Thierry Meyssan, Analyst und politischer Berater

Geopolitika: Sehr geehrter Herr Meyssan, könnten Sie - für die Leser von Geopolitika - kurz erklären, was derzeit in Syrien passiert, da man aus den großen TV-Nachrichten-Kanälen und den Berichten der syrischen Beobachtungsstelle für Menschen-Rechte aus London über die reale Situation in diesem in Krieg befindlichem Land nicht schlau werden kann. Es scheint uns, ein positiver Wind wehe um Präsident Assad, die syrische Armee und alle patriotischen Kräfte, die Syrien verteidigen, nach der russischen Initiative zur Beseitigung von chemischen Waffen, die den Interventions-Plan der USA und der NATO zerstört hat.

Thierry Meyssan: Laut der Mitgliedstaaten der NATO und des Rates der Zusammenarbeit des Golfs (GCC) revoltierten die Syrer gegen ihre Regierung, vor drei Jahren, in Nachahmung der Nordafrikaner. Das ist, was der "Arabische Frühling" genannt wird. Die Regierung, oder besser gesagt "das Regime", das ist abfälliger, antwortete darauf mit Gewalt und Brutalität. Seit 2011 hätte die Unterdrückung mehr als 130.000 Tote gefordert. Diese Version wird von der syrischen Beobachtungsstelle für Menschen-Rechte unterstützt, die die Opfer zählt.

Die Realität ist ganz anders. Zum Zeitpunkt der Anschläge des 11. September beschlossen die Vereinigten Staaten eine Reihe von Ländern, darunter Libyen und Syrien, zu zerstören. Diese Entscheidung wurde von dem ehemaligen Oberbefehlshaber der NATO, General Wesley Clark, der sie nicht teilte, bekannt gemacht. Es ging darum, eine politische Einheit von Marokko bis zur Türkei, um die muslimischen Brüder herum, und Israel zu schaffen, und um die wirtschaftliche Globalisierung zu erstellen. 2003 verabschiedete der Kongress nach dem Fall des Irak, den Syria Accountability Act, der dem Präsidenten der Vereinigten Staaten erlaubte, Krieg gegen Syrien zu machen, ohne das Parlament zu befragen. Im Jahr 2005 haben die Vereinigten Staaten die Ermordung von Rafik Hariri dazu verwendet, um Präsident Bachar al-Assad als ihren Drahtzieher zu beschuldigen, und schufen das Sondertribunal für den Libanon, um ihn zu verurteilen und seinem Land den Krieg zu erklären. Diese Beschuldigung ist in dem Skandal der falschen Zeugen zusammengebrochen. Im Jahr 2006 hat Washington einen Krieg gegen die Hisbollah an Israel ausgelagert, in der Hoffnung, Syrien daran zu beteiligen. Im Jahr 2007 haben die Vereinigten Staaten Oppositions-Gruppen im Exil um die Muslimbruderschaft herum organisiert und finanziert. Im Jahr 2010 haben sie beschlossen, diesen Krieg und jenen gegen Libyen von Frankreich und dem Vereinigten Königreich machen zu lassen, die hierzu den Lancaster-House-Vertrag abgeschlossen hatten. Im Jahr 2011 hat die NATO heimlich Kommandos nach Syrien geschickt, um dort Panik und Zerstörung zu säen. Nach dem Fall von Libyen haben sie das Zentrum des Befehls ihrer Armeen nach Izmir in die Türkei verlagert und die libyschen Kämpfer der Al-Kaida im nördlichen Syrien eingesetzt. Dieser Angriffskrieg hat 130.000 Syrer und eine große Anzahl von ausländischen Kriegern getötet.

Die Vereinigten Staaten haben seit August-September 2013 und der Krise der chemischen Waffen zugegeben, dass sie den syrischen Staat nicht stürzen können. Sie haben ihre Waffen- und ausländische Dschihadisten Lieferungen unterbrochen und konnten sich nur mehr auf Israel, Frankreich und Saudi-Arabien verlassen. Überall gewann die Loyalisten-Armee wieder Boden und die bewaffneten Banden werden aufgerieben, außer im Norden des Landes. Washington blockiert jedoch den Frieden in Syrien, solange es ihm nicht gelingt, seine Regelung der Palästina-Frage aufzuzwingen.

