Der türkische Innenminister Süleyman Soylu klagte am 17. April 2023 die Verbrechen des "amerikanischen Imperiums" vor AKP-Jugendlichen an.

Umfragen ergeben, dass Präsident Recep Tayyip Erdoğan bei den Präsidentschaftswahlen der Türkei am 14. Mai 2023 gegenüber Kemal Kılıçdaroğlu, Führer der Vereinigten Opposition, verliert. Diese mögliche innenpolitische Kehrtwende führte dazu, dass der scheidende Präsident seine Position in internationalen Fragen nun radikalisiert. Bisher schien er sich auf halbem Weg zwischen den Vereinigten Staaten auf der einen Seite und Russland und China auf der anderen Seite zu halten. Jetzt stellt ihn seine politische Partei als Retter der türkischen Unabhängigkeit dar, angesichts der dunklen Aktionen Washingtons. Im Gegensatz dazu stellt er seinen Konkurrenten als Handlanger der Yankees dar, was er wahrscheinlich nicht wirklich ist.

Die Vereinigten Staaten zahlen also den Preis für die Attentate auf den türkischen Präsidenten, insbesondere für jenes, das zum gescheiterten Staatsstreich vom 15. Juli 2016 führte, nachdem Ankara beschlossen hatte, eine Gaspipeline durch das Schwarze Meer mit Moskau zu bauen und ihm sogar Waffen abzukaufen. Darüber hinaus wird Washington beschuldigt, zu Recht oder zu Unrecht, niemand weiß das, das jüngste Erdbeben verursacht zu haben, welches Zehntausende von Türken das Leben gekostet hat. Die öffentliche Meinung teilt daher eine starke antiamerikanische Stimmung in einem Land, das den Vereinigten Staaten seit dem Koreakrieg viel gegeben hat (die türkische Armee kämpfte dort und gewann eine entscheidende Schlacht, die die Vereinigten Staaten vor einer Katastrophe rettete), das aber auch viel unter ihnen mit dem kurdischen Drama gelitten hat (die CIA übernahm die Kontrolle über die PKK und ermutigte ihre terroristischen Aktionen, womit sie "eine Pistole auf die Schläfe“ Ankaras setzte).

US-Botschafter Jeffrey Flake erlaubte sich dem Kandidaten Kemal Kılıçdaroğlu einen Besuch abzustatten. Flake ist ein Republikaner der alten Schule, ein Freund von John McCain, der wie er aus Arizona kommt, wo sie einen der beiden Senatoren stellten. Er kämpfte lauthals gegen Donald Trumps Entrismus und verließ die Partei, um sich Joe Biden anzunähern, der ihn zum Botschafter ernannte. Indem er sich mit Kılıçdaroğlu zeigte, dachte er es gut zu machen, und das Gute zu tun. Fehler: Er gab damit Erdoğan nur eine schöne Gelegenheit im Wahlkampf, indem Erdogan sofort öffentlich erklärte: "Joe Bidens Botschafter besucht Kemal. Schande über Sie, denken Sie doch mit Ihrem Kopf. Sie sind ein Botschafter. Ihr Gesprächspartner ist der Präsident. Wie werden Sie danach durchhalten und um einen Termin mit dem Präsidenten bitten? Unsere Türen sind für ihn geschlossen, er kann nicht mehr eintreten. Warum? Er muss seinen Platz kennenlernen."

In ähnlicher Weise verurteilte der Innenminister und Vizepräsident der Präsidentenpartei, Süleyman Soylu, den US-Botschafter während des Erdbebens öffentlich und forderte ihn auf, seine "schmutzigen Hände aus der Türkei" zurückzuziehen. Alle Türken haben bemerkt, dass die Westländer ihre Botschafter in den zwei Tagen vor der Katastrophe aus dem Land abgezogen hatten, so als ob sie davon gewusst hätten, bevor sie passierte, und dass sie erst spät Hilfe schickten. Soylu fügte hinzu: "Jeder US-Botschafter fragt sich, wie er der Türkei schaden kann. Dies war einer der größten Unglücksfälle der Türkei seit Jahren. Sie versammeln andere Botschafter und versuchen, ihnen Ratschläge zu geben. Sie tun dasselbe in Europa, so dass die US-Botschaften dann Europa regieren."

Die Türken, die sehr nationalistisch sind, stimmen zu. Aber der Minister ist immer noch ein Mafioso und ein Islamist, der von einem anderen Paten, Sedat Peker, der jetzt auf der Flucht ist, öffentlich denunziert wird. Dieser enthüllte in einer Reihe von Videos, die im Internet veröffentlicht wurden, dass der Sohn von Süleyman Soylu und Premierminister Binali Yıldırım Al-Qaida-Soldaten einsetzte, um die Putschisten von 2016 zu stürzen. Er lieferte ihnen Waffen über eine private Militärfirma, SADAT. Sie waren es, die die aufständischen Soldaten auf der Bosporus-Brücke besiegt haben.

Nach seiner Rückkehr vom Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, an dem er am 17. September 2022 teilnahm, deutete Präsident Erdoğan an, dass sein Land dieser Alternative zur westlichen Ordnung beitreten könnte.

Präsident Recep Tayyip Erdoğan war ein Straßenschläger, der mit Necmettin Erbakans Miliz, der Millî Görüş, in die Politik eintrat. Er zeichnete sich an der Seite der Muslimbruderschaft in Afghanistan aus und unterstützte dann die Islamisten in Tschetschenien. Er kam in der Türkei mit Hilfe der CIA an die Macht, gegen die er sich jetzt wendet. Wenn niemand an der Aufrichtigkeit seiner Wende zweifelt, fragt sich jeder, ob sie nachhaltig sein wird oder nicht, und ob er nicht ein Agent Washingtons wie die anderen werden wird. In seinem Namen treibt Süleyman Soylu die Sache noch ein wenig weiter. Ohne Erdoğans schwere Vergangenheit zu leugnen, geht es darum, seine Beteiligung an der Seite von Daesch gegen Syrien vergessen zu machen.

In einer Rede vor der Parteijugend am 17. April beschrieb Soylu die Globalisierung als einen Versuch der Vereinigten Staaten, den boomenden internationalen Handel zu nutzen, um alle Kulturen zu zerstören und ihrer eigenen zum Triumph zu verhelfen. Dann vergriff er sich an der Europäische Union und beschrieb die Unterwürfigkeit ihrer Führer, um sie selbst als "das Maultier Amerikas" zu kennzeichnen.

Er fuhr fort, dass das "amerikanische Imperium" nun allmählich seinen Ruf verliere. Die Europäer sind Washingtons gedungene Mörder in Afrika. Das ist der Grund, warum die Afrikaner sie hassen. Am Ende "ist es die ganze Welt, die Amerika hasst". Kemal Kılıçdaroğlu hat sich mit Washington verbündet, er hat es "zu eilig" und stellt ungewollt eine ernsthafte Gefahr für die Zukunft der Türkei dar.

Man erinnere sich, die Türkei ist immer noch Mitglied des Atlantischen Bündnisses und beherbergt NATO-Militärstützpunkte.

Mitten im Wahlkampf wird Präsident Erdoğan am kommenden Donnerstag die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Akkuyu einweihen. Es ist der erste WWER-Druckwasserreaktor mit einer Einheits-Leistung von 1200 MW, der von Rosatom gebaut wurde. Zu diesem Anlass hat er den Präsidenten der Russischen Föderation, Wladimir Putin, zu dieser Zeremonie eingeladen, auch wenn es unwahrscheinlich ist, dass er kommen wird.

Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser