Dieser Artikel ist ein Auszug aus dem Buch Sous nos yeux.
Siehe hier die Inhaltsangabe.

Der Saudi-Araber Osama bin Laden und sein persönlicher Arzt, der Ägypter Aiman al-Zawahiri, publizieren 1998 „Die internationale islamische Front für den Dschihad gegen Juden und Kreuzfahrer“. Dieser Text wird über ihr Büro in Londonistan, das Advice and Reformation Committee, verbreitet. Al-Zawahiri organisierte die Ermordung von Präsident Sadat, dann arbeitete er für die sudanesischen Geheimdienste von Hasan al-Turabi und Omar al-Baschir. Jetzt leitet er al-Qaida.

5 – Die Übernahme der Islamisten durch das Pentagon

Zu Beginn der 1990er Jahre beschließt das Pentagon, die Islamisten, die bis dahin nur der CIA unterstellt waren, in seinen Betrieb einzugliedern. Dies ist – mit Bezugnahme auf die Nato-Geheimdienste in Europa (Gladio A [1]) – das Unternehmen Gladio B.

Ein Jahrzehnt lang reisen alle islamistischen Führungskräfte – darunter Osama bin Laden und Aiman al-Zawahiri – an Bord der Flugzeuge der US Air Force. Großbritannien, die Türkei und Aserbaidschan beteiligen sich an dem Unternehmen [2]. Dadurch werden die Islamisten, die bis dahin Schattenkämpfer waren, „öffentlich“ in die Nato-Streitkräfte integriert.

Saudi-Arabien – gleichzeitig ein Staat und Privateigentum des Hauses Saud – wird offiziell das mit der Verwaltung des weltweiten Islamismus beauftragte Unternehmen. 1992 verkündet der König ein Grundgesetz, das besagt: „Der Staat schützt das Islamische Recht und wendet die Scharia an. Er ermuntert zum Guten und bekämpft das Schlechte. Er erfüllt die Pflichten des Islam (…) Die Verteidigung des Islamismus, der Gesellschaft und des moslemischen Vaterlandes sind die Pflicht eines jeden Subjekts des Königs.“

1993 stellt Charles, Prinz von Wales, das Oxford Centre for Islamic Studies unter seine Schirmherrschaft, während der Chef des saudischen Geheimdienstes, Prinz Turki, dessen Leitung übernimmt.

London wird offen zum Zentrum des Gladio B bis zu einem Grad, wo von „Londonistan“ gesprochen wird [3]. Unter dem Schirm der Islamischen Weltliga gründen die arabischen Muslimbrüder und die pakistanische Jamaat-e-Islami Massen an kulturellen und kultischen Vereinigungen rings um die Moschee von Finsbury Park. Dieses System macht es möglich, zahlreiche Selbstmordattentäter zu rekrutieren, angefangen von jenen, die die russische Schule in Beslan angreifen, bis zu Richard Reid, dem „Shoe Bomber“. Zu Londonistan gehören vor allem zahlreiche Medien, Verlage, Zeitschriften (al-Hayat und Asharq al-Awsat – beide von Kindern des derzeitigen Königs Salman von Arabien geführt) und Fernsehsender (die Gruppe MBC von Prinz Walid bin Talal sendet auf etwa zwanzig Kanälen), die nicht für die muslimische Diaspora Großbritanniens bestimmt sind, sondern in die arabische Welt ausstrahlen; das Übereinkommen zwischen den Islamisten und Saudi-Arabien ist auf Großbritannien ausgedehnt worden – totaler Handlungsfreiraum, aber Verbot der Einmischung in die Innenpolitik. Dieser Apparat beschäftigt mehrere Tausend Menschen und arbeitet mit gigantischen Geldsummen. Vor Ort bleibt er öffentlich bis zu den Attentaten des 11. September 2001, als es für die Briten unmöglich wird, ihn weiterhin zu rechtfertigen.

Abu Musab „der Syrer“ (hier mit Osama bin Laden) fasste die „Strategie der Spannung“ in islamischer Terminologie. Offen baute er eine Agentur in Madrid und London auf, um die Anschläge in Europa zu überwachen.