Geopolitika: Was sind die Folgen der Niederlage der durch den Westen unterstützten freien Syrischen Armee (FSA)? Wie ist die Situation in Aleppo und an den anderen Schlacht-Fronten? Wer finanziert und unterstützt die Al-Nusra-Front, die Al-Kaida und andere extremistische islamistische Gruppen? Sind die radikalen Islamisten, auch wenn sie nicht so beliebt sind, zweitklassige Krieger, die Syrien im Namen des Westens angreifen?

Thierry Meyssan: Zunächst hatte die NATO beschlossen, einen Krieg der 4. Generation zu liefern. Er bestand darin, der syrischen Bevölkerung unter einem Strom von Fehlinformationen glauben zu machen, dass das Land im Aufstand wäre und dass die Revolution gesiegt hätte, damit jeder eine unumgängliche Änderung des Regimes akzeptiere. Die Rolle der bewaffneten Gruppen war, symbolische Aktion gegen den Staat zu führen – zum Beispiel gegen die Statuen von Hafez Al-Assad, dem Gründer von Syrien - moderne und terroristische Aktionen, um Menschen einzuschüchtern und zu zwingen, nicht zu intervenieren. Jede dieser bewaffneten Gruppen wurde von NATO-Offizieren geleitet, aber es gab keinen zentralen Befehl, um den Eindruck von einem weitverbreiteten Aufstand zu erwecken und keinem Krieg, Front gegen Front. Alle diese Gruppen, die nicht miteinander zusammenhingen, trugen ein gemeinsames Aushängeschild, das der Freien Syrischen Armee (FSA). Sie erkannten sich an der gleichen grün, weiß-schwarzen Flagge, die historisch der Begriff des französischen Mandats ist, d.h. der kolonialen Besetzung.

Als der Westen im Juli 2012 beschlossen hatte, seine Strategie zu ändern, versuchte er, die bewaffneten Gruppen unter einem gemeinsamen Befehl zu vereinen. Er hat es aber nie wegen der Konkurrenz zwischen ihren Sponsoren, der Türkei, dem Katar und Saudi-Arabien geschafft.

Seit dem Anfang sind die einzig wirksamen militärischen Truppen vor Ort die Al-Kaida- Dschihadisten. Sie waren die Speerspitze der FSA während des ersten Teils des Krieges, und haben sich dann von ihr getrennt, als die Vereinigten Staaten sie als "Terroristen" bezeichnet haben. Heute sind sie in erster Linie aufgeteilt zwischen der islamischen Front, finanziert von Saudi-Arabien, der Al-Nusra-Front, die vom Katar finanziert wird, und dem von der Türkei und der NATO finanzierten Irakischen Islamischen Emirat und der Levante (EIIL, „Daesh“ auf Arabisch), obwohl es von Saudi-Arabien kommandiert wird. Der Wettbewerb ist so brennend, dass diese drei Gruppen sich mehr untereinander massakrieren, als gegen den syrischen Staat kämpfen.

Geopolitika: Auf Grund der bösartigen und selektiven globalen Medieninformationen, könnten Sie uns sagen, wer die unschuldigen Bürger und Kinder mit Sarin Gas angegriffen hat? Hier in Serbien, wo man bereits Erfahrungen mit dem Racak-Massaker hat, und dem der Bewohner von Sarajevo auf dem Markale-Markt, für die die Serben ohne Beweise beschuldigt wurden, das alles sieht wie ein schon erlebtes Skript des "Management des Massakers" aus. Verlieren diese blutigen Inszenierungen, die der Manipulation der öffentlichen Meinung dienten und zur Auslösung militärischer Interventionen im ehemaligen Jugoslawien und in anderen kritischen Punkten der Welt, verlieren sie ihre Wirkung, oder mit anderen Worten: ist es heute immer schwieriger die Menschen zu täuschen?

