Ereignisse folgen aufeinander, ohne dass man sie versteht. Die Vereinigten Staaten haben nichts gegen den Libanon, auch wenn sie die Hisbollah nicht mögen. Sie werden Israel jedoch unterstützen, wenn Tel Aviv sich in einen Krieg verwickelt. Sie riskieren also, ihre Hand in eine schicksalhafte Spirale zu stecken. Da die Hisbollah Israel militärisch überlegen ist, werden sie gezwungen sein, einzugreifen und die Hisbollah zu besiegen. Der Iran wird den Libanon verteidigen, und die Vereinigten Staaten, die derzeit im Geheimen mit Teheran verhandeln, werden sich mit ihm wieder im Krieg befinden. Benjamin Netanjahu wird behaupten, wie er es seit vierzehn Jahren getan hat, dass Teheran kurz davor steht, Atombomben fertigzustellen, um die Juden zu vernichten. Washington würde dann aufgefordert werden, den Iran zu „nuken“. Dieses Szenario kollidiert mit den Positionen Russlands und Chinas, zwei Supermächte, die an den Wiener Verhandlungen über den JCPOA teilgenommen haben und beide davon überzeugt sind, dass es seit 1988 kein iranisches militärisches Atomprogramm mehr gibt.

General Charles Q. Brown, Vorsitzender des US-Generalstabs, warnte, dass eine israelische Offensive auf den Libanon "das Risiko eines größeren Konflikts erhöhen könnte". "Die Hisbollah ist in Bezug auf die Gesamtkapazität, die Anzahl der Raketen usw., leistungsfähiger als die Hamas. Und ich würde einfach sagen, dass der Iran eher geneigt wäre, die Hisbollah stärker zu unterstützen", sagte er Reportern während einer Reise nach Kap Verde. Er wies darauf hin, dass die Vereinigten Staaten im vergangenen April Israel gegen den Iran unterstützt hätten, dies aber dieses Mal wahrscheinlich nicht machen könnten.

In einem auf X veröffentlichten Video enthüllte Premierminister Benjamin Netanjahu jedoch, was er Außenminister Antony Blinken gesagt hatte: "Es ist unvorstellbar, dass die [Biden-] Regierung Israel in den letzten Monaten Waffen und Munition verweigert hat. Amerikas engster Verbündeter, der um sein Leben, gegen den Iran und unsere anderen gemeinsamen Feinde kämpft (...) Während des Zweiten Weltkriegs sagte Churchill zu den Vereinigten Staaten: "Gebt uns die Werkzeuge, wir werden die Arbeit erledigen." Und ich sage: ’Gebt uns die Werkzeuge, und wir werden die Arbeit viel schneller erledigen.’" Amos Hochstein warnte Benjamin Netanjahu, dass er mit der Veröffentlichung dieses Videos "übertrieben" habe.

Das Weiße Haus sagte ein strategisches Treffen mit dem jüdischen Staat ab. Es sollte die Fortschritte des iranischen Atomprogramms unter dem Vorsitz des Nationalen Sicherheitsberaters Jake Sullivan und in Anwesenheit von Ron Dermer, Israels Minister für strategische Angelegenheiten, untersuchen. Am Ende wurde nur Tzachi Hanegbi, der Direktor des israelischen Sicherheitsrates, empfangen.

In einem neuen Video sagte Premierminister Benjamin Netanjahu: "Wir haben vor ein paar Monaten begonnen zu sehen, dass wichtige Themen auftauchten. Und tatsächlich haben wir versucht... diesen Rückgang des Angebots auszugleichen. Und wir waren nicht in der Lage, diesen Rückgang wett zu machen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass unser gemeinsame Krieg, der darauf abzielt, die Hamas zu besiegen, um eine Eskalation zu einem ausgewachsenen Krieg im Libanon zu verhindern."

Admiral John Kirby, Sprecher des US-Sicherheitsrates, nannte die Bemerkungen "zutiefst enttäuschend und sicherlich peinlich für uns, angesichts der Menge an Unterstützung, die wir geben und weiterhin leisten werden". Er kommentierte sie mit den Worten: "Obwohl es eine Pause gegeben hatte, wegen dieser 2000-Pfund-Bomben ... die Vorstellung, dass wir irgendwie aufgehört hätten, dem jüdischen Staat bei seinen Selbstverteidigungsbedürfnissen zu helfen, ist einfach nicht korrekt."

