Thomas de Maizière

Die Idee, in höflicher diplomatischer Formulierung, wurde dem serbischen Ministerpräsidenten Alexander Vučić von Angela Merkel selbst unterbreitet. Sie forderte vom serbischen Regierungschef, temporäre Aufnahmelager für Flüchtlinge und Migranten an der serbischen und mazedonischen Grenze einzurichten. Darüber hinaus ist die serbische Regierung verpflichtet, Flüchtlingen einen uneingeschränkten und prioritären Durchgang durch Serbien bis zu seiner Grenze mit Ungarn zu gewähren.

Diese Bedingungen allein werfen ernsthafte Fragen finanzieller und rechtlicher Natur auf. Erstens, wie kann Ordnung entlang der Route der Migranten gewährleistet werden, für die Brüssel praktisch die Bereitstellung eines extraterritorialen Korridors fordert?

Und zweitens, wer wird für die Einrichtungen zahlen und noch wichtiger, für den Betrieb dieser Zentren, die für Monate oder vielleicht für Jahre bereitgestellt werden müssen, und die Hunderttausende, wenn nicht Millionen Menschen beherbergen werden? Das Amt des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge hat schon berichtet, dass Schätzungen zufolge, mehr als 850.000 Migranten bis Ende 2015-2016 das Mittelmeer in Richtung Europa überquert haben werden.

Insgesamt erwartet die UNO fast 400.000 Flüchtlinge für das Jahr 2015 in Europa. Im Jahr 2016 könnte diese Zahl "450.000 oder mehr" erreichen, sagt ein Bericht von dem United Nations Hochkommissar für Flüchtlinge. Laut seinem Sprecher William Spindler ist die Vorhersage für dieses Jahr bereits nahe daran: mehr als 300.000 Flüchtlinge überquerten das Mittelmeer [1]. Die UNO erwartet auch, dass der Strom von Flüchtlingen mit der gleichen Rate mindestens bis Anfang November weiter geht.

In der Zwischenzeit, nach einem neuen, von dem Chef der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker ausgearbeiteten Plan [2] für die Verteilung von Flüchtlingen und Migranten in EU-Länder, überschreitet die Gesamtzahl, die die EU-Regierungen beabsichtigen aufzunehmen, jedoch nicht 160.000. Sechs Ländern, - Ungarn, Griechenland, Italien, Großbritannien, Dänemark und Irland – wurde auch das Recht von der Europäischen Kommission eingeräumt, nicht an der Flüchtlings- Quotenregelung beteiligt zu werden. Die letzten drei Länder hatten bei Diskussionen über Änderungen des Lissabon Vertrages über EU Reformen damals entsprechende Privilegien erhalten.

Es ist auch sehr aufschlussreich, dass zur gleichen Zeit als Junckers Plan vorgestellt wurde, Abgeordnete des Europäischen Parlaments ihre eigene Resolution ohne Gesetzescharakter [3] durchgebracht haben, worin sie Bedenken äußern, dass die grundlegenden Rechte von Flüchtlingen, die um Asyl in der EU bitten, in einem Flüchtling-Aufnahmezentrum verletzt werden könnten durch eine Entscheidung über ihre Abschiebung, sowie Bedenken über die Verwendung von Stacheldraht und anderen Abschreckungsmitteln.

Daten legen nahe, dass so eine Kopplung von einem juristischen Dokument und Junkers Fahrplan kein Zufall ist. Ich beziehe mich auf die Umsetzung eines einzelnen Plans von der Europäischen Kommission und von EU-Abgeordneten, um die Behebung von Flüchtlings- und Migranten Problemen so bequem wie möglich für sie selbst zu machen. Jene, die aus Afrika, dem Nahen und Mittleren Osten und anderen Regionen anreisen, werden voraussichtlich in drei Kategorien aufgeteilt werden. Mitglieder der ersten (privilegierten) Kategorie werden das Recht erhalten, sich in Deutschland, Österreich, den Niederlanden und anderen wichtigen EU-Ländern niederzulassen, mit der Absicht, vor allen anderen, die Belegschaften mit billigen Arbeitskräften zu verbessern.

Mitglieder der zweiten Flüchtlings- und Migranten Kategorie können erwarten, in europäische Aufnahmezentren gesendet zu werden, von wo einige von ihnen, nach geeigneter Kontrolle und Registrierung, in zweitrangige Länder der EU-Hierarchie wie Slowakei, Tschechien oder Polen umsiedeln dürfen. Und schließlich setzt sich die dritte Kategorie aus jenen zusammen, die aus einer Vielzahl von Gründen, von den Architekten eines „Vereinigten Europas“ nicht erwünscht sind, einschließlich aktiver und potenzieller Terroristen und Verbrecher. Sie werden jenseits der EU-Grenzen gesendet, und zwar nach Serbien und in andere Länder, die sich am Außenrand der EU befinden (sowie in die Ukraine). Folglich werden Belgrad, Kiew und auch andere Hauptstädte in der Region die Sorge um ihre Zukunft tragen.

Es ist klar, dass bei der Umsetzung des oben genannten Programms die Vertreter der Europäischen Kommission und die Führer der großen EU-Länder sich auf universelle menschliche Werte beziehen werden, die Aufgabe der Bekämpfung von Terroristen des islamischen Staates, ihre Verantwortung für das Schicksal der Welt und so weiter. Unterm Strich jedoch wird das gleiche geopolitische Schachbrett herrschen und die Bauern werden nicht nur die Flüchtlinge und Migranten selbst sein, sondern die nationalen Regierungen von Mittel-und Osteuropa, ganz zu schweigen von den Kandidaten für die EU-Mitgliedschaft. Auf jeden Fall wird ihnen die Verliererrolle zugewiesen werden.

Übersetzung
Horst Frohlich
Quelle
Strategic Culture Foundation (Russland)

[1Crossings of Mediterranean Sea exceed 300,000, including 200,000 to Greece”. The UN Refugee Agency, Melissa Fleming, UNHCR, August 28, 2015.

[2E.U. Nations Urged to Accept 160,000 Migrants”, James Kanter, The New York Times, September 9, 2015

[3Fundamental rights: MEPs highlight effects of deterring migrants and austerity”, European Parliament News, September 8, 2015