Thierry Meyssan: Der Angriff mit Sarin Gas auf die Ghuta von Damaskus (d. h. den landwirtschaftlichen Nahrungs-Gürtel der Hauptstadt) ist nicht der erste Gas-Angriff. Es gab mehrere andere zuvor, für die Syrien erfolglos den Sicherheitsrat einzubinden versuchte. Laut der Exil-Opposition hätte die Regierung diesen Bereich der Ghuta mehrere Tage bombardiert, um endlich die Bevölkerung mit Gas zu töten. Daraufhin drohte Präsident Obama, der schätzte, dass dieser Angriff die "rote Linie" überschritten habe, Damaskus zu zerstören. Er wurde in einer regelrechten Überbietung von Präsident Hollande gefolgt. Aber letztlich ist Syrien auf Vorschlag der Russen, dem Übereinkommen gegen chemische Waffen beigetreten und hat alle seine Lager an die OPCW abgeliefert. Die Bombardierung von Damaskus fand nicht statt.

Heute hat das Massachusetts Institute of Technology (MIT) einen Bericht veröffentlicht, dass die in der Ghuta verwendeten chemischen Raketen eine Reichweite von weniger als 2 km hatten. Jedoch brauchte man gemäß den durch das Weiße Haus verteilten Karten eine Reichweite von 9 km, damit die loyalen Kräfte die Rebellen-Zone erreichen könnten. Mit anderen Worten, ist es unmöglich, dass diese Schüsse von den Regierungstruppen gekommen wären.

Diese Studie bestätigt die russischen Satelliten-Berichte, wonach zwei Raketen von den Contras auf ihre eigene Zone abgefeuert wurden. Sie bekräftigt das Geständnis einer Person, das drei Tage später vom syrischen Fernsehen ausgestrahlt wurde, die zugab, dass sie diese Raketen von einer Basis der türkischen Armee bis nach Damaskus transportiert habe. Sie bekräftigt die Beschuldigungen von Alawiten-Familien von Latakia, die behaupten, ihre durch die Contras ein Monat vorher entführten Kindern unter den Bildern der Opfer erkannt zu haben. Schließlich bestätigt sie auch die Untersuchung von Seymour Hersh, dass im Gegensatz zu Barack Obamas Kommentaren, keine Aktivität mit chemischen Waffen in den letzten Tagen vom Pentagon bemerkt wurde.

Dieser Fall wird Sie sicher nicht überraschen, da Sie die gleiche Art von Aggressionen seitens derselben Mächte erlebt haben. Er funktioniert heute genauso gut wie früher. Die Manipulationen haben jedoch immer nur eine begrenzte Lebensdauer. Es stellt sich heraus, dass die Manipulation funktioniert hat, aber nicht erfolgreich war. Die westliche Öffentlichkeit hat daran geglaubt, aber Damaskus war nicht bombardiert worden, weil die Russische Föderation ihre Flotte vor der syrischen Küste positioniert und die Bombardierung somit verhindert hat. Daher konnte das Pentagon die Stadt dann nur mehr mit Schüssen vom Roten Meer über Jordanien und Saudi Arabien angreifen, was einen großen regionalen Krieg verursacht hätte. Die Wahrheit, wir kennen sie mit Sicherheit erst jetzt, d. h. sechs Monate später.

Geopolitika: Man muss Ihnen auch die Frage über die Situation der Christen in Syrien stellen. Es kamen Nachrichten über die Besetzung und Plünderung durch Islamisten von Al-Nusra von Maalula, einem alten christlichen Heiligtum; Nonnen wären auch entführt worden?

Thierry Meyssan: Um Syrien auszubluten hatte die NATO sowohl syrische Kollaborateure als auch ausländische Kämpfer eingesetzt. Im zweiten Teil des Krieges, d.h. seit der ersten Konferenz in Genf im Juni 2012, erleben wir einen nie gesehenen Zustrom von Contras. Es ist ein Krieg des nicaraguanischen Typs, aber mit einem noch nie erreichten Niveau von Söldnern. Heute sind sie mindestens 120.000 ausländische Kämpfer, aus 83 Ländern, die in Syrien gegen den Staat kämpfen. Alle schwören auf Wahhabismus, eine fundamentalistische Sekte, die in Saudi Arabien, im Katar und dem Emirat Schardscha an der Macht ist. Die meisten bezeichnen sich als Takfiristen, d.h. die "Reinen". Sie verurteilen die "abtrünnigen" und die "ungläubigen" zum Tode.

