In einem Interview mit dem Radio Die Stimme Russlands, welches wir in unseren Spalten reproduzieren, kommt Thierry Meyssan auf die neuen Entwicklungen der Destabilisierung von Syrien und die Position der neuen französischen Regierung zurück. In der Kontinuität der Ära Juppé-Levy-Kouchner, besteht der Quai d ’Orsay bisher hartnäckig darauf, die Kriegsmitteilungen für bares Geld zu nehmen. Während Frankreich glänzt, wenn es auf das Gleichgewicht zwischen Großmächten einwirkt, nimmt es sich derzeit jeglichen Spielraum, indem es in kurzsichtiger Weise Partei ergreift.
Thierry Meyssan. Der Kofi Annan-Plan ist die Wiederaufnahme des Plans Lawrow. Man hat nur eine Klausel geändert, die den Status der Presse betrifft. Und es war eine gute Lösung, da Lawrow dadurch eine Einigung mit der Arabischen Liga gelungen war. Daher konnte der Plan als eine korrekte Diskussionsplattform erscheinen. Jedoch in dem Moment, wo Lawrow diesen mit der Arabischen Liga ausgehandelt hatte, gab der damalige Vorsitzende der Liga, d.h. der katarischen Vertreter einige Minuten nach Herrn Lawrow eine Pressekonferenz, die in totalem Widerspruch mit dem Inhalt des Plans stand. Und heute sind wir noch in der gleichen Situation, d.h. alle berufen sich auf den Lawrow Plan, jetzt Annan-Plan genannt, aber manche Parteien des Konflikts drücken sich in einer Weise aus, die keinen Zweifel an ihrer Weigerung zulässt, ihn durchzuführen. Die Grundlage dieser Idee, der Plan des Friedens, ist, dass jeder einseitig das Feuer einstellen müsse. Er sollte nicht abwarten, dass die Anderen anfingen es allmählich zu tun. Jeder sollte das Feuer einstellen. Nun hat die syrische Armee erhebliche Anstrengungen gemacht, hat sich aus größeren Städten trotz der Protestmärsche der Menschen zurückgezogen, die nicht gegen die Armee, sondern für die Armee gemacht wurden; die Menschen verlangten militärischen Schutz vor den Söldnerbanden. Und auf der anderen Seite gab es dann überhaupt keinen Stopp, Kommando-Aktionen gingen weiter. Es gibt viele gezielte Maßnahmen um sowohl Infrastruktur zu zerstören, als auch Staatsbeamte oder Menschen, die ihre Unterstützung für das Land ausgedrückt haben, zu ermorden.
Glauben Sie es gäbe noch eine kleine, eine ganz kleine Chance für Pazifikation in Syrien?
Ja! Die Chance ist ganz einfach! Wenn Waffen und Geld nicht mehr aus dem Ausland ankommen würden... Wenn man anhalten würde Söldner zu senden... Ständig gibt es Söldner, die die Grenze mit der Türkei überschreiten, wie bereits von dem russischen Vertreter im Sicherheitsrat bemerkt. Kämpfer aus Libyen wurden in die Türkei verlegt und zwar mit Benützung der Geldmittel der Vereinten Nationen! Man hat ein so genanntes Flüchtlingslager eingerichtet, das in Wirklichkeit ein Stützposten der syrischen freien Pseudo-Armee ist. Und dann kommen diese Leute ständig über die Grenze um Verbrechen auf syrischem Gebiet zu begehen. Also, wenn man diese äußere Unterstützung der bewaffneten Banden beendete, wäre es aus! Nachher würde man sich in einer normalen Situation befinden, mit einer Regierung die große Mehrheit besitzt, mit einer Opposition die Mittel hat sich auszudrücken, die ihre Arbeit als Opposition macht, die neue Dinge vorschlägt. Es gäbe dann eine demokratische Debatte, wie sie in vielen Ländern existiert. Dann, wenn die von Russland initiierte Gruppe zusammentrifft ist die Frage: Werden die Vereinigte Staaten, die die Machtinhaber des Westens und des Golf-Kooperationsrats sind, werden die Vereinigten Staaten ihre Verbündeten auffordern, dieses hinterhältige Spiel zu stoppen? Oder werden sie im Gegenteil sie weiter ermutigen und Öl ins Feuer giessen?