Abu Musab „der Syrer“ – ein Überlebender des missglückten Putsches von Hama, dann Verbindungsmann zwischen Bin Laden und der algerischen Groupe Islamique Armé (GIA) – untermauert den „dezentralen Dschihad“ theoretisch [4]. In seinem Buch The Call for a Global Islamic Resistance stellt er in islamischer Terminologie die Doktrin auf, die aus der „Strategie der Spannung“ wohl bekannt ist. Es geht darum, die Machthaber zu provozieren, damit sie zu harten Repressalien greifen, die das Volk dazu bringen werden, sich gegen sie zu erheben. Diese Theorie ist schon von den Gladio-Netzwerken der CIA/Nato benutzt worden, als sie die europäische extreme Linke in den 1970er bis 80er Jahren manipulierten (Baader-Meinhof-Bande, Rote Brigaden, Action directe). Natürlich war ein Erfolg dieser Strategie ausgeschlossen, CIA und Nato wussten, dass sie keine Chance hatte zu siegen – sie war nie siegreich, nirgendwo –, aber sie sollte die repressive Gegenreaktion des Staates nutzen, um die eigenen Leute an die Macht zu bringen. „Der Syrer“ bestimmt Europa – und keineswegs die Vereinigten Staaten – zum nächsten Kampfplatz der Islamisten. Nach den Attentaten von 1995 flüchtet er aus Frankreich. Zwei Jahre später gründet er in Madrid und in Londonistan das Islamic Conflict Studies Bureau nach dem Modell von Aginter Press, die die CIA in den 1960er bis 70er Jahren in Lissabon aufgebaut hatte. Beide Strukturen sind excellent in der Organisation von Attentaten unter falscher Flagge (von dem der extremen Linken zugeschriebenen auf der Piazza Fontana 1969 bis zu den 2005 den Moslems in London zugeschriebenen).

Der Kommunikationsberater der Muslimbruderschaft, Mahmud Dschibril el-Warfally, trainiert moslemische Diktatoren in demokratischer Redeweise. Er reorganisiert Al-Jazeera, wird während der Regierung Gaddafi verantwortlich für die Ansiedlung von US-Unternehmen in Libyen und leitet schließlich den Umsturz desselben Gaddafi.

Gleichzeitig arbeiten die Muslimbrüder ein umfangreiches Ausbildungsprogramm für die US-freundlichen arabischen Führungskräfte aus. Der Libyer Mahmud Dschibril el-Warfally, Professor an der Universität von Pittsburg, lehrt sie, „politisch korrekt“ zu sprechen. So unterrichtet er die Emire und die Generäle aus Saudi-Arabien, Bahrein, Ägypten, den Emiraten, Jordanien, Kuwait, Marokko und Tunesien (aber auch Singapur). Durch die Kombination von Leitsätzen der Öffentlichkeitsarbeit mit dem Studium der Weltbankberichte sind die schlimmsten Diktatoren ab jetzt in der Lage, sich ohne zu lachen über ihre demokratischen Wertvorstellungen und ihren tiefen Respekt für die Menschenrechte auszulassen.

Der Krieg gegen Algerien greift auf Frankreich über. Jacques Chirac und sein Innenminister Charles Pasqua setzen die Unterstützung von Paris für die Muslimbruderschaft aus und lassen sogar die Bücher von Yusuf al-Qaradâwî (dem Prediger der Bruderschaft) verbieten. Für sie geht es darum, die Anwesenheit Frankreichs im Maghreb aufrechtzuerhalten, die die Briten von der Karte radieren möchten. Die bewaffnete islamische Gruppe (GIA) nimmt die Passagiere des Flugs Air France Algier–Paris als Geiseln (1994), lässt Bomben in der Metro und in einem Pariser Zug explodieren (1995) und plant ein gigantisches Attentat – das durchkreuzt werden wird – beim Fußball-Weltcup (1998) einschließlich Flugzeugabsturz auf ein Kernkraftwerk. Jedes Mal finden die Tatverdächtigen, denen die Flucht gelingt, Asyl in Londonistan.

Parademarsch der „Arabischen Legion“ von Osama bin Laden für Präsident Alija Izetbegović in Bosnien-Herzegowina.

