Als Meister jeder Art politischer Heuchelei hat Präsident Obama den iranischen Rückzug wie einen Schritt in die atomwaffenfreie Welt dargestellt. Nun hat aber nicht nur hat der Iran seit 1988 alle Forschung zur Entwicklung eigener Atomwaffen beendet, sondern die Vereinigten Staaten modernisieren ihre Atomstreitmacht und bewirken damit ein wahres Wettrüsten.
Die Vereinbarung, die den Iran an der Erlangung von Atomwaffen hindert, macht „unsere Welt sicherer“, teilte Präsident Obama am 2. April mit [1]. Am selben Tag hat allerdings das Kommando der US-Luftwaffe für den „weltweiten Schlag“ den experimentellen Einsatz von zwei Minuteman III, Interkontinentalraketen mit Nuklearsprengköpfen, im Pazifik (mit nichtnuklearen Sprengköpfen) angekündigt „als visuelle Gedächtnisstütze sowohl für unsere Gegner wie auch für unsere Verbündeten“ für die Tatsache, dass die „US-Luftwaffe überall, in jedem Moment, mit einer größeren Geschwindigkeit und Präzision als je zuvor angreifen kann“.
Das bestätigt, was die New York Times im letzten September belegt hat [2], nämlich dass „die Obama-Administration dabei ist, Milliarden von Dollar in die Modernisierung ihres Atomwaffenarsenals zu investieren“. Der Mehrjahresplan, dessen Kosten mit etwa einer Milliarde Dollar veranschlagt wird, sieht den Bau von zwölf neuen Jagd-U-Booten (wovon jedes mit 24 ballistischen Raketen bis zu 200 Atomsprengköpfe auf ebenso viele Ziele abschießen kann), von 100 weiteren strategischen Bombern (mit ungefähr je 20 Raketen oder Atombomben) und 400 Interkontinentalraketen mit leistungsstarken Atomsprengköpfen vor. Zu diesem Plan gehört außerdem die qualitative Verbesserung von 70 bis 90 Atombomben der USA, die in Italien eingelagert sind und von der Hohen Vertreterin der EU Federica Mogherini ignoriert werden, wenn sie das Abkommen über die Nutzung der Atomenergie durch Iran lobt und gleichzeitig die Tatsache verschweigt, dass Italien durch die Unterbringung der Nuklearwaffen, in deren Gebrauch auch italienische Piloten trainiert werden, den Atomwaffensperrvertrag verletzt.
So haben sich die begrenzten Schritte auf dem Weg zur Abrüstung durch das neue Start-Abkommen [Strategic Arms Reduction Treaty], das 2010 in Prag durch die Vereinigten Staaten und Russland unterzeichnet wurde, als vergeblich erwiesen. China und Russland sind dabei, ihre nuklearen Waffen zu potenzieren, auch um den „Raketenabwehrschirm“ neutralisieren zu können, mit dem die Vereinigten Staaten die Fähigkeit zum atomaren Erstschlag erreichen wollen ohne Vergeltung befürchten zu müssen. Der Vereinigung Amerikanischer Wissenschaftler (FAS) zufolge hüten die Vereinigten Staaten1.920 sofort einsatzfähige strategische Atomsprengköpfe (bei 7.300 insgesamt) gegenüber 1.600 russischen (bei insgesamt 8.000). Mit den französischen und britischen zusammen verfügen die Nuklearstreitkräfte der Nato über etwa 8.000 Atomsprengköpfe, davon sind 2.370 sofort einsatzbereit. Rechnet man die chinesischen, pakistanischen, indischen, israelischen und nordkoreanischen hinzu, liegt die Gesamtzahl der atomaren Sprengköpfe bei geschätzt 16.300, wovon 4.350 startbereit sind. Und das atomare Wettrüsten setzt sich fort mit der kontinuierlichen Modernisierung der Arsenale. Das bewirkt, dass der Zeiger der „Uhr der Apokalypse“, die symbolische Anzeige, die auf dem Bulletin of the Atomic Scientists angibt, wie viele Minuten wir noch vom Atomkrieg entfernt sind, von weniger als fünf Minuten in 2012 auf weniger als drei in 2015 verstellt worden ist, auf den gleichen Stand wie 1984 mitten im Kalten Krieg [3].
Besonders hoch ist das Risiko, dass eines Tages die Atomwaffen im Nahen Osten eingesetzt werden, wo Israel, das einzige Land, das sie besitzt, im Unterschied zum Iran nicht dem Atomwaffensperrvertrag beigetreten ist. Den Schätzungen zufolge besitzen die Israelis 100 bis 400 nukleare Sprengköpfe, H-Bomben inbegriffen, mit einem Wirkungsgrad von etwa 4.000 Hiroshima-Bomben. Zu den Trägersystemen gehören mehr als 300 F-16 und F-15-Kampfflugzeuge der Vereinigten Staaten, mit israelisch-US-amerikanischen Popeye-Raketen mit Nuklearköpfen bewaffnet, und ungefähr 50 ballistische Jericho II-Raketen auf mobilen Abschussrampen. Israel besitzt darüber hinaus vier Dolphin-U-Boote, die für den nuklearen Einsatz umgerüstet sind. Sie werden von Deutschland geliefert, im letzten September war die Übergabe des vierten von insgesamt sechs vorgesehenen Booten.
Während die Scheinwerfer auf den Iran gerichtet werden, der keine Atomwaffen besitzt und dessen ziviles Atomprogramm nachprüfbar ist, lässt der medienpolitische Apparat die Tatsache im Dunkeln, dass Israel außerhalb jeder Kontrolle ein leistungsstarkes Atomwaffenarsenal hat und dass die Vereinigten Staaten Abkommen für die Lieferung von Nukleartechnologie und spaltbarem Material an Saudi-Arabien, Bahrain und die Arabischen Emirate unterzeichnet haben, wodurch diese sich in Zukunft mit Atomwaffen ausstatten können. Saudi-Arabien hat offiziell erklärt [4], dass es nicht ausschließt, mit Hilfe Pakistans, dessen militärisches Nuklearprogramm es zu 60 Prozent finanziert, Nuklearwaffen zu bauen oder zu kaufen.
In aller Legalität: Pakistan gehört nicht dem Atomwaffensperrvertrag an und darf deshalb mit seinen Atombomben tun, was es will und sie unter der Hand an die saudische Monarchie verkaufen.
[1] “Barack Obama on Framework to Prevent Iran from Obtaining Nuclear Weapons”, by Barack Obama, Voltaire Network, 2 April 2015.
[2] “U.S. Ramping Up Major Renewal in Nuclear Arms”, William J. Broad et David E. Sanger, The New York Times, 22 septembre 2014.
[3] “Three minutes and counting”, par Lynn Eden, Robert Rosner, Rod Ewing, Sivan Kartha, Edward "Rocky" Kolb, Lawrence M. Krauss, Leon Lederman, Raymond T. Pierrehumbert, M. V. Ramana, Jennifer Sims, Richard C. J. Somerville, Sharon Squassoni, Elizabeth J. Wilson, David Titley et Ramamurti Rajaraman, Bulletin of the Atomic Scientists, 19 janvier 2015.
[4] “Iran nuclear talks: Prospect of deal with Iran pushes Saudi Arabia and Israel into an unlikely alliance”, Kim Sengupta, The Independent, March 30, 2015.
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