Mit der Unterzeichnung im Dezember 2014 eines Gas-Abkommens mit Russland, und dann, Ende 2015, mit ihrer Kehrtwende, hat die Türkei jede Hoffnung verloren, im Wettbewerb der russischen Gaslieferungen an die west-europäischen Länder eine Rolle zu spielen. Valentin Vasilescu beschreibt hier die vier möglichen Optionen.
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Während des Kalten Krieges hatten die Sowjets ein Netzwerk für die Energieversorgung von Europa geschaffen, indem sie drei der vier strategischen Richtungen des Theaters der Militäraktionen (TAM) des europäischen Kontinents adoptierten. Ein TAM stellt einen geographischen Bereich der Größe eines Teils eines Kontinents dar, wo tatsächliche militärische Operationen durchgeführt werden. Die "strategischen Richtungen" sind „tiefe“, imaginäre Landstreifen, die militärische Operationen durchzuführen gestatten.
– Der erste Schnitt ist die strategische baltische Ausrichtung, die in den Ebenen von Nordeuropa beginnt und an der Küste der Ostsee endet, und die erlaubt, Finnland, Estland, Lettland und Litauen mit Erdgas zu beliefern.
– Der zweite ist die weißrussische strategische Ausrichtung, die erlaubt, Belarus, Polen und Ostdeutschland mit Gas zu versorgen. Als Folge der Wiedervereinigung Deutschlands hing sein östlicher Teil nicht mehr von der Russischen Föderation ab. Am Ende des Warschauer Vertrages sind die baltischen Staaten und Polen der NATO beigetreten und die Haltung dieser Länder wurde Russland gegenüber feindlich. Daher wurden im Herbst 2012 die zwei Gasleitungen durch die North-Stream-Pipeline mit einer Kapazität von 110 Milliarden Kubikmeter pro Jahr ersetzt, und das Gas aus Russland wurde durch die Ostsee, die baltischen Staaten und Polen umgehend, direkt nach Deutschland transportiert.
– Die dritte strategische Ausrichtung ist die ukrainische. Sie beginnt in Russland und geht durch den Osten und Süden der Ukraine bis Bratislava (Slowakei) und Wien. Es ist das Netzwerk von Gazprom mit dem höchsten Durchsatz. Durch regelmäßigen Diebstahl an den Leitungen und die Nichtzahlung des Gasverbrauchs in den letzten Jahren wurde die Ukraine ein unerwünschter Partner für Russland. Gazprom hat daher einen anderen Durchgang als die Ukraine gesucht, um Energie in Mitteleuropa und auf dem Balkan bereitzustellen.
Im Jahr 2009 machte Vladimir Putin Rumänien ein unglaubliches Angebot, nämlich die Ukraine zu ersetzen und Europa russisches Gas zu verkaufen. Das bedeutete, dass Rumänien Hunderte Millionen Dollar pro Jahr aus dem Transit des russischen Gases gewinnen hätte können. Präsident Traian Basescu lehnte das Angebot für die Realisierung von der South Stream-Pipeline ab, die auf russischer Seite von dem Hafen Anapa ausging, das Schwarze Meer überquerte, um Rumänien zu erreichen. Rumänien deckt intern 75 Prozent seines Bedarfs an Gas, aber es ist die österreichische Firma ÖMV, die das rumänische Gas betreibt. Rumänien zählt noch mit der Entdeckung und Nutzung wichtiger Ablagerungen im Schwarzen Meer, um die restlichen 25 % zu komplettieren, die aus Russland importiert werden. Aber die Unfähigkeit und Korruption der rumänischen Regierung haben das Land gehindert, das wichtigste Zentrum des europäischen Gasmarktes zu werden und, mit seinen Reserven im Schwarzen Meer, letztlich die Bedeutung der russischen Gesellschaft Lukoil zu erreichen.
Sofort danach zog Gazprom South Stream weiter südlich, nach Bulgarien. Dieses Mal war es die Europäische Union, mittels deutscher Beamten, die Druck auf Bulgaren machte, damit es das Projekt aufgibt. Wir werden das enorme Interesse für Deutschland in diesem Spiel zeigen.
– Die vierte strategische Ausrichtung des Europäischen TAM ist der Balkan, der Europa mit den asiatischen und afrikanischen Kontinenten verbindet, mit zwei Gelenken in Form von schmalen Streifen, genannt "operative Richtungen“. Eine davon ist genau die Richtung, die von Ankara über Istanbul geht, Übergangspunkt des asiatischen Kontinents, durch die Meerengen des Bosporus und die Dardanellen. Im Jahr 2005 hat Gazprom die Blue Stream-Pipeline in Gang gebracht, die das Schwarze Meer überquert, um den asiatischen Teil der Türkei bis nach Ankara zu erreichen.
Da der anfängliche Durchsatz der Pipeline zu klein war (16 Milliarden Meter Kubikmeter pro Jahr), konnte sie nicht der südliche Gas-Korridor nach Europa werden, um die Ukraine zu ersetzen. Recep Tayyip Erdoğan, der sich selbst anschließend "Putin der Türkei" genannt hatte, hat von Moskau zugestanden bekommen, dass die europäischen Länder ihr Gas an der Grenze der EU, d.h. an der Türkei kaufen [1]. So entstand das Türkisch-Stream-Projekt, das das russische Gas direkt in den europäischen Teil der Türkei bringen würde, durch die Unterquerung des Schwarzen Meeres. 70 % der Mitgliedstaaten der EU wären somit von dem Türkisch-Stream energetisch von einem nicht-EU-Staat abhängig geworden. Mit dem Angriff auf die russische Su-24 im syrischen Luftraum durch eine türkische F-16 haben sich die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland verschlechtert und die türkische Wirtschaft wurde frontal getroffen.
Die Türkei, die die zweitgrößte Konsumentin von Gazprom ist, ist in einer Situation, wo sie nicht die russischen Gaslieferungen ersetzen kann, da sie 50 bis 60 Milliarden Kubikmeter pro Jahr braucht. Der Iran ist mit Russland verbündete und hat kein Interesse, die Stelle von Gazprom einzunehmen. Aserbaidschan kann nur eine begrenzte Menge an Gas bieten, 16 Milliarden Kubikmeter, wovon 10 für Europa sind und nur 6 für die Türkei. Wer hat gewonnen? Da Deutschland eine Politik adoptiert hat, die den Bau von Kernkraftwerken verbietet, werden 70 % der Energie des Landes durch das russische Gas gesichert werden. Deutschland hat eine Vereinbarung mit Gazprom ausgehandelt, um den Strom des russischen Gases durch den Bau einer anderen Gas-Pipeline, parallel zu der bestehenden (Nord Stream), zu verdoppeln. Ab 2019 wird Deutschland nicht nur weiterhin der Motor Europas sein, sondern wird auch die Kontrolle der wirtschaftlichen Entwicklung des westlichen Balkans (Slowenien, Albanien, Mazedonien, Montenegro, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Kroatien) und von Mitteleuropa (Slowakei, Österreich, Ungarn, Moldawien, Rumänien und Bulgarien) dank der Energie übernehmen.
[1] „Wie Wladimir Putin die NATO-Strategie umgedreht hat“, von Thierry Meyssan, Übersetzung Horst Frohlich, Neue Rheinische Zeitung (Deutschland), Voltaire Netzwerk, 8. Dezember 2014.
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