So skandierten sie während ihrer Proteste: "Alawiten ins Grab! Christen nach Libanon! ». Drei Jahre lang haben sie Zehntausende von Alawiten, (eine schiitische Kirche für die der Glauben intern ist und nicht durch Riten ausgedrückt wird) und Christen massakriert. Vor allem haben sie Hunderttausende Christen zur Flucht getrieben und gezwungen, ihr Eigentum aufzugeben. Heute zwingen sie sie, als Ungläubige eine Sondersteuer zu zahlen.

Da wir uns dem Ende des Krieges nähern, versuchen die bewaffneten Gruppen ihre Niederlage durch spektakuläre Operationen zu rächen. So haben sie Maalula, eine christliche Stadt angegriffen, wo noch die Sprache Christi, Aramäisch, gesprochen wird. Sie haben dort Gräueltaten begangen, die sehr nachhaltig wirken. Christen wurden in der Öffentlichkeit gefoltert und starben als Märtyrer, weil sie sich weigerten, ihrem Glauben abzuschwören.

Geopolitika: Sie beobachten die Situation im Nahen Osten mit Sorgfalt und Präzision. Wie beschreiben Sie die Situation in Ägypten? Glauben Sie, dass die Situation dort nach den zielstrebigen Aktionen des militärischen Befehls konsolidiert wurde? Ist dies die erste schwere Niederlage jener, die die arabischen Revolutionen planen? Wie erklären Sie, dass die Vereinigten Staaten eine radikale islamistische Gruppe wie die Muslimbruderschaft unterstützen?

Thierry Meyssan: Der Begriff „Arabischer Frühling“ ist eine Kommodität der Journalisten, um zu sagen, dass Ereignisse, dass sie nicht begreifen, gleichzeitig in sehr verschiedenen Ländern auftreten, wo die gleiche Sprache, Arabisch gesprochen wird. Es ist auch ein Propaganda Mittel, um Angriffskriege für Revolutionen auszugeben.

Das State Department, besorgt um die Nachfolge von Hosni Mubarak, hatte beschlossen ihn zu stürzen, um selbst die nächste Regierung auszuwählen. Es organisierte daher eine Hungersnot im Jahr 2008 durch Spekulation auf Nahrungsmittel. Es bildete ein Team, um die Nachfolge der Muslimbruderschaft zu gewährleisten. Und es wartete, bis der Kessel kochte.

Als der Aufstand ausbrach, schickte das State Department Botschafter Frank Wisner – jenen, der die internationale Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo organisiert hatte - um Hosni Mubarak zum Rücktritt zu bewegen. Was er auch tat. Dann half das State Department bei der Organisation der Wahlen, die der Muslim-Bruderschaft erlaubten, den zweistaatlichen, ägyptisch-amerikanischen Staatsbürger Mohamed Mursi als Präsident mit weniger als 20% der Stimmen einzusetzen. Als er an der Macht war, hat M. Mursi die Wirtschaft den US-Multis eröffnet und die kommende Privatisierung des Suez-Kanals angekündigt. Er hat eine islamistische Verfassung auferlegt, usw. Die Leute haben sich dann erneut aufgelehnt. Aber nicht nur in einigen Teilen von Kairo wie beim ersten Mal. Das ganze Volk, im ganzen Land, außer dem Fünftel der Bevölkerung, das ihn gewählt hatte. Letztlich hat die Armee die Macht ergriffen und die Führer der Muslimbruderschaft inhaftiert. Es scheint heute, dass sie die Beseitigung der palästinensischen Bevölkerung des Gaza-Streifens nach Ägypten verhandelten.

