Wir, die Führungsspitzen der Europäischen Union (EU) und ihrer Mitgliedstaaten, bekräftigen heute in Abstimmung mit den Führungsspitzen des Westbalkans und im Beisein regionaler und internationaler Interessenträger unsere feste Solidarität mit unseren Partnern im Kontext der Coronavirus-Krise. In dieser beispiellosen Situation sind wir zu folgenden Feststellungen gelangt:
1. Unter Hinweis auf die Gipfeltreffen von Zagreb (2000), von Thessaloniki (2003) und von Sofia (2018) bekräftigt die EU erneut, dass sie die europäische Perspektive des Westbalkans uneingeschränkt unterstützt. Die Partner im Westbalkan bekräftigen, dass sie der europäischen Perspektive als ihrer festen strategischen Entscheidung verpflichtet bleiben. Die Glaubwürdigkeit dieser Verpflichtung hängt auch von einer klaren öffentlichen Kommunikation und der Durchführung der notwendigen Reformen ab.
2. Das Ausmaß der Coronavirus-Krise erfordert unsere Einheit und Solidarität. Die EU steht an der Seite ihrer Partner im Westbalkan und ist weiterhin entschlossen, deren Anstrengungen zur Bekämpfung des Coronavirus-Ausbruchs und seiner Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft aktiv zu unterstützen.
3. Die EU und der Westbalkan bekämpfen das Coronavirus und seine Auswirkungen gemeinsam. Wie in der Mitteilung der Kommission vom 29. April über die Unterstützung des westlichen Balkans bei der Bekämpfung von COVID-19 und beim Wiederaufbau nach der Pandemie beschrieben, hat die EU sehr rasch ein mit mehr als 3,3 Mrd. EUR ausgestattetes Paket zugunsten des Westbalkans aufgelegt. Es umfasst eine Soforthilfe für den Gesundheitssektor‚ insbesondere durch die Bereitstellung wesentlicher Hilfsgüter zur Rettung von Menschenleben, und erhebliche Unterstützung für die notwendige gesellschaftliche und wirtschaftliche Erholung unserer Partner sowie ein Makrofinanzhilfepaket in Höhe von 750 Mio. EUR und ein Hilfspaket der Europäischen Investitionsbank in Höhe von 1,7 Mrd. EUR.
4. Die derzeitige Pandemie zeigt, wie die EU und der Westbalkan gemeinsame Herausforderungen gemeinsam angehen. Zu dieser Zusammenarbeit gehören die gemeinsame Beschaffung und der ungehinderte Handelsstrom von persönlicher Schutzausrüstung, die schnelle Abfertigung wesentlicher Güter über sogenannte Green Lanes zwischen der EU und dem Westbalkan, die Lieferung von Testmaterial durch die EU zur Überprüfung des ordnungsgemäßen Funktionierens von Coronavirus-Tests im Westbalkan sowie eine enge Zusammenarbeit mit den zuständigen Gesundheitsbehörden.
5. Der Umstand, dass diese Unterstützung und Zusammenarbeit weit über das hinausgehen, was andere Partner in der Region geleistet haben, verdient öffentliche Anerkennung. Die EU erkennt ferner die wertvolle Unterstützung an, die der Westbalkan während der Pandemie für seine unmittelbaren Nachbarn und gegenüber der EU geleistet hat. Dies spiegelt die Solidarität und gegenseitige Unterstützung wider, auf denen die EU gründet. Diese Zusammenarbeit und Koordinierung sollte künftig, auch während der Ausstiegs- und Erholungsphase, fortgesetzt werden.
6. Die EU und die Partner im Westbalkan verfolgen gemeinsam das Ziel eines friedlichen, starken, stabilen und geeinten Europas, gestützt auf unsere historischen, kulturellen und geografischen Bindungen und unsere gegenseitigen politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interessen. Die EU ist entschlossen, ihr Engagement auf allen Ebenen weiter zu intensivieren, um den politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandel der Region zu fördern, und begrüßt die Zusage der Partner im Westbalkan‚ die europäischen Werte und Grundsätze zu wahren und die notwendigen Reformen umfassend und entschlossen durchzuführen. Die Aufstockung der EU-Hilfe wird an greifbare Fortschritte im Bereich der Rechtsstaatlichkeit und bei den sozialen und wirtschaftlichen Reformen sowie an die Einhaltung der Werte, Regeln und Standards der EU durch die Partner im Westbalkan geknüpft sein.
