Während Saudi-Arabien den katarischen Plan des Sturzes des säkularen syrischen Regimes übernommen hat, scheint Riyad nicht in der Lage, sich an den plötzlichen Rückzug der USA anpassen zu können. Es lehnt nicht nur das russisch-amerikanische Abkommen ab, sondern setzt den Krieg fort und kündigt Vergeltungsmaßnahmen an, um die Vereinigten Staaten zu "bestrafen". Für Thierry Meyssan entspricht diese Sturheit einem Massenselbstmord der Saud-Familie.
Wird das von den USA in Syrien im Stich gelassene Saudi-Arabien Selbstmord begehen, da es nicht siegen kann? Das ist, was man aus den folgenden Ereignissen schließen könnte:
Am 31. Juli 2013 besuchte Prinz Bandar Ben Sultan Russland, wo er nicht nur von seinem Kollegen, dem Leiter des Geheimdienstes, sondern auch von Präsident Wladimir Putin empfangen wurde. Es gibt zwei Versionen dieses Treffens. Für die Saudis habe Bandar im Namen des Königreichs und der Vereinigten Staaten gesprochen. Er habe vorgeschlagen, russische Waffen für 15 Milliarden Dollar zu kaufen, falls Moskau Syrien fallen ließe. Für die Russen habe er in arrogantem Ton gesprochen und gedroht, Dschihadisten zu schicken, um die Olympiade in Sotchi zu stören, falls Moskau das säkulare Regime in Damaskus dauerhaft unterstützen sollte, und dann auch versucht, es zu bestechen. Wie auch immer, Präsident Putin empfand die Worte seines Gesprächspartners als Beleidigung für Russland.
Am 30. September war Prinz Saud Al-Faisal als Sprecher der allgemeinen Debatte der 68. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingeschrieben, aber da er über die Erwärmung der iranisch-amerikanischen Beziehungen verärgert war, blieb der Saudi-Minister für auswärtige Angelegenheiten aus, ohne sich zu entschuldigen. In seinem Zorn verweigerte er, dass seine im Voraus vorbereitete und gedruckte Rede an die Delegationen verteilt wurde.
Am 11. Oktober empfing der Untergeneralsekretär der Vereinten Nationen und ehemalige Leiter des Department of State für den Nahen Osten, Jeffrey Feltman, eine libanesische Delegation. Er sprach im Namen von Mr. Ban, aber wahrscheinlich noch mehr im Namen von Präsident Obama und kritisierte mit harten Worten die saudische Außenpolitik, die aus "Groll" bestehe und unfähig sei, sich an die verändernde Welt anzupassen.
Am 18. Oktober wählte die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit 176 von 193 Stimmen Saudi-Arabien zum nichtständigen Mitglied des Sicherheitsrates für zwei Jahre, ab dem 1. Januar 2014. Botschafter Abdallah El-Mouallemi begrüßte diesen Sieg, der "die Wirksamkeit der durch Moderation gekennzeichnete saudischen Politik" (SIC!) widerspiegelt. Jedoch wenige Stunden später veröffentlichte Prinz Saud Al-Faisal ein Kommuniqué, in Nasserischem Ton, über die Unfähigkeit des Sicherheitsrates und die Weigerung des Königreichs, diesem beizusitzen. Auch wenn der zitierte offizielle Hauptgrund das syrische Problem war, hatte der Minister sich den Luxus geleistet, die Palästina-Frage und jene der Massenvernichtungswaffen im Nahen Osten anzuschneiden, d. h., Iran und Israel als Feinde des Friedens zu bezeichnen. Obwohl er sehr wohl wusste, dass die Kritik der syrischen Politik der Vereinten Nationen eine direkte Infragestellung von Russland und China ist, die ja dreimal ihr Vetorecht angewendet hatten, war dieses Kommuniqué eine Beleidigung für Peking, obwohl China der wichtigste aktuelle Käufer von saudischem Öl ist. Diese Kehrtwendung, wodurch die Organisation in Bestürzung geriet, wurde dennoch von den Präsidenten der Türkei und Frankreich stürmisch begrüßt, die erklärten, die "Frustrationen" von Saudi Arabien über Syrien zu teilen.
Am 21. Oktober schrieb das Wall Street Journal, dass Prinz Bandar Ben Sultan europäische, in Riad stationierte Diplomaten in sein Haus eingeladen habe. Der Leiter des Geheimdienstes hätte ihnen von der Saudischen Wut über die Iranisch-amerikanische Versöhnung und den Abzug des US-Militärs von Syrien gesprochen. Vor den fassungslosen Gästen habe er angekündigt, dass das Königreich als Vergeltung seine Investitionen in Amerika einstellen würde. In Anlehnung an die Episode des Sicherheitsrates wies die Zeitung darauf hin, dass laut Prinz Bandar, das Kommuniqué nicht gegen Beijing gerichtet sei, sondern gegen Washington; ein umso interessanterer Hinweis, als er der Situation nicht entspricht.
