Heute sind wir in Bratislava in einer für unser europäisches Projekt kritischen Zeit zusammen-gekommen. Auf unserer Gipfeltagung in Bratislava mit 27 Mitgliedstaaten ging es darum, gemein-sam die derzeitige Lage der Europäischen Union zu analysieren und unsere gemeinsame Zukunft zu erörtern. Wir haben uns alle auf die folgenden allgemeinen Grundsätze geeinigt:

Obgleich ein Land seinen Austritt beschlossen hat, ist die EU nach wie vor für die übrigen Mit-gliedstaaten unerlässlich. In der Zeit nach den Kriegen und den tiefen Spaltungen auf unserem Kontinent war es die EU, die Frieden und Demokratie sicherstellte und unseren Ländern Wohlstand ermöglichte. Viele Staaten und Regionen außerhalb der EU versuchen immer noch vergebens, solche Erfolge zu erzielen. Aufbauend auf diese gemeinsame Geschichte sind wir entschlossen, die EU mit 27 Mitgliedstaaten zum Erfolg zu führen.

Die EU ist zwar nicht fehlerfrei, doch ist sie das beste Instrument, über das wir verfügen, um die neuen vor uns stehenden Herausforderungen zu bewältigen. Wir benötigen die EU, um nicht nur Frieden und Demokratie, sondern auch die Sicherheit unserer Bürger zu gewährleisten. Wir benöti-gen die EU, um ihren Bedürfnissen besser zu genügen, ihrem Wunsch, in ganz Europa frei zu leben, zu studieren, zu arbeiten, zu reisen und zu Wohlstand zu gelangen, besser zu entsprechen und um Nutzen aus dem reichen kulturellen Erbe Europas zu ziehen.

Wir müssen die Kommunikation verbessern, untereinander, zwischen den Mitgliedstaaten, zwischen den EU-Institutionen, aber zuallererst mit unseren Bürgern. Wir sollten unseren Entschei-dungen mehr Klarheit verleihen, uns einer eindeutigen und aufrichtigen Sprache bedienen und die Erwartungen der Bürger in den Mittelpunkt stellen und dabei mit großer Entschlossenheit simplifi-zierenden Lösungen extremistischer oder populistischer politischer Kräfte entgegentreten.

Wir haben in Bratislava vereinbart, unseren Bürgern in den kommenden Monaten die Vision einer attraktiven EU, der sie vertrauen und die sie unterstützen können, aufzuzeigen. Wir sind überzeugt, dass wir über den Willen und die Fähigkeit verfügen, um dies zu erreichen.

Wir haben die Ansprache des Präsidenten der Kommission zur Lage der Union begrüßt.

Wir haben die Kernprioritäten für die nächsten Monate ausführlich erörtert. Auf dieser Grundlage schlagen der Präsident des Europäischen Rates, der Ratsvorsitz und die Kommission das nach-stehende Arbeitsprogramm ("Bratislava-Fahrplan") vor:

Bratislava-Fahrplan

I. Allgemeine Beurteilung und Zielsetzung

 Entschlossen, die EU mit 27 Mitgliedstaaten zum Erfolg zu führen.
 Zahlreiche vor uns liegende gemeinsame Herausforderungen: Menschen, die besorgt über einen gefühlten Mangel an Kontrolle sind und Ängste im Zusammenhang mit Migration, Terrorismus sowie wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit haben. Diese Fragen müssen in den nächsten Monaten mit Vorrang angegangen werden.
 Wenn sie zusammenarbeiten, verfügen die Staaten der EU27 über die Mittel zur Bewälti-gung dieser Herausforderungen. Wir sind entschlossen, gemeinsame Lösungen zu finden, auch bei Fragen, bei denen wir unterschiedliche Ansichten haben. Es geht jetzt vor allem darum, geschlossen aufzutreten und die politische Kontrolle über die Entwicklungen sicherzustellen, um unsere gemeinsame Zukunft zu gestalten.
 Es muss Klarheit darüber bestehen, was die EU tun kann und was die Mitgliedstaaten tun müssen, damit sichergestellt wird, dass wir unsere Versprechen einlösen können.

II. Migration und Außengrenzen

Ziele

 Vollkommener Ausschluss einer Wiederholung der unkontrollierten Migrationsströme des letzten Jahres und weitere Verringerung der Anzahl irregulärer Migranten;
 Sicherstellen der vollständigen Kontrolle über die Außengrenzen und Rückkehr zu Schengen;
 Erweiterung des Konsens in der EU über die langfristige Migrationspolitik und Anwen-dung der Grundsätze von Verantwortung und Solidarität.