Hillary Clinton stützte sich dort, wie in der gesamten arabischen Welt, auf die Muslim-Bruderschaft. Diese geheime Organisation, in Ägypten zum Kampf gegen den britischen Kolonialismus gegründet, wurde eigentlich immer vom MI6 manipuliert und hat heute ihren internationalen Hauptsitz in London. Seit 2001 plante Washington ihren Aufstieg durch die Begünstigung der Wahl in der Türkei eines politischen Führers, Recep Tayyip Erdoğan, der als muslimischer Bruder inhaftiert war, aber behauptete, sie verlassen zu haben. Nach dem Versuch zahlreicher Staatsstreiche in mehreren Ländern, seit 80 Jahren, kam die Bruderschaft im Gepäck der NATO in Libyen an die Macht und durch die Urnen in Tunesien und Ägypten. Sie nimmt an den Regierungen in Marokko und Palästina teil. Sie gibt den Contras in Syrien eine politische Gestalt. Sie hat sich in der Türkei entwickelt. Überall hat sie türkische Public-Relations-Berater und eine Finanzierung vom Katar, d. h. von Exxon-Mobil, d.h. von den Rockefellers. Sie verfügt über eigene TV-Kanäle und ihr wichtigster Prediger, al-Kadarawi, ist der "spirituelle Berater’ (SIC!) von dem Al-Dschasira TV-Sender des Katar. Die Bruderschaft legt einen sektiererischen Islam vor, der Frauen benachteiligt und Homosexuelle ermordet. Im Gegenzug behauptet sie, dass der Feind der Araber nicht Israel sei, sondern der Iran und öffnet die Märkte den länderübergreifenden US-Multis.

Wenn man während zweieinhalb Jahren glauben konnte, dass die Brüder die gesamte arabische Welt regieren würden, sie sind jetzt von dem Westen im Stich gelassen. Tatsächlich konnten sie nirgendwo eine solide populäre Unterstützung erhalten. Nie haben sie mehr als 20% der Bevölkerung hinter sich gehabt.

Geopolitika: Seit Ihrer "Beobachtungstour" im Nahen Osten, könnten Sie die überraschende Freundschaft zwischen der serbischen Regierung und den Vereinten Arabischen Emiraten erklären? Der Prinz Mohammed Bin Zayed Al Nahyan kam mehrmals nach Serbien, wo er mehrere Investitionen der Emirate in die serbische Landwirtschaft und besonders in den Tourismus angekündigt hat. Die Fluggesellschaft Etihad hat die serbische Fluggesellschaft JAT Airways gekauft - nahezu absorbiert –. Können diese politischen und wirtschaftlichen Kontakte zwischen Abu Dhabi und Belgrad ohne Zustimmung Washingtons gemacht werden? Was wäre der Grund für das Weiße Haus, die Zusammenarbeit zwischen den Emiraten und Serbien zu fördern?

Thierry Meyssan: Die Vereinten Arabischen Emirate sind in einer sehr schwierigen Situation. Erstens, ist es eine Föderation von 7 ziemlich verschiedenen Staaten, darunter das Wahhabiten-Emirat Schardscha. Dann sind sie zu klein, um sich gegen ihre mächtigen Nachbarn, Saudi Arabien und ihren Kunden, den Vereinigten Staaten, zu behaupten. Zuerst versuchten sie, ihre Beschützer zu diversifizieren, indem sie Frankreich eine Militärbasis offerierten, aber es kehrte in die integrierte NATO-Kommandostruktur zurück. Im Jahr 2010 gaben sie die Idee auf, eine diplomatische Rolle auf internationaler Bühne zu spielen, nachdem die CIA den Prinz Ahmed in Marokko ermordet hatte, weil er heimlich den palästinensischen Widerstand unterstützte. Die Aufhebung der US-Sanktionen gegen den Iran wird ihre Häfen schwächen, die ein Hub des Verkehrs geworden sind, um das Embargo zu umgehen. Sie suchen jetzt neue Wirtschaftspartner in ihrer Größe. Durch Verhandlungen mit Serbien gleichen sie auch den wahhabitischen Einfluss des Katars aus, das Al-Dschasira in Bosnien erstellt hat.