Eine andere Frage, diesmal viel heikler: Mehrere von unseren Journalisten-Kollegen aus einem lokalen TV-Sender wurden brutal von der angeblich syrischen freien Armee ermordet, die durch die Türkei und den Westen unterstützt wird. Glauben Sie, dass man die Presse angreift um eine Medien-Blockade zu schaffen, um Bürgern der westlichen und arabischen Staaten wahrheitsgemäße Informationen vorzuenthalten? Was waren die Motive dieser Verbrecher?
Ich denke, dass es zwei Elemente gibt, die zusammenpassen. Auf der einen Seite haben wir in den letzten 20 Jahren die gleichen Szenen gesehen, nacheinander in Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen und jetzt in Syrien. Es gibt Mächte, die die Medien der Länder die sie angreifen, systematisch zerstören. Und das ist einfach. Dahinter stehen ständig die USA und die NATO. Niemand in der Welt verhält sich wie sie. Es gibt keinen größeren Feind der Meinungsfreiheit als die USA und die NATO. Was auch immer sie meinen, dass sind die Fakten die es zeigen.
Zweitens war in dem besonderen Fall von Syrien eine riesige Kampagne vorgesehen, die syrischen TV-Kanäle von den Satelliten abzuschalten und durch Kanäle zu ersetzen, die Programme bringen sollten, die von der CIA in den vergangenen Monaten hergestellt wurden. Die Idee war, Fiktions-Bilder aus Studios, Synthese-Bilder zu bringen, um den Zusammenbruch des syrischen Staates glaubhaft zu machen und damit die Menschen in Syrien, wenn sie ihren Fernseher anschauten, anstatt ihre üblichen Sender zu sehen, sie etwas anderes mit gefälschten Bildern gesehen hätten. Und dann hätten sie gedacht – also, zu spät! Es ist zu spät! Man muss aufgeben, das Land ist verloren, es ist von ausländischen Truppen besetzt. Nun, das wurde nicht möglich, da es zunächst zu einem unglaublichen Engagement auf der ganzen Welt kam. Dutzende von großen Zeitungen, die ganze Seiten diesem Thema gewidmet haben. Es gab Hunderte von Websites, die alle Details dieser Operation gebracht haben. Schließlich weigerte sich NileSat, die syrischen Satelliten-Kanäle abzuschalten. Die Arabische Liga wurde gezwungen, sich von ArabSat zurückzuziehen. Die Syrer installierten ihre Kanäle auf neue Satelliten. Schließlich ergriffen sie den Sicherheitsrat mit einem sehr wichtigen Brief zu diesem Thema. Und vor allem hat Herr Lawrow als Nummer eins der Tagesordnung der Sitzung der Kontaktgruppe die sofortige Beendigung des Medien Krieges gegen Syrien eingetragen.
So hat sich nun die NATO gerächt. Sie schickte ein Kommando. Dieser Fernseher war 15 km außerhalb von Damaskus, wirklich am Land installiert. Der Ort war überhaupt nicht abgesichert. Das Kommando war mit IR-Nacht-Sicht Systemen ausgerüstet und mit allem was man braucht. Es gab nur 4 Wachleute. Sie töteten sie. Sie drangen ins Gebäude ein. Sie verhafteten 3 Sprecher, die sie fesselten und an Ort und Stelle hinrichteten. Und danach legten sie Feuer. Sie sprengten alles. Jetzt gibt es nur mehr Schutt auf diesem Ort. Es gibt nur noch ein einziges Gebäude, das dem Anschlag entkommen ist.