Der Krieg in Bosnien-Herzegowina beginnt 1992 [5]. Auf Anweisung von Washington schicken die pakistanischen Geheimdienste (ISI), die finanziell noch immer von Saudi-Arabien unterstützt werden, 90.000 Männer, um dort gegen die (von Moskau unterstützten) Serben teilzunehmen. Osama bin Laden erhält einen bosnischen Diplomatenpass und wird Militärberater von Präsident Alija Izetbegović (dessen diplomatischer Berater der US-Amerikaner Richard Perle und dessen Presseberater der Franzose Bernard-Henri Lévy ist). Er baut mit ehemaligen Kämpfern aus Afghanistan die Arabische Legion auf und verteilt die Finanzmittel der Islamischen Weltliga. Aus unwillkürlichem Gemeinschaftssinn oder aus Konkurrenz zu Saudi-Arabien kommt die Islamische Republik Iran gleichfalls den Moslems in Bosnien zu Hilfe. In gutem Einvernehmen mit dem Pentagon schickt sie einige Hundert Revolutionswächter und eine Einheit der libanesischen Hisbollah. Vor allem liefert sie den wesentlichen Teil der von der bosnischen Armee benutzten Waffen.

Die russischen Geheimdienste, die in das Lager von Bin Laden eindringen, stellen fest, dass die gesamte Bürokratie der Arabischen Legion auf Englisch verfasst ist und dass die Legion ihre Befehle direkt von der Nato bekommt. Nach dem Krieg wird ein internationales Sondertribunal geschaffen. Es belangt zahlreiche Kämpfer wegen Kriegsverbrechen, aber kein einziges Mitglied der Arabischen Legion.

Der Ägypter Muhammad al-Zawahiri beteiligte sich an der Seite seines Bruders Aiman (gegenwärtig Chef von al-Qaida) an der Ermordung von Präsident Sadat. Er nahm auch an der Seite der Nato an den Kriegen in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo teil und kommandierte eine Einheit der UÇK (Befreiungsarmee des Kosovo).

Nach drei Jahren Ruhe beginnt der Krieg zwischen Moslems und Orthodoxen in Ex-Jugoslawien von Neuem, diesmal im Kosovo. Die Befreiungsarmee des Kosovo (UÇK) wird aus mafiosen Gruppen gebildet, die durch deutsche Spezialkräfte (KSK) auf dem türkischen Stützpunkt Incirlik geschult werden. Die Albaner und die moslemischen Jugoslawen haben eine Naqschbandi-Kultur. Der künftige Chef der türkischen Geheimdienste Hakan Fidan ist der Verbindungsoffizier zwischen der Nato und der Türkei. Die Ehemaligen der Arabischen Legion treten in die UÇK ein, von der eine Brigade von einem der Brüder Aiman al-Zawahiris kommandiert wird. Sie zerstört systematisch die Kirchen und orthodoxen Klöster und jagt die Christen.

An die Tradition der politischen Morde anknüpfend versucht Osama bin Laden 1995, den ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak zu beseitigen. Im folgenden Jahr geht er bei dem libyschen Leader Muammar Gaddafi noch einmal so vor. Dieses zweite Attentat wird in Höhe von 100.000 Pfund von den britischen Geheimdiensten finanziert, die die libysche Unterstützung für den irischen Widerstand sanktionieren wollen [6]. Allerdings scheitert das Unternehmen. Mehrere libysche Offiziere flüchten ins Vereinigte Königreich. Unter ihnen ist Ramadan Abidi, dessen Sohn Jahre später – nach wie vor von den britischen Geheimdiensten – beauftragt wird, einen Anschlag in Manchester auszuführen. Libyen übergibt Beweise an Interpol und erlässt den ersten internationalen Haftbefehl gegen Osama bin Laden persönlich, der noch immer ein Public-Relations-Büro in Londonistan unterhält.

1998 wird die Arabische Kommission für Menschenrechte in Paris gegründet. Sie wird vom NED finanziert. Ihr Vorsitzender ist der Tunesier Moncef Marzouki und ihr Sprecher der Syrier Haytham Manna. Ihr Ziel ist die Verteidigung der Muslimbrüder, die in verschiedenen arabischen Ländern wegen terroristischer Aktivitäten inhaftiert sind. Marzouki ist ein linksgerichteter Mediziner, der seit langem mit ihnen zusammenarbeitet. Manna ist Schriftsteller und verwaltet die Anlagen von Hasan al-Turabi und den sudanesischen Muslimbrüdern in Europa. Als Manna sich zurückzieht, bleibt seine Lebenspartnerin Vorsitzende der Vereinigung. Manna wird durch den Algerier Rachid Mesli ersetzt, der sein Anwalt ist, übrigens auch der von Abassi Madani und den algerischen Muslimbrüdern.

