Die Stärkung der deutsch-französischen Partnerschaft soll, wie durch die Unterzeichnung des Vertrags von Aachen symbolisiert, ein ehrgeiziger Prozess sein, der in konkreten und bedeutsamen Errungenschaften Niederschlag findet. Sie wird darüber hinaus zum Ausbau der europäischen Verteidigung und somit zur Stärkung der NATO beitragen, die der Eckpfeiler der europäischen kollektiven Verteidigung und Sicherheit bleibt. Die folgenden Vereinbarungen belegen den starken Willen Deutschlands und Frankreichs, eine gemeinsame Herangehensweise an ihre drängendsten Herausforderungen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich zu finden.

Deutschland und Frankreich begrüßen die Fortschritte, die seit dem Deutsch-Französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrat vom 13. Juli 2017 bei der operativen und industriellen Zusammenarbeit erzielt wurden, was am 19. Juni 2018 auf dem Ministertreffen in Meseberg bestätigt wurde.

Deutschland und Frankreich bekräftigen die strategische Rolle, die der Deutsch-Französische Verteidigungs- und Sicherheitsrat bei der Steuerung ihrer wechselseitigen Verpflichtungen spielt. Sie betonen, dass es ihr Ziel ist, den Rat als strategisches Steuerungsgremium auf höchster politischer Ebene zu etablieren, um gemeinsamen Herausforderungen im internationalen Sicherheits- und Verteidigungssektor wie im Vertrag von Aachen dargelegt zu begegnen. Zu diesem Zweck wird der Rat regelmäßig zusammenkommen.

I. Stärkung der Sicherheit und Verteidigung Europas

• Ukraine/Russland

Deutschland und Frankreich engagieren sich weiterhin stark für die Beilegung des Konflikts in der Ostukraine, um die volle Souveränität, territoriale Unversehrtheit und Unabhängigkeit der Ukraine wiederherzustellen, im Rahmen des Prozesses von Minsk und durch Verhandlungen im Normandie-Format (Frankreich, Deutschland, Ukraine, Russische Föderation). Sie begrüßen die beim jüngsten Treffen der Trilateralen Kontaktgruppe am 1. Oktober in Minsk erzielten Fortschritte hinsichtlich der „Steinmeier-Formel“ und der Entflechtung in Solote und Petriwske, zusätzlich zu der in Stanyzia Luhanska. Diese Fortschritte ebnen einem Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in den nächsten Wochen in Paris den Weg, wo weitere Schritte zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen festgelegt werden sollen.

Frankreich und Deutschland erörterten ihr jeweiliges Verhältnis zu Russland sowie ihre Bereitschaft, ihre Anstrengungen sowohl in der EU (auf Grundlage der fünf 2016 vereinbarten Leitprinzipien für die Beziehungen zwischen der EU und Russland, den so genannten „Mogherini-Grundsätzen“) als auch in der NATO (im Einklang mit den NATO-Gipfeln in Warschau und Brüssel) zu intensivieren, um den Dialog mit Russland zu stärken. Ihr Dialog mit Russland wird weitsichtig, stringent und langfristig angelegt sein, in enger Abstimmung

mit den Partnern in der EU und der NATO erfolgen und die gemeinsamen Grundsätze und Interessen Frankreichs und Deutschlands sowie die ihrer Partner und Verbündeten wahren.

• Fortschritte bei der europäischen Verteidigung und Sicherheit

Deutschland und Frankreich sind entschlossen, während ihres jeweiligen EU-Ratsvorsitzes (2020 und 2022) ambitionierte Ziele zu befördern, um die Handlungsfähigkeit Europas im Bereich der Verteidigung zu verbessern und damit auch den europäischen Pfeiler der NATO zu stärken.

Im Hinblick auf eine souveräne und starke Europäische Union unterstützen Deutschland und Frankreich die europäischen Institutionen umfassend in ihren Anstrengungen zum Ausbau der europäischen Fähigkeit, autonom zu handeln, und rufen sie dazu auf, die laufende Arbeit zur Stärkung der Kohärenz des EU-Handelns im Bereich Sicherheit und Verteidigung auf der Grundlage der bestehenden Texte fortzuführen, in vollständiger Komplementarität zur NATO. Deutschland und Frankreich rufen dazu auf, im mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 eine ehrgeizige finanzielle Ausstattung für die Verteidigung zu bewilligen, insbesondere für den Europäischen Verteidigungsfonds und militärische Mobilität.

Im Bereich der Fähigkeiten bekennen sich Deutschland und Frankreich dazu, die Möglichkeiten, die die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) und der Europäische Verteidigungsfonds bieten, umfassend zu nutzen, um die europäische rüstungstechnologische und -industrielle Basis integrierter, autarker, innovativer und wettbewerbsfähiger zu machen sowie die wichtigsten Fähigkeitslücken der EU-Mitgliedstaaten zu schließen. Dabei bekennen sie sich dazu, in diesem Rahmen gemeinsam strukturierende Projekte zur Entwicklung von Fähigkeiten vorzulegen. Deutschland und Frankreich unterstreichen, dass sie einander innerhalb von PESCO unterstützen, besonders bei solchen Projekten, an denen beide Länder beteiligt sind.

In operativer Hinsicht werden Deutschland und Frankreich anstreben, die Effizienz der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) in gemeinsamen Missionen und bei der Entwicklung entsprechender militärischer und ziviler Expertise weiter zu erhöhen. Darüber hinaus werden Deutschland und Frankreich die europäische Interventionsinitiative (EI2) als ergänzendes Instrument nutzen, um mit weiteren Partnern eine gemeinsame strategische Kultur zu entwickeln.

• Weltraum

Deutschland und Frankreich verpflichten sich zur Stärkung ihrer Zusammenarbeit in Bezug auf Weltraumthemen, vor allem im Bereich der Bedrohungsanalyse. Sie werden ferner die nächsten konkreten Schritte erörtern, um Standards für verantwortungsbewusstes Verhalten im Weltraum zu fördern.

Deutschland und Frankreich sind sich einig über die Bedeutung des Galileo-Programms für die Stärkung von Europas Autonomie im Bereich der globalen Satellitennavigationssysteme einschließlich ihrer militärischen Anwendungen und sind sich einig, dass die Verbesserung der Zuverlässigkeit und Gewährleistung eines hohen Maßes an Sicherheit bei gleichzeitiger Bereitstellung der erforderlichen Interoperabilität und maximalen Nutzbarkeit Aufgaben von entscheidender Bedeutung sind.

Deutschland und Frankreich beabsichtigen, die Entwicklung von Fähigkeiten im Bereich der Raumfahrtsicherheit zu koordinieren in der Absicht, den Nukleus einer abgestimmten Fähigkeit im Hinblick auf europäische Raumfahrtsicherheit zu bilden.

II. Intensivierung der operativen Zusammenarbeit

• Zusammenarbeit in Afrika – Partnerschaft für Sicherheit und Stabilität in der Sahelzone

Deutschland und Frankreich bekennen sich uneingeschränkt zur Sicherung, Stabilisierung und Entwicklung der Sahelzone. In diesem Zusammenhang unterstützen sie die Anstrengungen der Europäischen Union zugunsten der G5 Sahel und der Operationalisierung von deren Gemeinsamer Einsatztruppe (Force Conjointe). Deutschland und Frankreich werden bei der Lancierung und Umsetzung der Partnerschaft für Sicherheit und Stabilität in der Sahelzone (P3S), die die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident auf dem G7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Biarritz angekündigt haben, eine enge Abstimmung mit der Europäischen Union anstreben.

• Zusammenarbeit im Persischen Golf

Deutschland und Frankreich bekunden ihre tiefe Besorgnis angesichts der zahlreichen Zwischenfälle, die in den letzten Monaten im Persischen Golf zu beobachten waren, und verurteilen die Angriffe auf Ölanlagen im Hoheitsgebiet Saudi-Arabiens am 14. September 2019, wie in der am 23. September 2019 veröffentlichten Erklärung der Staats- und Regierungschefs der E3 zum Ausdruck gebracht, auf das Schärfste. In dem festen Bekenntnis zur Achtung des Völkerrechts und der Freiheit der Schifffahrt verfolgen sie diplomatische und operative Anstrengungen zur Deeskalation von Spannungen. Sie unterstützen politisch eine europäisch geführte maritime Überwachungsmission im Persischen Golf und setzen ihren Austausch über deren potentielle Parameter fort.