Vor dem durch diese Aussagen verursachten Unglauben und den beruhigenden Kommentaren des State Departments erklärte Prinz Turki Ben Faisal Reuters, dass die Worte von seinem persönlichen Feind, Bandar, sehr wohl das Königreich engagierten und diese neue Politik nicht in Frage gestellt werden würde. Es geht also nicht mehr um eine Gewaltenteilung zwischen den zwei rivalisierenden Zweigen der Herrscherfamilie, den Sudairi und den Schuraim, sondern um ihre gemeinsame Sicht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Saudi-Arabien Russland im Juli, China vor zwei Wochen, und jetzt die Vereinigten Staaten beleidigt hat. Das Königreich kündigt an, dass es seine Investitionen in Amerika zurückziehen werde, um sich wahrscheinlich der Türkei und Frankreich zuzuwenden, auch wenn kein Experte versteht, wie das möglich wäre. Zwei Erklärungen sind für dieses Verhalten möglich: entweder täuscht Riyad Wut vor, um Washington zu erlauben, weiter Krieg in Syrien zu führen, ohne die Verantwortung darüber zu übernehmen, oder die Familie Saud begeht einen politischen Selbstmord.
Die erste Hypothese scheint durch die vor den europäischen Botschaftern geäußerten Worte von Prinz Bandar wenig wahrscheinlich zu sein. Wenn er heimlich für die Vereinigten Staaten spielte, würde er es ja unterlassen, die Revolution bei seinen Verbündeten zu predigen.
Die zweite Hypothese erinnert an das Verhalten der Kamele, die Lieblingstiere der saudischen Beduinen. Sie sind gut dafür bekannt, dass sie sich jahrelang von ihrem Groll treiben lassen und keine Ruhe finden, bevor sie Rache nehmen können, egal um welchen Preis.
Nun steht seit der Ernennung von John O. Brennan an der Spitze der CIA im März 2013 das Überleben Saudi-Arabiens auf dem Spiel. Einst in Saudi-Arabien im Amt, ist er ein entschlossener Gegner des Systems, das von seinen Vorgängern mit Riyad eingesetzt wurde: der internationale Dschihadismus. Herr Brennan schätzt, dass wenn diese Kämpfer auch gute Arbeit damals in Jugoslawien, Afghanistan und Tschetschenien geleistet hatten, sie jetzt aber zu zahlreich und schwierig zu handhaben sind. Was zunächst nur ein paar arabische Extremisten waren, die gegen die Rote Armee kämpften, wurde eine Konstellation von Gruppen, die von Marokko bis nach China reicht. Letztlich kämpfen sie mehr für das saudische Gesellschaftsmodell, als um die Gegner der Vereinigten Staaten zu besiegen. Bereits im Jahr 2001 dachten die Vereinigten Staaten Al-Kaida zu beseitigen, indem sie es für die Anschläge des 11. September verantwortlich machten. Mit der offiziellen Ermordung von Osama Ben Laden im Mai 2011 haben sie jedoch beschlossen, das System zu rehabilitieren und haben auch davon in Libyen und Syrien einen sehr umfangreichen Gebrauch gemacht. Muammar el-Gaddafi hätte niemals ohne Al-Kaida gestürzt werden können, wie die Gegenwart von Abdelhakim Belhadsch, ehemalige Nummer 2 der Organisation, als militärischer Gouverneur von Tripolis heute beweist. Wie auch immer, der internationale Dschihadismus sollte in den Augen von John O. Brennan zu einem kleinen Ausmaß reduziert werden und nur mehr als Aushilfskraft für die CIA bei manchen Gelegenheiten benutzt werden.
Der Dschihadismus ist nicht nur die einzig wirksame Streitkraft von Saudi-Arabien, dessen Armee in zwei Einheiten geteilt ist, die den beiden Clans der Saud Familie gehorchen, sondern er ist auch seine einzige Daseinsberechtigung. Washington braucht das Königreich aber nicht mehr für das Öl, und auch nicht um die Sache des Friedens mit Israel zu plädieren. Daher die Rückkehr im Pentagon des alten neokonservativen Plans: "Die Saudis aus Arabien hinausschmeißen", nach dem Titel eines projizierten Powerpoints im Juli 2002 vor dem politischen Ausschuss des Verteidigungsministeriums. Dieses Projekt sieht den Abbau des Landes in fünf verschiedene Bereiche vor, von denen drei voneinander unabhängige Staaten werden sollen und zwei von ihnen an andere Staaten gebunden werden sollten.
Da die Familie Saud die Kraftprobe mit den Vereinigten Staaten gewählt hat, gibt es keine andere Wahl. Es ist unwahrscheinlich, dass Washington sich sein Verhalten von einigen wohlhabenden Beduinen diktieren lässt, aber wohl eher vorhersehbar, die es sie zur Ordnung rufen wird. 1975 zögerten sie nicht König Faysal ermorden zu lassen. Diesmal könnten sie noch radikaler sein.
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