7. Die EU begrüßt das feste Bekenntnis der Partner im Westbalkan dazu, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und insbesondere der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, der verantwortungsvollen Staatsführung sowie der Achtung der Menschenrechte, der Gleichstellung der Geschlechter und der Rechte der Angehörigen von Minderheiten Vorrang einzuräumen. Die Führungsspitzen des Westbalkans sollten sicherstellen, dass die Grundwerte, die demokratischen Grundsätze und die Rechtsstaatlichkeit strikt gewahrt und umgesetzt werden, auch während die besonderen und außerordentlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie in Kraft sind. Der gesellschaftliche Wandel und die wirksame Umsetzung von Reformen beruhen auf diesen Grundlagen. Im Prozess der Demokratisierung kommt der Zivilgesellschaft und unabhängigen Medien sowie der Meinungsfreiheit und dem Schutz von Journalisten eine entscheidende Rolle zu.
8. Wir werden unsere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Desinformation und anderen hybriden Aktivitäten verstärken, die insbesondere von Akteuren aus Drittstaaten ausgehen und darauf abzielen, die europäische Perspektive der Region zu untergraben. Eine engere Zusammenarbeit ist auch bei der Stärkung der Resilienz und der Cybersicherheit erforderlich. Strategische Kommunikation ist in dieser Hinsicht von entscheidender Bedeutung.
9. Die EU unterstützt uneingeschränkt die Zusage der Partner im Westbalkan zu einer integrativen regionalen Zusammenarbeit und zur Stärkung der gutnachbarlichen Beziehungen‚ auch zu den EU-Mitgliedstaaten. In diesem Zusammenhang ist weiterhin wichtig, dass bilaterale Abkommen, einschließlich des Prespa-Abkommens mit Griechenland und des Vertrags über gutnachbarliche Beziehungen mit Bulgarien, in gutem Glauben und mit greifbaren Ergebnissen umgesetzt werden. Es bedarf weiterer und entschiedener Anstrengungen für Aussöhnung und regionale Stabilität sowie für die Suche nach endgültigen, inklusiven und verbindlichen Lösungen im Einklang mit dem Völkerrecht und bewährten Grundsätzen, unter anderem dem Abkommen über die Rechtsnachfolge, für die bilateralen Streitigkeiten und Probleme der Partner, die im Erbe der Vergangenheit verwurzelt sind. Wir begrüßen die unlängst erfolgte Ernennung des EU-Sonderbeauftragten für den Dialog zwischen Belgrad und Pristina und andere regionale Angelegenheiten im Westbalkan.
10. Die enge Zusammenarbeit im Westbalkan im Rahmen der bestehenden regionalen Strukturen hat sich bei der Bewältigung der COVID-19-Krise bewährt. Die EU wird diese integrative regionale Zusammenarbeit weiterhin unterstützen und fordert die Führungsspitzen des Westbalkans nachdrücklich auf, das Potenzial der regionalen Zusammenarbeit voll auszuschöpfen, um die wirtschaftliche Erholung nach der Krise zu erleichtern. Dies erfordert ein starkes Engagement der gesamten Region für die weitere Vertiefung der Integration der regionalen Wirtschaft auf der Grundlage der EU-Vorschriften und -Standards, um die Region und ihre Unternehmen stärker dem EU-Binnenmarkt anzunähern. Die Weiterentwicklung dieser Dimension einschließlich im Rahmen des regionalen Wirtschaftsraums kann dazu beitragen, dass die Region attraktiver für Investitionen wird.
