Israels Generalstabschef, General Herzi Halevi, traf sich mit seinen Amtskollegen aus Saudi-Arabien, Ägypten, Bahrain, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Jordanien. In Übereinstimmung mit den mit ihnen unterzeichneten Vereinbarungen teilte er ihnen mit, dass Israel den Libanon am Samstagabend, dem 22. Juni, angreifen werde.

Die Enthüllung dieses geheimen Treffens verbreitete sich schnell im Internet. Verschiedene offizielle Quellen haben dies bestätigt. Nebenbei hat man erfahren, dass eine Vereinbarung zwischen Tel Aviv und Riad getroffen worden war. Diese Information gestattet es zu verstehen, warum Saudi-Arabien während der iranischen Reaktion vom 14. April an der Seite des westlichen Bündnisses am Schutz Israels beteiligt war.

Den ganzen Tag raschelte es in den Kanzleien der ganzen Welt an den Tagen Freitag, 21. und Samstag, 22. mit widersprüchlichen Informationen und Erklärungen. UN-Generalsekretär António Guterres hat erklärt, dass der israelisch-palästinensische Konflikt niemals mit Waffengewalt gelöst werden könne. "Die Völker der Region und der Welt können nicht dulden, dass der Libanon ein neues Gaza wird (...) Auf beiden Seiten der Blauen Linie sind bereits viele Menschenleben verloren gegangen, Zehntausende Menschen wurden vertrieben und Häuser und Gebäude wurden zerstört... Blindgänger (...) sind eine zusätzliche Bedrohung für die Bewohner von Israel und Libanon, sowie für die Vereinten Nationen und humanitäres Personal (...) Es ist an der Zeit, dass sich die Parteien auf praktische und pragmatische Weise auf den ihnen zur Verfügung stehenden diplomatischen und politischen Wegen engagieren", sagte er auf einer Pressekonferenz.

Aber Israel weist jegliche Verhandlung zurück, und die Hisbollah, die sich weigert, die Palästinenser im Stich zu lassen, hat erklärt, dass sie nicht über die Abgrenzung der israelisch-libanesischen Grenze verhandeln werde, solange das Gemetzel im Gazastreifen andauert.

Der israelische Außenminister Israel Katz antwortete Guterres: "Israel kann nicht zulassen, dass die Terrororganisation Hisbollah weiterhin sein Territorium und seine Bürger angreift, und wir werden bald die notwendigen Entscheidungen treffen. Die freie Welt muss in diesem Krieg gegen die vom Iran geführte Achse des bösen und extremistischen Islam bedingungslos an Israels Seite stehen. Unser Krieg ist auch euer Krieg, und Nasrallahs Drohung gegen Zypern ist nur der Anfang." [1]. Er kündigte an, dass er zu diesem Thema "bald die notwendigen Entscheidungen" treffen werde.

In der Zwischenzeit haben die beiden Seiten die Scharmützel vervielfacht.

So feuerte Israel Granaten auf Yarun (caza von Bint Jbeil) und Naqura (Tyrus) ab. Es traf auch ein Gebiet zwischen den Ortschaften Taybe und Deir Seriane (Marjeyoun) mit weißen Phosphor-Waffen und löste dort ein Feuer aus. Am Abend trafen zwei aufeinanderfolgende Angriffe die Ortschaft Khiam im selben caza. Die israelische Luftwaffe verübte auch einen Angriff im Stadtteil Kandouli von Meiss el-Dschabal.

Die Hisbollah übernahm ihrerseits die Verantwortung für mindestens vier Angriffe im Laufe des Tages. Sie zielte auf den maritimen Militärstandort Ras Naqura (der dem israelischen Standort Rosh Hanikra gegenüber von Naqoura entspricht) "mit mehreren Selbstmorddrohnen als Reaktion auf einen israelischen Angriff in Deir Kifa (Tyre caza)" am Donnerstag, bei dem ein Hisbollah-Kämpfer getötet wurde. Sie sagte, sie habe "einen Teil des Geländes zerstört und mehrere Menschen verletzt". Sie startete auch einen anderen Selbstmord-Drohnenangriff auf "eine israelische Artilleriebasis" in Zaoura im Norden Israels und führte Angriffe auf die israelischen Standorte Rouaissat el-Qarn und Zebdine auf den umstrittenen Shebaa-Farmen, sowie auf Sammaka in den Kfarschuba-Hügeln durch.

Die Vereinigten Staaten, die seit dem 29. Januar ihren Staatsangehörigen aus Angst vor Entführungen raten, nicht mehr in den Libanon zu reisen [2], haben geschwiegen, während die iranische Vertretung bei den Vereinten Nationen twitterte: "Jede rücksichtslose Entscheidung des israelischen Besatzungsregimes, sich selbst zu retten, könnte die Region in einen neuen Krieg stürzen, dessen Folge die Zerstörung der Infrastruktur des Libanon und auch der 1948 besetzten Gebiete wäre. Es besteht kein Zweifel, dass dieser Krieg einen großen Verlierer haben wird, nämlich das zionistische Regime. Die libanesische Widerstandsbewegung, die Hisbollah, hat die Fähigkeit, sich selbst und den Libanon zu verteidigen – vielleicht ist die Zeit für die Selbstvernichtung dieses illegitimen Regimes gekommen“ [3].