Geopolitika: Was denken Sie über die aktuelle Situation der internationalen Beziehungen? Zeigt die russische Militärpräsenz im Mittelmeerraum und ihre diplomatischen Aktionen, die die Intervention in Syrien unmöglich machten, die Förderung der Ukraine, nicht ein Abkommen mit der EU zu unterzeichnen, die feste Position von China im Hinblick auf die umstrittenen Pazifik-Inseln, zeigt alles das die Stärkung einer multipolaren Welt? Welche Antwort kann man von den Vereinigten Staaten und der weltweiten staatlichen Elite erwarten über die Niederlagen, die sie nach einigen orangen und arabischen Revolutionen erfahren haben und die offensichtliche Tendenz der Schwächung der westlichen Mächte?

Thierry Meyssan: Die Schwäche der Vereinigten Staaten ist sicher. Sie wollten eine Demonstration der Stärke machen, indem sie gleichzeitig Libyen und Syrien angriffen. Letztlich konnten sie es aber nicht. Heute sind ihre Armeen ziemlich ineffizient und sie scheitern bei ihrer Neuordnung. Sie sind jedoch immer noch bei weitem die erste militärische Macht in der Welt und es gelingt ihnen daher uns den Dollar, trotz ihrer riesigen Schulden, aufzudrängen.

In den letzten Jahren sind China und Russland deutlich vorangekommen und haben gleichzeitig eine direkte Konfrontation vermieden. Beijing ist die erste wirtschaftliche Weltmacht geworden, während Moskau wieder die zweite militärische Weltmacht ist. Diese Entwicklung wird voranschreiten, weil die chinesischen und russischen Führer ihre Fähigkeit gezeigt haben, währen die US-Führer ihre Unfähigkeit zur Anpassung gezeigt haben. Allerdings bin ich skeptisch, was die Entwicklung von Südafrika, Brasilien und Indien betrifft. Sie entwickeln sich im Moment wirtschaftlich, aber ich sehe nicht ihre politischen Ambitionen.

Die globalen Eliten sind in Zwiespalt. Es gibt diejenigen, die glauben, dass Geld kein Vaterland hat und dass Washington durch einen anderen ersetzt werden kann, und diejenigen, die glauben, ihre Stärke von der bedrohlichen Militärmacht des Pentagons zu halten.

Geopolitika: Unter Berücksichtigung Ihrer Informationen und der Glaubwürdigkeit Ihrer Analyse, wären wir interessiert, Ihre Meinung über die Politik der Regierung von Serbien zu kennen, die das Land anhaltend und entschlossen in Richtung der Europäischen Union führt, ohne jede Begeisterung der Bevölkerung, und die um dieses Ziel zu erreichen, mit Brüssel und Washington an der Zerstörung des Serbischen Widerstands, und an der Albanischen Abspaltung des Kosovo und Metochien teilnimmt.

Thierry Meyssan: Die aktuelle serbische Regierung versteht unsere Zeit nicht. Sie reagiert immer noch so, als ob Russland noch durch Boris Eltsine regiert wäre und es ihr nicht helfen könnte. Da sie sich selbst die Tür des Kremls geschlossen hat, hat sie kaum eine andere Wahl, als sich an die Europäische Union zu wenden und dafür den Preis zu bezahlen. Sie trägt jetzt die Schwere der Schande für die Aufgabe des serbischen Widerstandes.

Um die Wahrheit zu sagen, Serbien ist nicht der einzige Balkanstaat in dieser Position. Griechenland und Montenegro sollten sich identisch an Russland wenden, aber tun es nicht. Ohne Zweifel, der größte Sieg des Imperialismus ist wohl, die Völker geteilt und isoliert zu haben, bis sie nicht mehr glauben, ihre politischen Entscheidungen durchsetzen zu können.

Geopolitika: In Ihrem letzten Interview mit Geopolitika sagten Sie, dass Mitglieder der UCK vom Kosovo eine Gruppe von Kämpfern in Syrien für den Terrorismus trainiert hätten. Ist die UCK und sind die Kosovaren noch aktiv in dem Kampf gegen Präsident Assad und die berechtigten Organe von Syrien? Haben Sie Informationen über die Teilnahme von Islamisten der bosnischen Muslime, von Kosovo und Metochien und der Region in Serbien, wo eine muslimische Bevölkerungsmehrheit (Stadt von Novi Pazar) lebt?