11. Sobald die Sofortmaßnahmen zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie ausgelaufen sind, wird eine neue Phase der engen Zusammenarbeit zur Bewältigung der erheblichen sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise folgen. Aufbauend auf der Mitteilung vom 29. April wird die Europäische Kommission ersucht, einen soliden Wirtschafts- und Investitionsplan für die Region vorzulegen, der darauf abzielt, die Volkswirtschaften anzukurbeln und zugleich deren Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und sie innerhalb der Region und mit der EU besser zu verknüpfen. Investitionen sind von größter Bedeutung, um die langfristige Erholung der Region anzukurbeln und die Reformen zu unterstützen, die für das weitere Vorankommen auf dem Weg nach Europa notwendig sind, sowie die Ungleichheiten zu beseitigen, indem der Region die Vorteile schneller zuteil werden. Die Partner im Westbalkan sollten sich in funktionierende Marktwirtschaften wandeln, die in der Lage sind, sich voll und ganz mit dem EU-Binnenmarkt zu verbinden, Arbeitsplätze und unternehmerische Chancen zu schaffen, das Geschäfts- und Investitionsklima zu verbessern sowie die Rechtsstaatlichkeit zu fördern. Dabei sollte der Übernahme der Klimaschutzziele der EU durch die Region im Einklang mit dem Übereinkommen von Paris, der Förderung der Grünen Agenda für den Westbalkan sowie der Förderung der digitalen Wirtschaft und der Stärkung der Konnektivität in all ihren Dimensionen – Verkehr, Energie, Digitales und Kontakte zwischen den Menschen, einschließlich Tourismus und Kultur – eine herausragende Rolle zukommen. Ein Schwerpunkt sollte auch auf der sozialen Entwicklung liegen, insbesondere auf Maßnahmen in den Bereichen Gesundheit, Bildung und Sozialpolitik sowie Maßnahmen zur Schaffung weiterer Chancen für junge Menschen.
12. Die EU und der Westbalkan stehen vor einer Reihe gemeinsamer sicherheitspolitischer Herausforderungen, die ein koordiniertes individuelles und kollektives Handeln erfordern. Wir stimmen darin überein, unsere Zusammenarbeit in zentralen Sicherheitsfragen entschlossener und systematischer voranzubringen, auch auf operativer Ebene. Die Partner verpflichten sich, diese Anstrengungen durch die Entwicklung integrativer Instrumente für die Zusammenarbeit innerhalb des Westbalkans zu ergänzen und gegebenenfalls auf Instrumente und Rahmen der EU zurückzugreifen.
13. Auch die Verhütung und Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus, einschließlich der Finanzierung, der Radikalisierung und der Rückkehr ausländischer terroristischer Kämpfer, erfordern besondere Aufmerksamkeit.
14. Die EU und die Partner im Westbalkan erkennen an, dass Ergebnisse bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität maßgeblich sind für den politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel in der Region sowie für die regionale Stabilität und Sicherheit, die im besten Interesse ihrer Bevölkerung sind. In diesen Bereichen sind aufbauend auf den bedeutenden Ergebnissen, die durch mit dem IPA finanzierte Tätigkeiten erzielt wurden, verstärkte Anstrengungen und eine solide Erfolgsbilanz erforderlich.
15. Die Partner im Westbalkan werden in Zusammenarbeit mit der EU und miteinander weiterhin entschlossen gegen Menschenhandel, Drogenanbau, Geldwäsche, Schleuserkriminalität und Drogenschmuggel vorgehen. Die Bekämpfung des illegalen Waffenhandels ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie wir unsere Sicherheit erhöhen können, wenn wir zusammen auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten.
16. Unsere Zusammenarbeit bei der Bewältigung der Migrationsherausforderungen, einschließlich der Bekämpfung der Schleusung von Migranten, hat sich als wirksam erwiesen; sie wird weiterentwickelt und von neuen Instrumenten wie der Zusammenarbeit mit Frontex, dem EASO und Europol profitieren. Die noch ausstehenden Statusvereinbarungen mit Frontex sollten unverzüglich abgeschlossen werden. Die EU wird weiterhin die Verbesserung der Aufnahmekapazitäten in den westlichen Balkanstaaten unterstützen.
17. Der Energieversorgungssicherheit, einschließlich der Diversifizierung der Quellen und Versorgungswege, sollte Priorität eingeräumt werden.
18. Die EU begrüßt den Beitrag der Partner im Westbalkan zu den Missionen und Operationen der EU. Die EU erwartet eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und fordert alle Partner erneut auf, Fortschritte im Hinblick auf eine vollständige Angleichung an die außenpolitischen Standpunkte der EU zu erzielen, insbesondere in Fragen, bei denen zentrale gemeinsame Interessen auf dem Spiel stehen, und entsprechend zu handeln.
19. Um unsere gemeinsamen Interessen weiter voranzubringen, erklären sich die Führungsspitzen der EU bereit, dem politischen Dialog zwischen der EU und dem Westbalkan, der auch auf hoher Ebene regelmäßig stattfinden soll, neue Impulse zu verleihen.
20. Wir begrüßen, dass sich die Partner im Westbalkan den genannten Punkten anschließen.
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