diese Daten womöglich geheim gehalten werden, obwohl offiziell sie keine Militärangehörige waren. Nach einer Version kämpften sie womöglich auf der Seite eines privaten Militärunternehmens. Wissen Sie etwas von diesen Menschen? Können Sie nachprüfen, ob es solche Anfragen ins Außenministerium der Russischen Föderation gab? Gibt es Informationen über die Russen, die nach Privatverträgen an den Einsätzen in anderen Ländern teilnehmen?
Sergej Lawrow: Ich habe zum Gesagten von Ihnen nichts zu ergänzen. Wir wissen von den Meldungen, die Sie erwähnt haben. Wir beschäftigen uns mit der Klärung des Schicksals eines beliebigen Russen, wo er sich auch befinden würde. Wenn Meldungen kommen, dass er oder sie entweder verschwunden oder in Not geraten sind. Der Aufenthaltsort der beiden unserer Bürger, die Sie erwähnt haben, ist unbekannt. Vor allem unsere Militärs beschäftigen sich damit, den Aufenthaltsort festzustellen, Daten zu erheben und zu überprüfen. Wenn Klarheit kommt, werden wir bereit sein, das mitzuteilen.
Was andere Länder betrifft, so ist das in vielen Staaten der Welt verbreitet. Dies geschah im Irak, in anderen Ländern der Region, in denen die „Blackwater" agierte, die dann später in etwas Anderes umbenannt wurde. Ich bin der Ansicht, dass man hier eindeutig einen Rechtsrahmen festlegen muss, damit diese Menschen auch im Rechtsfeld und geschützt sind.
Frage: Im Mai dieses Jahres wird der Ministerpräsident Japans, Shinzō Abe,
Russland besuchen. Planen Sie Japan auch zu besuchen? Welche Perspektiven, Aufgaben, mögliche Dokumente und Abkommen sehen Sie auf diesen Treffen vor? Wann findet das Treffen in Tokio statt – vor der Präsidentenwahl in der Russischen Föderation oder danach?
Vor kurzem tauchte zwischen unseren Ländern ein neues Problem auf – die Stationierung von „Aegis Ashore“ in Japan. Unsere Regierung erklärt uns, dass sich dieses System von dem US-Abwehrsystem in Europa oder THAAD in Südkorea unterscheidet. Die japanische Seite wird dieses System kaufen und verwalten, ohne ein Teil der globalen US-Raketenabwehr zu sein. Auch wurde bekanntgegeben, dass es unmöglich sei, in diesem System „Tomahawk“-Marschflugkörper zu verwenden. Wie reagieren Sie auf diese Erklärungen?
Sergej Lawrow: Zuerst zum Guten. Wir erwarten in der Tat den Ministerpräsidenten Japans, Shinzō Abe. Vereinbart ist zudem ein Außenministertreffen vor diesem Besuch. Die Termine der Minister werden demnächst bekanntgegeben.
Und jetzt, was unsere konkreten Pläne betrifft. Der Ministerpräsident Japans, Shinzō Abe, und der Präsident der Russischen Föderation, Wladimir Putin, werden sicher den Lauf der Umsetzung der Vereinbarungen besprechen, die die gemeinsame Wirtschaftstätigkeit auf den südlichen Inseln des Kurilen-Archipels betreffen. Es wurden fünf Prioritätsrichtungen vorgegeben, die jedoch noch bescheiden sind, aber wir hoffen, dass die zusätzlichen, ernsteren Zweige der Zusammenarbeit hinzugefügt werden. Damit beschäftigen sich die speziellen gemeinsamen Arbeitsgruppen auf Ebene der Vizeaußenminister. Wir sind damit zufrieden, dass der Dialog im Format „2+2“ auf Ebene der Außenminister und Verteidigungsminister wiederaufgenommen wurde. Im vergangenen Jahr, im Dezember, besuchte der Generalstabschef der Streitkräfte der Russischen Föderation, Waleri Gerassimow, Tokio, und vor ihm war dort der Oberbefehlshaber der Landstreitkräfte der Russischen Föderation, Oleg Saljukow. Im Herbst fand eine Sitzung der regierungsübergreifenden Kommission statt. Zur gleichen Zeit weilte in Moskau mein Kollege, der Außenminister Japans, Tarō Kōno. Wir haben mit ihm separate Verhandlungen durchgeführt, und jetzt muss ein neues Treffen vereinbart werden.
Neben der gemeinsamen wirtschaftlichen Tätigkeit entwickelt sich die wirtschaftliche Zusammenarbeit im bilateralen Format sehr zufriedenstellend. In der Russischen Föderation gibt es japanische Investitionen. Die japanischen Banken kreditierten solide das Projekt „Jamal SPG“. Das ist eine sehr langfristige Investition, die unserer Zusammenarbeit in Investitionen Nachhaltigkeit verleiht.
Die Zusammenarbeit in humanitären Fragen ist bei unserer Bevölkerung neben den jährlichen Festivals der russischen Kultur traditionell gefragt. Im vergangenen Jahr fanden die Kultursaisons statt. Wir sind mit vielen Richtungen unseres Zusammenwirkens mit Japan sehr zufrieden.
Wir wünschen uns jedoch eine größere Koordination auf der Weltarena, wir sprachen darüber im Rahmen des „2+2“-Treffens. Natürlich will man sehen, dass Japan bei der Erörterung der wichtigsten Probleme der Welt in internationalen Organisationen mehr Selbstständigkeit zeigt.