Die Vereinigten Staaten kommentierten den Rückgang der Munitionsexporte in den jüdischen Staat: "Wir haben unsere Position zu diesem Thema viele Male deutlich gemacht, und wir werden nicht weiter auf die politischen Äußerungen des Premierministers reagieren. Wir freuen uns auf konstruktive Konsultationen mit Verteidigungsminister Gallant diese Woche in Washington."

Israelische Beamte, darunter der Minister für strategische Angelegenheiten Ron Dermer und der Nationale Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi, trafen sich mit Außenminister Antony Blinken, dem Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan, dem Koordinator für Nahostangelegenheiten des Weißen Hauses, Brett McGurk, und anderen Beamten der Biden-Regierung. Laut CNN sind die Vereinigten Staaten bereit, den jüdischen Staat zu unterstützen und im Falle eines offenen Krieges mit der Hisbollah Sicherheitshilfe anzubieten.

Jacob Lew, der US-Botschafter in Jerusalem, sagte auf einer Konferenz an der Reichman-Universität in Herzliya: "Es gibt keine Änderung in der US-Unterstützung für Israel. Das bedeutet, dass Washington, obwohl es sehr schwierig war, eine riesige Menge an humanitärer Hilfe geleistet hat und weiterhin leistet, und wir waren nützlich - und das macht einen strategischen Unterschied für Israels Fähigkeit, weiterzumachen und zu gewinnen."

General Lloyd Austin, Verteidigungsminister, empfing seinen israelischen Amtskollegen, General Yoav Gallant. Er sagte, dass "die Provokationen der Hisbollah drohen, die Israelis und Libanesen in einen Krieg zu ziehen, den keiner von ihnen will". Er warnte vor einem Krieg, der "katastrophal für den Libanon wäre und der für unschuldige israelische und libanesische Zivilisten verheerend wäre". Yoav Gallant sagte jedoch: "Die größte Bedrohung für die Zukunft der Welt und die Zukunft unserer Region ist der Iran – und die Zeit drängt. Es ist an der Zeit, die Verpflichtung der US-Regierungen im Laufe der Jahre zu erfüllen, als sie versprachen, dem Iran den Besitz einer Atomwaffe zu verbieten."

General Yoav Gallant traf sich auch mit Außenminister Anthony Blinken. Letzterer "informierte ihn über die laufenden diplomatischen Bemühungen zur Förderung der Sicherheit, der Regierungsführung und des Wiederaufbaus in Gaza in einer Zeit nach dem Konflikt und betonte die Bedeutung dieser Arbeit für die Sicherheit Israels". Laut Matthew Miller, dem Sprecher des Außenministeriums, versicherte General Yoav Gallant Antony Blinken, dass er eine diplomatische Lösung mit dem Iran wolle. "Die Augen unserer Feinde und Freunde richten sich auf die Beziehung zwischen den Israelis und den Vereinigten Staaten - wir müssen unsere Probleme schnell lösen, damit wir unsere Ziele schnell erreichen und unsere Feinde schwächen", sagte er.

• Die Vereinigten Staaten haben das Treffen des strategischen Dialogs mit Israel verschoben. Es sollte letzte Woche stattfinden, wurde aber als Reaktion auf ein Video abgesagt, in dem Premierminister Benjamin Netanjahu Washington öffentlich für die Verlangsamung seiner Munitionslieferungen kritisierte. Es wird erwartet, dass sich das Treffen auf das iranische Atomprogramm konzentrieren wird.

• Laut Politico haben US-Beamte die Hisbollah gewarnt, dass sie den jüdischen Staat möglicherweise nicht daran hindern könnten, den Libanon anzugreifen. Zwei US-Beamte sagten auch, Washington werde dem jüdischen Staat helfen, sich zu verteidigen, wenn die Hisbollah Vergeltung für einen israelischen Angriff üben würde. Sie betonten, dass der Libanon sich nicht auf die Vereinigten Staaten verlassen sollte, um Israels Entscheidungsfindung zu bremsen.

Dieser Artikel ist der Leitartikel von "Voltaire, actualité internationale", Nr. 93. Um mehr zu erfahren, abonnieren Sie entweder jährlich für 150 Euro oder monatlich für 15 Euro.

Übersetzung
Horst Frohlich