Die sunnitisch-schiitische Rivalität verstößt gegen die islamische Lehre der Einheit.

Seit Präsident Joe Bidens Machtantritt haben die Vereinigten Staaten versucht, Verhandlungen mit dem Iran aufzunehmen, um das geheime Abkommen wiederherzustellen, das sie unter Präsident Barack Obama am Rande der Iranischen Atomverhandlungen unterzeichnet haben.

Erinnern wir uns daran, dass die 5+1-Verhandlungen (die fünf Mitglieder des Sicherheitsrats + Deutschland) mit dem Iran 2013 in Wien begannen; dass sie schnell zu einer grundsätzlichen Einigung gelangten und dann unterbrochen wurden. Die Vereinigten Staaten und der Iran führten getrennte Beratungen durch, bevor sie an den Verhandlungstisch zurückkehrten und im Juli 2015 das vorab vereinbarte Sieben-Parteien-Abkommen unterzeichneten.

Im Westen wird das Abkommen als Ende der militärischen Atomforschung des Iran angesehen, aber in Wirklichkeit glaubten einige der Unterzeichner nie, dass die Islamische Republik Iran das Militärprogramm der Monarchie über die Fatwa von Ayatollah Ruhollah Khomeini hinaus fortgesetzt hatte, die die Waffe als nicht-islamisch verbot. Trotz wiederholter Anschuldigungen Israels und Dokumenten, die der Mossad in Teheran stehlen konnte, gibt es bis jetzt keinen Grund, die iranische Position zu bezweifeln. Teheran plante höchstens, einen Stoßwellen Generator zu bauen [1]. Teheran hat sein militärisches Atomprogramm 1988 abgebaut und nie wieder aufgenommen.

Daher scheint es, dass die zweijährigen Verhandlungen in Wien nicht dafür gedacht waren, eine nichtexistierende nukleare Bedrohung zu zerstreuen, sondern die geheimen bilateralen US-iranischen Verhandlungen zu gestalten.

Diese wurden auf US-Seite von drei Unterhändlern geführt, die inzwischen zu Säulen der Biden-Regierung geworden sind: William Burns (derzeitiger Direktor der CIA), Wendy Sherman (derzeitige stellvertretende Außenministerin) und Jake Sullivan (derzeitiger Nationaler Sicherheitsberater).

Wie in den Jahren 2013-15 verschleiern die Verhandlungen zur Wiederherstellung des 5+1-Abkommens andere Verhandlungen, diesmal jene zwischen Saudi-Arabien und dem Iran. In diesen Tagen haben diese nun zu einer grundsätzlichen Einigung geführt.
Es wird fälschlicherweise angenommen, dass die Opposition zwischen Sunniten und Schiiten schon immer existiert hat. Sie hat ihre Quelle im Konflikt um die politische Nachfolge von Mohammed, dem Gründer des Islam, der auch der Herrscher von Mekka und Medina war. Aber den gegenwärtigen religiösen und politischen Konflikt hat es nicht immer gegeben.

In der Neuzeit schwankten die Beziehungen zwischen Riad und Teheran. Saudi-Arabien unterstützte den Irak während seines Krieges gegen den Iran (1980-88), aber der Iran und Saudi-Arabien unterstützten zusammen Kuwait gegen den Irak (1990-91). Darüber hinaus entsandten beide Länder Truppen unter NATO-Befehl zur Unterstützung Bosnien und Herzegowinas (1992-95) gegen Jugoslawien.

Diese Episode wird oft vergessen. Die Islamische Republik hatte Revolutionsgarden entsandt, um bosnische Muslime zu unterstützen. Der libanesische schiitische Widerstand gegen Israel hatte gedacht, er müsse ihrem Beispiel folgen, und deshalb hatte die Hisbollah auch Kämpfer in einen Konflikt geschickt, der nichts mit ihrer Daseinsberechtigung zu tun hatte. Saudi-Arabien, das damals die Muslimbruderschaft schützte, hatte Osama bin Ladens Arabische Legion geschickt, um den Präsidenten und ehemaligen Nazi Alija Izetbegović zu unterstützen. Bin Laden wurde übrigens dessen Militärberater, neben seinem politischen Berater, dem Amerikaner Richard Perle, und seinem Medienberater, dem Franzosen Bernard-Henri Lévy. Im Nachhinein erscheint dieses Amalgam unnatürlich, aber damals war dieses Bündnis nicht so dumm, wie es heute scheint. Die Vereinigten Staaten hatten alle ihre Kräfte gegen das Jugoslawien des pro-russischen Slobodan Milošević versammelt.