Das Raketenabwehrproblem verfinstert ehrlich gesagt unsere Beziehungen. Wir sprachen darüber ausführlich mit den japanischen Kollegen, sie brachten die Argumente vor, über die Sie sprachen. Das System „Aegis Ashore“, beziehungsweise ihre Variation, die in Japan stationiert wird, unterscheidet sich davon, was es in Südkorea und in Europa gibt. Wir verfügen über solche Daten nicht. Wir verfügen über die Daten darüber, dass das System, das in Japan stationiert wird, auf universellen Startrampen basiert, die Angriffswaffen verwenden können.
Wir hörten davon, dass angeblich gerade Japan dieses System verwalten wird und die USA nichts damit zu tun haben werden. Wir haben ernste Zweifel, dass dies stimmt. Im Rahmen des Dialoges zur Sicherheit zwischen den Sekretären der Sicherheitsräte Russlands und Japans möchten wir irgendwelche überzeugendere Informationen erhalten. Wir wissen nichts von irgendwelchen Fällen, wo auch immer in der Welt, dass die USA, nachdem sie dort ihre Waffen stationiert hätten, die Kontrolle darüber dem Land übergeben hätten, in dem das alles geschehen ist. Ich bezweifle sehr stark, dass sie in diesem Fall eine Ausnahme machen werden.
Ich wiederhole, wir sind offen für einen Dialog und sind daran interessiert, dass der Dialog zur Raketenabwehr, den wir noch vor elf Jahren vorgeschlagen haben, doch eingeleitet wird. Wir haben mehrere Fragen darüber parat, wie dies die USA tun, dass sie nicht diejenigen werden, die die internationale Lage destabilisieren werden. Unsere amerikanischen Kollegen, sowohl von der Administration von Barack Obama, als auch von der von Donald Trump, sagen bislang immer, dass wir uns keine Sorgen machen müssen, dass das nicht gegen uns ist. Aber es gibt viele Beweise, dass das alles nicht stimmt.
Frage: 2014 haben Sie mit dem Außenminister Estlands, Urmas Paet, einen Vertrag über die Grenze mit Estland unterzeichnet. Bereits 2015 fand im Parlament Estlands die erste Lesung für die Ratifizierung dieses Abkommens statt. Ihnen ist wohlbekannt, dass es zwischen Estland und Russland eine Vereinbarung gab, dass der Ratifizierungsprozess parallel in den Parlamenten stattfinden wird. Estland wartet seit zwei Jahren, wenn die erste Lesung in der Staatsduma der Föderalen Versammlung der Russischen Föderation stattfinden wird. Als Sie ein Treffen mit der Außenministerin Estlands, Marina Kaljurand, 2015 in New York hatten, haben Sie versprochen, dass die Staatsduma der Föderalen Versammlung der Russischen Föderation den Prozess der Ratifizierung bald einleiten wird. Wann wird dies geschehen?
Sergej Lawrow: Diese Frage hat eine tiefere Geschichte. 2005 haben wir diesen Vertrag unterschrieben und die gemeinsamen Verpflichtungen festgelegt, ihn ohne irgendwelche politisierten Vorbehalte zu ratifizieren. Jedoch ratifizierte das estnische Parlament diesen Vertrag, indem es einen Verweis auf den Vertrag von Dorpat in die Verordnung über die Ratifizierung aufgeschrieben hat, was die Erhaltung von territorialen Ansprüchen an die Russische Föderation bedeutete. Das war ein Verstoß gegen die Verpflichtung, die mein estnischer Kollege damals auf sich genommen hat und die er nicht erfüllen konnte. Wir haben unsere Unterschrift unter diesem Vertrag widerrufen und gesagt, dass, wenn sie das Dokumentenpaket revidieren werden und diesen Verweis auf den Vertrag von Dorpat widerrufen, dann werden wir bereit sein, Verhandlungen erneut zu beginnen und diese Dokumente erneut zu unterschreiben. Letzten Endes geschah das. Wir haben unterschrieben und nicht nur das vereinbart, dass der Prozess parallel verlaufen wird, wie Sie richtig gesagt haben. Aber Sie haben über die wichtigste Bedingung vergessen – eine normale gegenseitige nicht-konfrontierende Atmosphäre seitens der Regierungskreisen zu gewährleisten. Wir sind unserer Verpflichtung nachgegangen. Es gab von unserer Seite keine Angriffe in Bezug auf Estland, wie es sie auch nicht zuvor gab, egal, welchen Vertrag wir unterschrieben oder ratifiziert haben. Seitens der estnischen Regierung gab es jedoch eine starke rusophobe Rhetorik. Wir haben ehrlich gesagt, dass in dieser Situation unsere Gesellschaft und das Parlament uns einfach nicht verstehen werden, wenn wir diesen Vertrag fördern werden. Zugleich möchte ich Sie versichern, dass die Grenze existiert. Der Vertrag, ich hoffe, wird irgendwann ratifiziert werden. Keiner stellt diese Grenze in Zweifel. Aber damit der Vertrag in Kraft tritt und wir normal leben, muss man damit aufhören, einer von drei bis vier Hauptaktivisten in der NATO und Europäischen Union zu sein, die um Leben und Tod kämpfen, um all diese Strukturen in Richtung eines wilden Russenhasses zu ziehen. Ich spreche offen darüber. Wir haben sehr gute Beziehungen mit dem estnischen Volk, unsere Menschen sind befreundet, sprechen miteinander. Wahrscheinlich müssen sich die Politiker nicht nach irgendwelchen Konjunkturgründen richten, um so mehr, wenn diese die geopolitischen Interessen ganz anderer Staaten widerspiegeln, sondern nach Interessen ihres eigenen Volkes.
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