Tatsächlich hat sich das Kräfteverhältnis seit dem israelisch-libanesischen Krieg von 2006 erheblich verändert [4]. Damals hatte die Hisbollah wenig Erfahrung. Heute hingegen hat sie die Erfahrung von 12 Jahren Krieg in Syrien gegen Dschihadisten, die von der NATO bewaffnet und von der israelischen Luftwaffe geschützt wurden [5]. Sie soll jetzt 2500 Spezialeinheiten (Radwan), 20 000 gut ausgebildete Männer, 30 000 Reservisten und 50 000 unerfahrene Kämpfer haben. Sie hat Kurzstreckenraketen. Sie verfügt über 120 000 Geschosse aller Art, 150 000 Lenkraketen, mehrere tausend Zelzal-Raketen ("Erdbeben") mit einer Reichweite von mehr als 120 Kilometern und über mehrere hundert Fateh-110 ("Befreiung-110") Lenkflugkörper [6] mit einer Reichweite von 300 Kilometern und immer noch über Zehntausende Kurzstreckenraketen wie die iranischen Fajr-1 und die in China hergestellte Type-107. Dieses gigantische Arsenal sollte es ihr ermöglichen, die „Eiserne Kuppel“ zu überlasten und damit Israel seiner Flugabwehr zu berauben [7].

. Wenn es ihr nicht gelingt, sie zu überfordern, hat die Hisbollah bereits seit Dezember 2023 gezeigt, dass sie Elemente des Iron Dome zerstören und ihn damit funktionsunfähig machen kann. Vor allem verfügt sie über Sayyad-2-Boden-Luft-Raketen (Chasseur-2) und vielleicht über russische SA-22-Pantsir-Batterien [8], mit denen sie am 20. Mai bereits 76 Jahre israelischer Luftvorherrschaft beendete. Es ist zwar nicht sicher, ob die Hisbollah Flugzeuge in großer Höhe abschießen kann, aber es ist klar, dass sie Hubschrauber und Flugzeuge in geringer Höhe zerstört hat. Darüber hinaus erwarb die Hisbollah alle Arten von Drohnen, darunter al-Hodhod ("Wiedehopf"), die in Haifa eindrangen, wo sie den Marinestützpunkt RAPHAEL (Rafael Advanced Defense Systems Ltd) und die Waffenfabrik filmten, ohne von israelischen Radargeräten entdeckt zu werden. Und das ist noch nicht alles: Sie verfügt jetzt über russische AT-14 Kornet- und iranische Toophan-Panzerabwehrraketen, über schwere, gepanzerte Fahrzeuge wie T-72-Panzer, russischer Herstellung. Sie hat auch noch Boden-See-Raketen, wie die russischen Jakhonts.

Es besteht kein Zweifel, dass die Hisbollah, wenn sie Israel allein und ohne US-Intervention gegenüberstünde, die israelischen Verteidigungskräfte (IDF) innerhalb weniger Tage zerstören würde. Es ist jedoch unklar, was passieren würde, wenn das Pentagon seinem historischen Verbündeten zu Hilfe käme.

Aus dieser Perspektive ist der Widerstand gegen die israelische Besatzung, der vor allem unter jungen amerikanischen Wählern wächst, eine Herausforderung. Um wiedergewählt zu werden, muss Präsident Biden Israel aufgeben. Dieser Verzicht bedeutet jedoch das Verschwinden des jüdischen Staates. Der Kriegs-Eintritt der US-Armada würde dann auch den des Iran hervorrufen. Aber wir wissen seit dem 14. April, dass Teheran über Hyperschallraketen verfügt, wahrscheinlich russischen Ursprungs, und die der gesamte Westen nicht abfangen kann [9].

Wie haben Russland und die Achse des Widerstands solche Fortschritte in der Rüstungs- und Militärwissenschaft erzielen können? Bereits 2012 versicherten die israelischen Geheimdienste, dass die Hisbollah ihre Bombenkapazität um 400 (vierhundert) vervielfacht habe. Damals sprachen sie nur über Quantität. Heute ist es auch die Qualität, der man sich bewusst sein muss [10]. Die Kehrtwende fand während des Krieges gegen Syrien statt. Wir haben sie ausführlich beschrieben, aber die atlantische Presse verunglimpfte unsere Bemerkungen. In der Tat war es wichtig, die westliche Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass Syrien ein schwacher Staat sei und dass Leute barfuß die Republik stürzen würden. Heute befinden sich alle NATO-Armeen in einem erbärmlichen Zustand, mit Ausnahme Frankreichs, wegen seiner nuklearen Fähigkeiten und der Vereinigten Staaten, nicht wegen ihrer Abschreckungsfähigkeiten, sondern wegen ihrer konventionellen Bewaffnung von vor 1991. Während 23 Jahren hat sich die NATO in eine anti-dschihadistische Koalition verwandelt, die zwar stark, aber unfähig ist, einen "Krieg hoher Intensität" zu führen.