Die Rivalität zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran entwickelte sich schnell in den frühen 2000er Jahren um den jemenitischen Konflikt herum, wobei der Iran die zaidistischen Gruppen innerhalb der Huthi-Partei unterstützte. Die Zaidisten sind Schiiten, aber von einer ganz besonderen Form, sehr geprägt von der indischen Kultur.

Viele Jahre verwalteten die Saudis die [beiden] Jemen (Nord und Süd) nach Stammeszugehörigkeiten. Während die USA in den Jahren 2013-15 das Atomabkommen und sein Geheimprotokoll mit dem Iran aushandelten, verhandelte Israel auch heimlich mit Saudi-Arabien. Die beiden Länder vereinbarten, gemeinsam das Öl des Jemen und des Ogaden (Horn von Afrika) auszubeuten [2]. Um dieses Abkommen zu ehren, zog Saudi-Arabien in den Krieg gegen Jemen, offiziell von den Vereinigten Arabischen Emiraten und inoffiziell von Israel unterstützt, das dort taktische Atombomben einsetzte.

Derzeit (2021-22) verhandeln die USA und der Iran über ein neues 5 + 1-Abkommen, während Israel und Saudi-Arabien sich auf die Formalisierung ihrer diplomatischen Beziehungen zubewegen. Gleichzeitig verhandeln der Iran und Saudi-Arabien auf der Ebene der Chefs ihrer Geheimdienste und ihrer Diplomaten. Es gilt, ihr Bündnis der frühen 90er Jahre in Bosnien und Herzegowina wiederherzustellen. Sie stehen kurz davor, dies zu erreichen, was die beiden anderen Verhandlungen wieder in Gang setzen wird.

Der Iran hat bereits angekündigt, sein Büro bei der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Dschidda wieder zu eröffnen. Die beiden Länder könnten ihr Bündnis rund um den politischen Islam besiegeln. Zumal die OIC die einzige zwischenstaatliche religiöse Organisation ist. Lassen Sie uns diesen Punkt betonen: Keine andere Religion hat eine zwischenstaatliche Organisation hervorgebracht. Dies ist eine Besonderheit des Islam, dessen Gründer, Mohammed, sowohl ein spiritueller Führer als auch ein politischer und militärischer Führer war.

Wenn diese Allianz zustande kommt, wird sie nicht mit gewöhnlichen Säkularen in Konflikt geraten, sondern mit säkularen Muslimen, die also die mohammedanische Religion von der Politik trennen. In erster Linie mit den Vereinigten Arabischen Emiraten, Syrien und Ägypten. Gleichzeitig wird dieses Bündnis den anderen Anhängern des politischen Islam, Katar und der Türkei, näherkommen. Es wird eine komplette Umkehrung des Schachbretts des Nahen Ostens werden.

Schon jetzt kann man die Besorgnis einiger Akteure beobachten. So vervielfacht Hassan Nasrallah, der Generalsekretär der libanesischen Hisbollah, verbale Angriffe gegen saudische Verbrechen im Jemen, aber nicht gegen seinen emiratischen Verbündeten. Nasrallah verteidigt jedoch eine säkulare Vision des Islam als Quelle seines Engagements. Er bezog in sein Widerstandsnetzwerk Kämpfer anderer Religionen ein, was unmöglich wäre, wenn er den politischen Islam verteidigen würde.

Allerdings bombardierten die jemenitischen Huthi die Vereinigten Arabischen Emirate mit Drohnen. Sie legten 1200 Kilometer in mehr als 4 Stunden Flug unter dem wachsamen Auge von US-amerikanischen und französischen Radaren und Satelliten zurück. Die VAE sind getroffen worden. Washington und Paris verurteilten den Angriff, aber sie taten nichts, als sie es konnten, um die Emirate zu warnen.

Offensichtlich war das Schweigen des Westens eine Warnung an Abu Dhabi, ein Aufruf, seine Politik der religiösen Toleranz aufzugeben und sich dem politischen Islam zuzuwenden. Die Emiratis haben wenig Illusionen über ihre angelsächsischen Verbündeten, die nie aufgehört haben, mit religiösen Konflikten zu spielen, um ihre Herrschaft auszuweiten, aber sie waren fassungslos, als sie sahen, wie die Franzosen dem Beispiel folgten. Die VAE appellierten 1995 an Präsident Jacques Chirac, weil sie sich auf eine säkulare Macht verließen, um ihre Sicherheit zu gewährleisten.