Noch einmal, das ist nicht neu. Die USA und die NATO tun das seit rund 20 Jahren. Es ist etwas Unglaubliches. Weil es die gleichen Leute sind, die diese barbarischen Handlungen anwenden und die in internationalen Organisationen sich als Verteidiger der Meinungsfreiheit präsentieren! Die Welt steht auf dem Kopf! Die Realität zeigt uns das Gegenteil ihrer Worte! Und für uns Journalisten wird das Leben unmöglich. Es ist ganz klar: Wer sich diesem Imperialismus widersetzen will und sich in einem Land befindet, das keine Mittel besitzt um sich verteidigen, ist jetzt in Gefahr.
Und wie steht es um die Position von Frankreich gegenüber Syrien. Wir sehen François Hollande Winkelzüge machen und ständig lavieren, als ob er nicht wüsste, welchem Heiligen er sich widmen sollte... Was sagen Sie dazu?
Sie haben Recht: François Hollande macht Winkelzüge. Das heißt, er weiß nicht was seine Politik ist; Er versucht seiner Bewegung zu folgen. Er erkennt wohl, dass die offizielle Position Syrien gegenüber nicht haltbar ist. Aber gleichzeitig ist er nicht in der Lage eine andere einzunehmen. Er ist dessen nicht fähig, weil er keinen Spielraum hat. Er akzeptiert, dass Frankreich wie während des Mandats von Nicolas Sarkozy als Gefolgsmann der Vereinigten Staaten weitermacht. Wie könnte er bei diesen Bedingungen eine neue Politik einschlagen? Neben ihm steht die Verwaltung des Quai d’Orsay, wo französische Diplomaten ihm ständig wiederholen, dass wir einen sehr schweren Fehler mit Syrien machen. Dass normalerweise Frankreich und Syrien Verbündete sein sollten, wie es in der Vergangenheit der Fall war. In der Zwischenkriegszeit war hier Frankreich die Mandatar Macht. Es zeigt eine Unfähigkeit zur Anpassung. Diese Unfähigkeit kam in der ersten Sitzung von François Hollande und Wladimir Putin in Elysium klar zum Ausdruck. Es war tatsächlich ein wenig lächerlich! Die beiden Staatschefs haben eine Liste von Themen aufgestellt wo Syrien einen großen Teil der Diskussion betraf. Und sie fanden keinen einzigen Vereinbarungs-Punkt. Eine Schande! Kein Punkt der Vereinbarung! Warum? Wladimir Putin äußerte und argumentierte zu jedem Thema Russlands Anfragen. Wir wollen dies, weil das... Und er gibt seine Argumente. Gegenüber war François Hollande, der ihm antwortete: "Wir glauben, dass...". Keine Argumente... ! D.h. es gibt nichts zu verhandeln. Es ist nur eine Konfrontation von einem bornierten Standpunkt gegenüber einer offenen Position. Und als man konkret die syrische Frage anschnitt, wurde dies sogar noch lächerlicher! Da der französische Präsident von sechzehntausend Todesfällen sprach, für die die Regierung zuständig wäre, usw. fragte ihn Präsident Putin: "aber woher haben Sie diese Zahlen? Vom syrischen Observatorium für Menschenrechte? Aber wir schickten unseren Botschafter nach London. Er hat diesen Mann gesehen: Er ist ein Döner-Kebab Händler mit einem kleinen Laden. Ist das die Quelle der französischen Informationen? Russland hat in der Zwischenzeit hunderttausend Russen auf dem syrischen Gebiet bereitgestellt! Nichts entgeht uns! Wir können alles überprüfen! Und wir können Ihnen klar sagen, dass, was der Kebab Händler in London sagt, keinen Wert hat!“
«Le néant qui anéantit. Les journalistes assassinés par les commandos de l’Otan. L’incompétence et l’indécision de François Hollande. Thierry Meyssan du Réseau Voltaire témoigne», par Alexandre Artamonov, Radio La voix de la Russie, 30 juin 2012.
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