Noch vor der Zerstörung der Rollfelder israelischer Militärflughäfen, dachte die Hisbollah im Voraus an die Verlegung von IDF-Flugzeugen auf die britischen Militärstützpunkte Akrotiri und Dhekelia auf Zypern. Hassan Nasrallah warnte Nikosia, dass, wenn es israelischen Militärflugzeugen erlaubte, auf seinem Boden zu landen, es sich in den Konflikt einmischen würde und die Konsequenzen tragen müsste.

Seit Beginn der Operation Iron Sword (8. Oktober 2023) hat die IDF Massenmorde durchgeführt, während die Hisbollah sehr darauf geachtet hat, so wenig Opfer wie möglich zu verursachen. Während 37000 palästinensische Zivilisten in Gaza getötet wurden, wurden nur etwa fünfzehn israelische Soldaten vom libanesischen Widerstand getötet, verglichen mit mehr als 300 Hisbollah-Kämpfern durch die IDF. Diese gegensätzliche Bilanz erweckt auf den ersten Blick den Eindruck, dass Israel immer noch das stärkste Land ist, während es in Wirklichkeit zeigt, dass die Hisbollah versucht, einen Krieg abzuwehren, den sie als schrecklich vorhersagt.

1945 war der Untergang des Dritten Reiches unter den Schlägen der Roten Armee brutal. Im Jahr 2024 könnte er für die NATO genauso brutal werden.

Die Änderung des Kräfteverhältnisses hat stattgefunden. Sie ist weder kurz- noch mittelfristig umkehrbar. Unter diesem Gesichtspunkt ist es erstaunlich zu sehen, wie sich die NATO verhält, als wäre sie immer noch der Herr der Welt. Diese Sturheit wird ihren Sturz umso schmerzhafter machen.

Die einzige Alternative für die USA und Israel wäre, einen Militärputsch in Tel Aviv zu fördern. Bereits tausend hochrangige Offiziere und Unteroffiziere haben sich in dieser Sicht um den Slogan versammelt:

"Wer glaubt, dass es in Rafah ein Manöver gibt, der irrt.

Wer weiß, dass es keines gibt, und sagt, dass es eins gibt, der lügt!“ [11]. Sie sind bereit.

Die Entscheidung des Weißen Hauses ist noch unbekannt, aber der oberste Beamte des Außenministeriums zu diesem Thema, Andrew P. Miller, stellvertretender Staatssekretär für israelisch-palästinensische Angelegenheiten, trat am 22. Juni zurück. Das Außenministerium behauptet, dies geschehe aus persönlichen Gründen, aber jeder weiß, dass er gegen die Bear-Hug-Strategie „Bären-Umarmung“ von Präsident Joe Biden war [12]. Er hatte Sanktionen gegen jüdische Suprematisten verhängt.

Übersetzung
Horst Frohlich

[1שראל כ”ץ Israel Katz, X, 22 juin 2024.

[2«Lebanon Travel Advisory», US State Department, January 29, 2024.

[3I.R.IRAN Mission to UN, NY, X, 22 juin 2024.

[4L’Effroyable imposture 2, Thierry Meyssan, Éditions Alphée.

[5Sous nos yeux, Thierry Meyssan, Demi-Lune (2017).

[6« La Syrie aurait livré au Hezbollah des missiles Fateh 110 », Al-Manar (Liban) , Réseau Voltaire, 15 février 2010.

[7«US concerned Israel’s Iron Dome could be overwhelmed in war with Hezbollah, officials say», Natasha Bertrand Alex, Marquardt Kylie Atwood & Jennifer Hansler, CNN, June 20, 2024.

[8«US intel suggests Syria’s Assad agreed to send Russian missile system to Hezbollah with Wagner group help», Natasha Bertrand, Zachary Cohen & Katie Bo Lillis, CNN, November 2, 2023. «Russia’s Wagner Group Plans to Send Air Defenses to Hezbollah, U.S. Says», Michael R. Gordon, Wall Street Journal, November 2, 2023.

[9Irans Hyperschallraketen schaffen Abschreckung durch Terror, sagt Scott Ritter“, von Alfredo Jalife-Rahme , Übersetzung Horst Frohlich, La Jornada (Mexiko) , Voltaire Netzwerk, 23. April 2024; "Thierry Meyssan enthüllt die Kehrseite der iranisch-israelischen Beziehungen". Le Courrier des stratèges, Youtube. Lassen Sie uns auf einen Fehler in diesem Video hinweisen: der Autor weist darauf hin, dass Syrien gegen den westlichen Krieg im Irak war.

[10Israel ist nur mehr ein Papiertiger“, von Thierry Meyssan, Voltaire Netzwerk, 13. Dezember 2012.

[12«State Dept. expert on Israeli-Palestinian affairs resigns amid Gaza crisis», John Hudson, The Washington Post, June 21, 2024.