Recep Tayyip Erdoğan (rechts), der geistige Sohn des türkischen Islamisten Necmettin Erbakan (Mitte), leitete dessen geheime Aktionsgruppe, die Millî Görüş. Er organisierte die Beschaffung von Waffen für Tschetschenien und beherbergte in Istanbul die wichtigsten antirussischen Emire.

1999 (das heißt nach dem Kosovo-Krieg und der Machtübernahme der Islamisten in Grosny) begründet Zbigniew Brzezinski mit einer Kohorte von Neokonservativen das American Committee for Peace in Chechnya (Amerikanisches Komitee für den Frieden in Tschetschenien). War der erste Tschetschenien-Krieg eine innere Angelegenheit Russlands, in die sich einige Islamisten eingebracht hatten, so ist der zweite auf die Errichtung des islamischen Emirats von Itschkerien angelegt. Brzezinski, der diese Unternehmen seit mehreren Jahren vorbereitet hat, versucht das afghanische Experiment zu wiederholen. Die tschetschenischen Dschihadisten wie Schamil Bassajew sind nicht im Sudan von Bin Laden, sondern in Afghanistan von den Taliban ausgebildet worden. Während des gesamten Krieges profitieren sie von der „humanitären“ Hilfe der türkischen Millî Görüş von Necmettin Erbakan und Recep Tayyip Erdoğan und der „IHH – Menschenrechte und Freiheiten“. Dieser türkische Verein ist in Deutschland unter dem Namen Internationale Humanitäre Hilfe (IHH) gegründet worden. In der Folgezeit organisieren diese Dschihadisten mehrere Großeinsätze: insbesondere gegen das Moskauer Theater (2002, 170 Tote, 700 Verletzte), gegen eine Schule in Beslan (2004, 385 Tote, 783 Verwundete) und gegen die Stadt Naltschik (2005, 128 Tote und 115 Verwundete). Nach dem Massaker von Beslan und dem Tod des Dschihadisten-Anführers Schamil Bassajew veranstalten die Millî Görüş und die IHH in der Fatih-Moschee in Istanbul eine große Begräbnisfeier ohne die Leiche, aber mit Zehntausenden von Militanten.

Die als „antiamerikanischer“ Anschlag dargestellte Zerstörung der Botschaft der Vereinigten Staaten in Daressalam (Tansania) am 7. August 1998 hat 85 Verletzte und elf Tote zur Folge ... aber kein einziges US-amerikanisches Opfer.

In diesem Zeitraum werden drei gewichtige Attentate al-Qaida zugeschrieben. Allerdings stellen sie, so wichtig sie auch sein mögen, eine Erniedrigung für die Islamisten dar, die in die Nato integriert sind und sich gleichzeitig auf das Niveau von „antiamerikanischen“ Terroristen herabgesetzt sehen.
 1996 bringt ein mit einer Sprengladung versehener Lastwagen einen achtstöckigen Turm in Khobar in Saudi-Arabien zum Einsturz, wodurch 19 US-Soldaten getötet werden. Nachdem die Verantwortung für das Attentat zunächst al-Qaida, dann dem Iran zugeschoben wurde, wird sie schließlich niemandem angelastet.
 1998 explodieren zwei Bomben vor den US-Botschaften in Nairobi (Kenia) und Daressalam (Tansania), töten 298 Afrikaner – aber keinen US-Staatsbürger – und verwunden mehr als 4.500 Menschen. Zu diesen Attentaten bekennt sich eine mysteriöse islamische Befreiungsarmee der heiligen Orte. Den US-Behörden zufolge sollen sie von Mitgliedern des ägyptischen Islamischen Dschihad als Vergeltung für die Ausweisung von vier ihrer Mitglieder begangen worden sein. Trotzdem beschuldigen dieselben Behörden Osama bin Laden, der Auftraggeber zu sein, und das FBI stellt – endlich – einen internationalen Haftbefehl gegen ihn aus.
 Im Jahr 2000 kommt das Boot eines Selbstmordattentäters am Rumpf des Zerstörers USS Cole im Hafen von Aden (Jemen) zur Explosion. Das Attentat wird al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) zugeschrieben, aber ein US-amerikanisches Gericht wird den Sudan dafür verantwortlich machen.