Konkrete Maßnahmen

a) Uneingeschränktes Festhalten an der Umsetzung der Erklärung EU-Türkei und fort-gesetzte Unterstützung der Länder des westlichen Balkans;
b) heute gegebene Zusage einer Reihe von Mitgliedstaaten, sofortige Hilfe anzubieten, um den Schutz der Grenze Bulgariens zur Türkei zu verstärken und die Unterstützung für andere Mitgliedstaaten an den Außengrenzen fortzusetzen;
c) vor Ende des Jahres uneingeschränkte Fähigkeit der Europäischen Grenz- und Küsten-wache zur schnellen Reaktion; der Rechtsakt dazu ist gerade verabschiedet worden;
d) Migrationspakte für die Zusammenarbeit und den Dialog mit Drittstaaten, die verrin-gerte Ströme irregulärer Migration und höhere Rückkehrquoten bewirken sollen, sind auf der Dezembertagung des Europäischen Rates zu prüfen;
e) weitere Anstrengungen, um den Konsens in der EU über die langfristige Migrationspoli-tik auf eine breitere Basis zu stellen, was auch die Frage betrifft, wie die Grundsätze von Verantwortung und Solidarität künftig anzuwenden sind.

III. Innere und äußere Sicherheit

– Innere Sicherheit

Ziele

 Alles Notwendige unternehmen, um die Mitgliedstaaten bei der Gewährleistung der inne-ren Sicherheit und der Bekämpfung des Terrorismus zu unterstützen.

Konkrete Maßnahmen

a) Verstärkung der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs zwischen den Sicher-heitsdiensten der Mitgliedstaaten;
b) Annahme der erforderlichen Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass alle Personen ein-schließlich der Staatsangehörigen von EU-Mitgliedstaaten beim Überschreiten der Außengrenzen der Union durch Abfrage der einschlägigen Datenbanken, die miteinan-der verbunden werden müssen, überprüft werden;
c) Beginn der Einrichtung eines Reiseinformations- und Genehmigungssystems (ETIAS), welches ermöglicht, dass nicht visumpflichtige Reisende vorab überprüft werden und ihnen erforderlichenfalls die Einreise verweigert wird;
d) systematisches Vorgehen gegen Radikalisierung, auch durch Abschiebungen und Einreiseverbote, wenn dies gerechtfertigt ist, sowie Unterstützung der Vorbeugemaß-nahmen der Mitgliedstaaten durch die Union.

– Externe Sicherheit und Verteidigung

Ziele

 Verstärkung der EU-Zusammenarbeit im Bereich der externen Sicherheit und der Verteidi-gung angesichts der Herausforderungen, die sich aus dem geopolitischen Umfeld ergeben.

Konkrete Maßnahmen

a) Der Europäische Rat sollte auf seiner Tagung im Dezember über einen konkreten Umsetzungsplan für Sicherheit und Verteidigung sowie über die Frage entscheiden, wie die durch die Verträge gebotenen Möglichkeiten, insbesondere in Bezug auf die Fähig-keiten, besser genutzt werden können;
b) unverzügliche Umsetzung der gemeinsamen Erklärung EU-NATO.

IV. Wirtschaftliche und soziale Entwicklung und junge Menschen

Ziele

 Schaffung einer aussichtsreichen wirtschaftlichen Zukunft für alle Bürger, Bewahrung unserer Lebensweise und Verbesserung der Chancen für junge Menschen.

Konkrete Maßnahmen

a) Im Dezember: Beschluss über die Verlängerung des Europäischen Fonds für strategi-sche Investitionen (EFSI) im Lichte der Evaluierung;
b) Frühjahrstagung 2017 des Europäischen Rates: Überprüfung der konkreten Fortschritte bei der Umsetzung der verschiedenen Binnenmarktstrategien (einschließlich digitaler Binnenmarkt, Kapitalmarktunion und Energieunion);
c) Tagung des Europäischen Rates im Oktober: Erörterung der Frage, wie eine robuste Handelspolitik gewährleistet werden kann, die die Vorteile offener Märkte nutzt und gleichzeitig die Anliegen der Bürger berücksichtigt;
d) im Dezember – Beschlussfassung über die EU-Unterstützung für Mitgliedstaaten zur Eindämmung der Jugendarbeitslosigkeit und über erweiterte EU-Programme für junge Menschen.

V. Weiteres Vorgehen

 Erfüllung der Versprechen: Verstärkung des Mechanismus, mit dem die Umsetzung der gefassten Beschlüsse überprüft wird. Loyale Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Mitgliedstaaten und den EU-Institutionen;
 Bratislava ist der Beginn eines Prozesses. Die anstehenden ordentlichen Tagungen des Europäischen Rates werden konkrete Folgemaßnahmen zu den vorgenannten Themen ermöglichen. Die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten werden Anfang 2017 informell in Valetta zusammenkommen. Im März 2017 werden die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Römischen Verträge Gelegenheit für ein Zusammentreffen der Staats- und Regierungschefs in Rom bieten und dafür genutzt werden, den in Bratislava eingelei-teten Prozess zum Abschluss zu bringen und Orientierungen für unsere gemeinsame Zukunft festzulegen.