Thierry Meyssan: Die Dschihadisten, die in Syrien kämpfen, haben auf ihren Websites behauptet, Ausbildung von der UCK erhalten zu haben, und haben Fotos ihrer Beziehungen aufgeladen. Das alles wurde von dem türkischen Geheimdienst MIT organisiert, deren aktueller Führer, Hakan Fidan, der Verbindungsoffizier zwischen der türkischen Armee und den Mitarbeitern der NATO während des Kosovo-Krieges war.

Gleichfalls wissen wir, dass viele Dschihadisten in Syrien aus dem Balkan kommen. Aber dieses Phänomen scheint nicht mehr von der Türkei betrieben zu werden. Derzeit führen die Polizei und die türkische Justiz eine Operation gegen die Regierung Erdoğan. Es gelang ihnen, die persönlichen Beziehungen des Premierministers mit dem Al-Kaida-Banker festzustellen, den er heimlich in Istanbul empfing, obwohl er auf der Liste der von den Vereinten Nationen gesuchten Personen stand. Auf diese Weise finanzierte die Türkei die Aktionen von Al-Kaida in Syrien. Herr Erdoğan behauptet, Opfer einer Verschwörung von seinem Kollegen, dem muslimischen Prediger Fethullah Güllen zu sein. Es ist wahrscheinlich, dass in Wirklichkeit dieser sich mit der kemalistischen Armee gegen Herrn Erdoğan verbündet hat, der offenbar noch immer der Muslimbruderschaft angehört, egal was er auch behauptet.

Zuerst haben NATO-Mitglieds-Staaten oder ihr nahestehende, die Muslime zum Dschihad in Syrien aufgefordert. Heute sind sie über diese Leute besorgt, die nach Hause kommen. Weil Menschen, die vergewaltigt, gefoltert, andere in Stücke geschnitten und dann ausgestellt haben, nicht gemeinsam zum normalen Zivilleben zurückkommen können.

Als die CIA die Dschihad-Bewegung gegen die Sowjets in Afghanistan geschaffen hatte, war die Welt noch nicht globalisiert. Reisen waren viel weniger verbreitet und daher mehr überwacht. Es gab kein Internet. Die CIA konnte Muslime in Afghanistan manipulieren, ohne Angst, dass sie anderswo übergreifen könnten. Heute, was die NATO in Syrien eingeleitet hat, entwickelt sich allein. Es ist nicht mehr notwendig, Netzwerke aufzubauen, um sicherzustellen, dass junge Menschen sich den Contras in Syrien anschließen. Man hatte ja so lange behauptet, dass Syrien eine Diktatur sei, sodass es alle glaubten. Und es ist so romantisch, gegen eine Diktatur zu kämpfen.

Viele europäische Regierungen fragen heute Syrien, um ihre Staatsangehörigen unter den Dschihadisten zu identifizieren. Aber wie würde Syrien es tun und warum sollte es ihnen eine Gunst erweisen, für diejenigen, die versuchten es zu zerstören? Der Krieg wird allmählich verblassen in Syrien, die Dschihadisten gehen nach Hause, unter anderem auch nach Europa, und werden weiterhin den Krieg führen, für den die Europäer sie trainiert haben.

Darüber hinaus wird diese Situation keine friedliche Lösung haben, denn wenn die NATO in Syrien gewinnen sollte und die Al-Assad-Regierung stürzen sollte, wäre es noch schlimmer. Es wäre ein Signal für alle Dschihadisten-Lehrlinge im Westen, zu Hause zu versuchen, was ihnen im Nahen Osten gelungen war. Der Westen und der GCC haben ein Monster geboren, mit Verbrechen, mit denen wir werden leben müssen.

Übersetzung
Horst Frohlich
Quelle
Geopolitika (Serbien)

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Geopolitika, Février 2014
(PDF - 393.2 kiB)