Diese Anschläge finden statt, während die Zusammenarbeit zwischen Washington und den Islamisten andauert. So hat Osama bin Laden sein Büro in Londonistan bis 1999 beibehalten. Das im Stadtteil Wembley ansässige Advice and Reformation Committee (ARC) hat gleichzeitig die Verbreitung von Erklärungen Bin Ladens und die Verschleierung logistischer Aktivitäten von al-Qaida inklusive Rekrutierung, Bezahlung und Erwerb von Ausrüstung zum Zweck. Unter seinen Mitarbeitern in London findet man den Saudi-Araber Khalid al-Fawwaz und die Ägypter Adel Abdel Bari und Ibrahim Eidarous, drei Männer, gegen die internationale Haftbefehle vorliegen, die aber dennoch politisches Asyl in Großbritannien erhalten haben. Ganz legal wird in London das Büro von Bin Laden im Februar 1998 seinen berühmten Aufruf für den Dschihad gegen die Juden und die Kreuzfahrer veröffentlichen. Schwer nierenkrank wird Bin Laden im August 2001 ins amerikanische Krankenhaus von Dubai eingeliefert. Ein Staatschef vom Golf hat mir bestätigt, dass er ihn in seinem Zimmer besucht habe, wo seine Sicherheit durch die CIA gewährleistet wurde.

6 – Die Fusion der zwei „Gladio“ und die Aufstellung von Daesch

Mit derselben Logik macht die Regierung Bush die Islamisten für die gigantischen Anschläge des 11. September in den Vereinigten Staaten verantwortlich. Die offizielle Version setzt sich durch, obwohl sie unzählige Unstimmigkeiten aufweist. Der Justizminister versichert, dass die Flugzeuge von Islamisten umgeleitet wurden, obwohl den Fluggesellschaften zufolge keiner der Verdächtigten sich an Bord befunden hat. Das Verteidigungsministerium wird ein Video veröffentlichen, in dem Bin Laden die Anschläge für sich in Anspruch nimmt, auch wenn er sie selbst öffentlich zurückgewiesen hatte und die Experten für Gesichts- und Spracherkennung versichern, dass der Mann in dem Video nicht Bin Laden ist. Wie dem auch sei, diese Ereignisse dienen Washington und London als Vorwand, um den „Krieg ohne Ende“ gegen den Terrorismus zu beginnen und ihre ehemaligen Verbündeten, die Taliban in Afghanistan und den Irak Saddam Husseins, anzugreifen.

Am 11. September 2001 war Osama bin Laden nicht imstande, auch nur das kleinste terroristische Unternehmen zu leiten. Er lag als Dialysepatient im Militärhospital von Rawalpindi (Pakistan) im Sterben.

Obgleich Osama bin Laden an chronischer Niereninsuffizienz litt, stirbt er am 15. Dezember 2001 an den Folgen eines Marfan-Syndroms. Ein Vertreter des MI6 nimmt an seiner Beerdigung in Afghanistan teil. Danach werden mehrere Doppelgänger, die ihm mehr oder minder ähnlich sehen, seine Legende am Leben erhalten. Einer von ihnen wird dem pakistanischen Ministerpräsidenten Benazir Bhutto zufolge 2005 durch Omar Sheikh umgebracht.

Im August 2002 organisiert der MI6 in London eine Konferenz der Muslimbruderschaft mit dem Titel „Syrien für alle“. Die Redner entwickeln dort die Vorstellung, dass Syrien durch die Sekte der Alawiten unterdrückt wäre und allein die Muslimbrüder echte Freiheit bieten würden.

Nach Sayyid Qutb und Abu Musab dem Syrer legen die Islamisten sich einen neuen Strategen zu, Abu Bakr Naji. 2004 veröffentlicht diese Gestalt, die anscheinend nie existiert hat, ein Werk im Internet, The Management of Savagery [7] [dt. Die Verwaltung der Barbarei], eine Theorie des Chaos. Obwohl einige Autoren den Stil eines ägyptischen Autoren zu erkennen glaubten, scheint das Werk auf Englisch geschrieben, dann mit überflüssigen Koranzitaten versehen und ins Arabische übersetzt worden zu sein. Die im Titel genannte „Barbarei“ bezeichnet nicht den Rückgriff auf Terror, sondern die Rückkehr zum Naturstaat vor der Schaffung der Zivilisation. Die Menschheit soll auf die Zeit zurückgeworfen werden, als „der Mensch dem Mensch ein Wolf“ war. Die Strategie des Chaos umfasst drei Phasen:

 Erstens den Staat durch Angriffe auf seine am wenigsten geschützten Flanken zu demoralisieren und aufzureiben. Dafür werden folglich die zweitrangigen Ziele ausgewählt, die oft unerheblich, aber leicht zu zerstören und zu zersplittern sind. Die Absicht ist, den Eindruck eines allgemeinen Aufstands, einer Revolution zu vermitteln.
 Zweitens, wenn der Staat sich vom Land und aus den Vororten zurückgezogen hat, bestimmte Zonen zu erobern und sie zu verwalten. Beim Übergang zu einer neuen Staatsform wird man sich auf die Scharia stützen. In dieser Periode werden Verbindungen zu all denen geknüpft, die sich der Staatsmacht entgegenstellen, sie werden mit Waffen versorgt. Dann wird ein Stellungskrieg geführt.
 Drittens den Islamischen Staat auszurufen.

Diese Abhandlung geht von der zeitgenössischen Militärwissenschaft aus. Sie gibt psychologischen Operationen, besonders dem Einsatz von spektakulär zur Schau gestellter Gewalt, breiten Raum. In der Praxis hat diese Strategie nichts mit einer Revolution zu tun, sondern mit der Eroberung eines Landes durch Kräfte von außen, denn sie schlägt eine massive Umzingelung vor. Wie stets in der subversiven Literatur ist das Interessanteste das, was nicht gesagt oder nur beiläufig erwähnt wird:

 Zur Vorbereitung der Bevölkerung auf den Empfang der Dschihadisten muss zunächst der Aufbau eines Netzwerks von Moscheen und sozialen Einrichtungen erfolgen, wie in Algerien vor dem „Bürgerkrieg“ geschehen.
 Für die ersten Kampfeinsätze werden Waffen benötigt, die im Voraus eingeführt werden müssen. Vor allem werden die Dschihadisten in der Folgezeit keine Hilfsmittel haben, um sich mit Waffen und noch weniger mit Munition zu versorgen. Sie müssen daher von außen unterstützt werden.
 Die Verwaltung der eroberten Gebiete setzt voraus, dass hohe Beamte verfügbar sind, die zuvor ausgebildet wurden wie diejenigen in den regulären Streitkräften, die den Auftrag haben, „Staaten zu rekonstruieren“.
 Schließlich setzt der Stellungskrieg den Aufbau einer sehr ausgedehnten Infrastruktur voraus, die große Mengen an Material, Ingenieuren und Architekten erfordert.

Die Tatsache, dass die Dschihadisten sich auf dieses Werk beziehen, beweist de facto ihre Absicht, weiterhin eine militärische Rolle zugunsten externer Mächte zu übernehmen, diesmal allerdings in großem Maßstab.

2006 fordern die Briten den Emir Hamad von Katar auf, seinen panarabischen Fernsehsender Al-Jazeera in den Dienst der Muslimbruderschaft zu stellen [8]. Der Libyer Mahmud Dschibril, der die königliche Familie in demokratischer Ausdrucksweise unterrichtet hat, wird beauftragt, seine Mitbrüder Schritt für Schritt beim Sender einzuführen und Programme in ausländischen Sprachen (Englisch, später Bosnisch und Türkisch) wie auch einen Kinderkanal zu schaffen. Der Prediger Yusuf al-Qaradâwî wird „religiöser Berater“ von Al-Jazeera. Natürlich wird der Sender die Audio- und Videoaufnahmen des „Osama bin Laden“ ausstrahlen und sie für echt erklären.