Die Emirate haben einen Vergeltungsangriff im Jemen durchgeführt, aber die Huthis drohen nun, den Bourj Khalifa Turm von Dubai (ein Gebäude mehr als 800 Meter hoch) und wirtschaftliche Interessen in Abu Dhabi anzugreifen.

Die Vereinigten Staaten werden ihre Haltung im Jemen ändern. Vorerst plädieren sie für eine politische Lösung des Konflikts. Zu Beginn von Bidens Amtszeit entfernten sie die Huthis von ihrer Terrorliste mit der Begründung, dass dies den NGOs helfen würde, humanitäre Hilfe zu verteilen. Sie haben auch nicht eingegriffen bei dem Bombenanschlag der Huthi auf die Emirate. Morgen werden sie den Jemen zwischen Wahhabiten (Saudi-Arabien) und Zaidisten (Huthis) aufteilen.

Diese westliche Neuordnung des Nahen Ostens widerspricht direkt der traditionellen russischen Vision, die auf der kulturellen Identität der Staaten und nicht nur auf ihrer Religion beruht. Moskau hat eine zweideutige Haltung gegenüber dem Iran. Auf der einen Seite integriert es ihn in seinen Verteidigungsapparat, auf der anderen Seite lässt es ihn gegenüber Israel allein. So wurde Präsident Ebrahim Raissi gerade von Präsident Wladimir Putin und in der Duma am 19. Januar empfangen. In Erwartung der Aufhebung des US-Embargos gelang es ihm, wichtige Abkommen über technische Hilfe bei der Ausbeutung seiner Kohlenwasserstoffe zu unterzeichnen. Er feierte den gemeinsamen Sieg in Syrien und seine Armee nimmt an den russisch-chinesischen Marinemanövern im Indischen Ozean ("Maritimer Sicherheitsgürtel 2022") teil. Aber gleichzeitig lassen die russischen Streitkräfte die Israelis ohne Hindernis iranische Stützpunkte in Syrien angreifen. In Wirklichkeit könnte der Iran im Falle einer Konfrontation zwischen den USA und Russland gut abschneiden, indem er sich der russisch-chinesischen Achse anschließt, und könnte zum fehlenden Glied der Seidenstraßen zwischen Indien und Russland werden. Er würde in sein Bankensystem (SPFS und nicht mehr SWIFT) integriert und könnte wieder zu einer Handelsmacht werden. In der Zwischenzeit spielt Teheran auf beiden Seiten.

Die Vereinigten Staaten und Russland haben sich vor einigen Monaten darauf geeinigt, wie der Nahe Osten aussehen sollte. Dabei ging es eher darum, Einflussbereiche zu definieren. So haben wir gerade erfahren, dass das ägyptische Gas, das bald in den Libanon geliefert werden sollte, tatsächlich israelischen Ursprungs wäre. Diese Information war jedoch von allen beteiligten Akteuren verschleiert worden, da sich Israel heute immer noch im Krieg mit dem Libanon und Syrien befindet. Darüber hinaus führt die arabische Pipeline durch Jordanien und Syrien. Nicht nur Russland, sondern auch die Vereinigten Staaten hatten dieses Abkommen gefördert. Das US-Gesetz verbietet jedoch jeglichen Handel mit Syrien unter Strafe des Zorns der Hölle.

Die saudisch-iranische Allianz würde den USA und Großbritannien ermöglichen, das dschihadistische System [3], das vorerst ausschließlich sunnitisch ist, auszuweiten. Man würde dann sehen, wie sich die Fanatiker aller Art gegen die Säkularen vereinen; eine Teilung, die die Briten während ihrer imperialen Zeit meisterten und die sich bewährt hatte.

Übersetzung
Horst Frohlich
Korrekturlesen : Werner Leuthäusser

[1"Shock Wave Generator for Iran’sNuclear Weapons Program:More than a Feasibility Study" By David Albright and Olli Heinonen, Fondation for the Defense of Democracies, May 7, 2019.

[2Exklusiv: Geheime Projekte von Israel und Saudi Arabien“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Voltaire Netzwerk, 22. Juni 2015.

[3Siehe: Die Weltgeschichte der Muslimbrüder in sechs Abschnitten, Thierry Meyssan, Voltaire Netzwerk.