• NATO

Anlässlich des diesjährigen 70. Jahrestags der Gründung der NATO bekräftigen Deutschland und Frankreich den fortwährenden Bund Europas und Nordamerikas und die unerschütterliche Verpflichtung in Artikel 5 des Vertrags von Washington. Deutschland und Frankreich unterstreichen die Bedeutung der Einheit des Bündnisses und arbeiten gemeinsam auf ein erfolgreiches Treffen der NATO-Staats- und Regierungschefs im Dezember hin.

Deutschland und Frankreich betonen ihr entschlossenes Bekenntnis zur Enhanced Forward Presence der NATO. Deutschland wird 2020 weiter als Rahmennation dienen, während Frankreich Truppen für den von Deutschland geführten gemischten Gefechtsverband der NATO in Litauen unter der Enhanced Forward Presence des Bündnisses bereitstellt. Dieser gemeinsame Einsatz ist nicht nur Ausdruck der Solidarität mit unseren Bündnispartnern, er wird auch die Interoperabilität unserer Streitkräfte stärken.

III. Vertiefung der Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigungsindustrie

Deutschland und Frankreich bekräftigen ihre Bereitschaft, im Bereich der Verteidigungsindustrie zusammenzuarbeiten, um gemeinsam zukunftsweisende Technologien und Verteidigungssysteme zu entwickeln, die künftigen nationalen wie europäischen Verteidigungserfordernissen genügen.

• Zukünftiges Luftkampfsystem/Waffensystem der nächsten Generation

Im Luftfahrtbereich werden Deutschland und Frankreich ein Next Generation Weapon System / Waffensystem der nächsten Generation innerhalb eines zukünftigen Luftkampfsystems (NGWS/FCAS) entwickeln. Forschungs- und Technologiearbeiten werden bis Ende Januar 2020 vertraglich vereinbart mit dem Ziel, einen flugfähigen Demonstrator für einen Kampfjet der nächsten Generation bis 2026 zu entwickeln. Deutschland und Frankreich begrüßen die Beteiligung Spaniens.

Nachdem Deutschland im vergangenen Juni auf der Pariser Luftfahrtschau entsprechende Zusagen gemacht hat, beginnt nun eine neue Phase der gemeinsamen Konzeptstudie. Das Vorhaben wird weiteren europäischen Staaten offenstehen.

• Landsysteme der nächsten Generation/Hauptlandkampfsystem

Deutschland und Frankreich erneuern ihr Bekenntnis, gemeinsam ein Main Ground Combat System / Hauptlandkampfsystem (MGCS) bis 2035 zu entwickeln. Deutschland und Frankreich begrüßen daher die Unterzeichnung einer Absichtserklärung der wichtigsten deutschen und französischen Industriepartner hinsichtlich ihrer Zusammenarbeit bei der ersten Studienphase des Vorhabens.

Die Technologie-Demonstrator-Phase wird Anfang 2020 mit einer Studie zur Systemarchitektur für ein MGCS beginnen. Darüber hinaus werden Frankreich und Deutschland Schritte zur weiteren Konsolidierung und Weiterentwicklung ihrer Landsystemindustrien prüfen

Das Vorhaben wird weiteren europäischen Staaten offenstehen.

• Seefernaufklärungssysteme

Deutschland und Frankreich bekräftigen ferner das Ziel, Anfang 2020 eine Machbarkeitsstudie für das Maritime Airborne Warfare System / Seefernaufklärer-Projekt (MAWS) in Auftrag zu geben.

• Rüstungsexporte

Gemäß Artikel 4 des Vertrags von Aachen vom 22. Januar 2019 haben Deutschland und Frankreich vereinbart, eine gemeinsame Position zum Export gemeiner Rüstungsprojekte zu entwickeln.

Deutschland und Frankreich haben ihre Verhandlungen zu einem rechtlich bindenden Abkommen abgeschlossen, dessen letzte Schritte so bald wie möglich umgesetzt werden.