Im selben Zeitraum müssen die US-Truppen im Irak einen Aufstand bewältigen, der um sich greift. Nachdem die Iraker durch die Abruptheit und Heftigkeit der Invasion zunächst niedergeschlagen waren (technisch ausgedrückt „durch Schock und Stupor“), organisieren sie ihren Widerstand. Der US-Botschafter in Bagdad, später Direktor aller nationalen Nachrichtendienste, John Negroponte schlägt vor, sie durch Spaltung und Aufhetzung gegeneinander zu besiegen, also den Widerstand gegen die Besetzung in einen Bürgerkrieg umzuwandeln. Als Experte für geheime Einsätze hat er insbesondere an der Operation Phoenix in Vietnam teilgenommen, dann den Bürgerkrieg in El Salvador und das Iran-Contra-Unternehmen in Nicaragua organisiert und den Zusammenbruch der Rebellion im mexikanischen Chiapras gelenkt. Negroponte ruft Colonel James Steele zu sich, einen der Männer, auf die er sich in El Salvador gestützt hat. Er überträgt ihm die Aufgabe, schiitische irakische Milizen gegen die Sunniten und sunnitische gegen die Schiiten aufzustellen. Hinsichtlich der sunnitischen Miliz greift Steele auf die Islamisten zurück. Von al-Qaida im Irak aus bewaffnet er ein Stammesbündnis, den Islamischen Staat im Irak (in Zukunft Daesch), unter Deckung durch die Sonderpolizei („Brigade der Wölfe“). Um die Opfer und ihre Familien zu erschrecken, schult er das Emirat in der Folter nach den Methoden der School of America und der Political Warfare Cadres Academy von Taiwan, wo er gelehrt hat.

Innerhalb weniger Monate bricht ein neuer Schrecken über die Iraker herein und spaltet sie entsprechend ihrer religiösen Zugehörigkeit. Als in der Folgezeit General David Petraeus das Kommando der US-amerikanischen Truppen im Land übernimmt, bestimmt er Colonel James H. Coffman zur Zusammenarbeit mit Steele und Berichterstattung über den Einsatz an ihn, während Brett H. McGurk unmittelbar dem Präsidenten gegenüber Rechenschaft ablegt. Die wichtigsten Anführer des Islamischen Emirats werden im Internierungslager von Bucca rekrutiert, aber im Gefängnis von Abu Ghraib mit den „Gehirnwäsche“-Methoden der Professoren Albert D. Biderman und Martin Seligman konditioniert [9]. Das alles wird von Washington aus durch Verteidigungsminister Donald Rumsfeld überwacht, dem Steele direkt unterstellt ist.

2007 informiert Washington die Bruderschaft darüber, dass es die weltlichen, nicht konfessionell gebundenen Regierungen des erweiterten Nahen Ostens inklusive verbündeter Staaten stürzen werde und sie sich darauf einstellen solle, die Macht zu übernehmen. Die CIA richtet Bündnisse zwischen den Muslimbrüdern und Prominenten oder laizistischen Parteien aus allen Staaten der Region ein. Gleichzeitig vernetzt sie die beiden Zweige des „Gladio“, indem sie Verbindungen zwischen den westlichen Nazigruppen und den östlichen islamistischen Gruppen knüpft.

Manchmal sind diese Bündnissse wackelig, zum Beispiel gelingt es den Muslimbrüdern bei der „Nationalen Konferenz der libyschen Opposition“ in London nur, die in Libyen kämpfende islamistische Gruppe (al-Qaida in Libyen) und die wahhabitische Senussi-Bruderschaft an sich zu binden. Die programmatische Plattform sieht vor, die Monarchie wieder einzuführen und den Islam zur Staatsreligion zu machen. Überzeugender ist die Bildung der Nationalen Heilsfront in Berlin, die den Zusammenschluss der Muslimbrüder mit dem ehemaligen syrischen Vizepräsidenten Abd al-Halim Chaddam offiziell bestätigt.

Dmytro Jarosch auf dem Kongress der antiimperialistischen Front von Ternopol (2007). Er wird die Schnittstelle zwischen den Nazis des Gladio A und den Islamisten des Gladio B realisieren, dann nach der „Farbrevolution“ des EuroMaidan (2014) stellvertretender Sekretär des nationalen Sicherheitsrates der Ukraine werden.

Am 8. Mai 2007 gründen in Ternopil (Ostukraine) nazistische und islamistische Gruppierungen eine antiimperialistische Front, um gegen Russland zu kämpfen. Organisationen aus Litauen, Polen, der Ukraine und Russland nehmen daran teil, darunter auch islamistische Separatisten von der Krim, aus Adygeja, aus Dagestan, Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Karatschai-Tscherkessien, Ossetien und Tschetschenien. Doku Umarow – der die Republik Tschetschenien aufgehoben hatte und das Islamische Emirat Itschkerien ausrief – kann aufgrund internationaler Sanktionen, die gegen ihn verhängt wurden, nicht kommen und lässt seinen Beitrag dort vorlesen. Vorsitzender der Front ist Dmytro Jarosch, der beim Kiewer Staatsstreich im Februar 2014 stellvertretender Sekretär des Nationalen Sicherheitsrats der Ukraine werden wird.

Im Libanon belagern im Mai/Juni 2007 die nationalen Streitkräfte das Palästinenser-Lager Nahr al-Bared, nachdem sich dort Mitglieder der Fatah al-Islam verschanzt haben. Die Kämpfe dauern 32 Tage und kosten 76 Soldaten das Leben, etwa dreißig von ihnen wurden enthauptet.

Der türkisch-irische El Mehdi El Hamid El Hamdi, genannt „Mahdi Al-Harati”, ein bei der Freiheitsflottille anwesender CIA-Agent, umarmt Präsident Erdogan, als der ihn im Krankenhaus besucht. Er wird später zur Nummer zwei der Freien Syrischen Armee.

2010 organisiert die Bruderschaft über die IHH die Freiheitsflottille. Offiziell geht es darum, dem israelischen Embargo zu trotzen und den Gaza-Anwohnern humanitäre Hilfe zu bringen [10]. In Wahrheit wechselt das Hauptschiff dieser Flotte während der Überfahrt die Flagge und fährt unter türkischen Farben weiter. Unter die gewaltlosen Aktivisten, die an der Expedition teilnehmen, mischen sich zahlreiche Spione, darunter Mahdi al-Harati, ein irischer CIA-Agent. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu läuft in die Falle, die ihm die Vereinigten Staaten gestellt haben, und lässt die Schiffe in internationalen Gewässern stürmen, was zehn Toten und 54 Verwundete zur Folge hat. Weltweit wird dieser Akt von Seeräuberei unter den spöttischen Blicken des Weißen Hauses verurteilt. Israel, das seine Waffen an die Dschihadisten in Afghanistan geliefert und die Gründung der Hamas gegen die PLO von Jassir Arafat unterstützt hatte, wendete sich 2008 gegen die Islamisten und bombardierte sie ebenso wie die Bevölkerung des Gaza-Streifens. Auf diese Weise zahlt nun Netanjahu für die Operation „Gegossenes Blei“, die er mit Saudi-Arabien gegen den Rat des Weißen Hauses durchgeführt hatte. Die Passagiere der Flottille werden schließlich von Israel freigelassen. Die türkische Presse zeigt dann Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan beim Besuch von Mahdi al-Harati im Krankenhaus.

(Fortsetzung folgt …)

Übersetzung
Sabine

Dieses Buch ist in gedruckter Form in Englisch, Französisch, Italienisch, Russisch und Spanisch erhältlich. Es ist auch elektronisch in türkischer Sprache verfügbar.

[1NATO’s secret armies: operation Gladio and terrorism in Western Europe, Daniele Ganser, Foreword by Dr. John Prados, Frank Cass/Routledge (2005).

[2Classified Woman: The Sibel Edmonds Story : A Memoir, Sibel Edmonds (2012).

[3Londonistan, Melanie Phillips, Encounter Books (2006).

[4Architect of Global Jihad : The Life of Al Qaeda Strategist Abu Mus’ab Al-Suri, Brynjar Lia, Columbia University Press, 2009.

[5Wie der Dschihad nach Europa kam, Jürgen Elsässer, NP Verlag (2005); Intelligence and the war in Bosnia 1992-1995: The role of the intelligence and security services, Nederlands Instituut voor Oologsdocumentatie (2010). Al-Qaida’s Jihad in Europe: The Afghan-Bosnian Network, Evan Kohlmann, Berg (2011).

[7The Management of Savagery: The Most Critical Stage Through Which the Umma Will Pass, Abu Bakr Naji, Harvard University (2006).

[8Wadah Khanfar, Al-Dschasira und der Triumph der Fernsehpropaganda“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 26. September 2011.

[9Das Geheimnis von Guantánamo“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Оdnako (Russland) , Voltaire Netzwerk, 17. Oktober 2013.

[10« Flottille de la liberté : le détail que Netanyahu ignorait », par Thierry Meyssan, Réseau Voltaire, 6 juin 2010.