Das erste Treffen der G5 in Rambouillet (1975).

Die G7 hat sich soeben in Ise-Shima (Japan) getroffen. Aber während wir von vorherigen Gipfeln durchtränkt wurden, ist über diesen durch die internationale Presse kaum berichtet worden. Dieser Gipfel hat nämlich grundlegend die Zielrichtung geändert.

Auf dem Hintergrund der ersten Energiekrise 1974 versammelten sich fünf Finanzminister (Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Japan, Großbritannien, USA) ohne Tagesordnung in der Bibliothek des Weißen Hauses, um einfach ihre Standpunkte auszutauschen. Das war die „Library Group“.

Nach diesem Modell ergriffen die beiden einzigen Überlebenden der Gruppe, Valéry Giscard d’Estaing, der Präsident der französischen Republik geworden war, und Helmut Schmidt, der Kanzler der Bundesrepublik Deutschland geworden war, die Initiative, um für das nächste Jahr (1976) die Staats- und Regierungschefs derselben Länder plus Italien ins Schloss Rambouillet einzuladen und ihre Sicht der großen Themen der Zeit auszutauschen. Zu der Zeit waren internationale Gipfeltreffen selten und extrem formell. Die G6 hob sich ab durch das Fehlen eines Protokolls, ihren einfachen, entspannten und freundschaftlichen Charakter in der Atmosphäre eines Privatklubs. Die Gespräche fanden unmittelbar, ohne Dolmetscher, auf Englisch statt. Das Treffen wurde erst auf die letzte Minute bekannt gegeben. Es gab weder eine Tagesordnung noch Journalisten.

1977 wurde auch der kanadische Premierminister eingeladen (G7) und von 1978 an der Präsident der Europäischen Kommission. 1994 wurde der russische Prädident eingeladen und 1997 offiziell aufgenommen (G8). Der Westen war in der Tat davon überzeugt, dass Russland nach der Auflösung der UdSSR im Begriff wäre, sich so einzufügen, dass sie zusammen eine unipolare Welt schaffen und sie beherrschen könnten. Es war die Zeit, in der sich eine transnationale herrschende Klasse mit grenzenlosen Ambitionen herausbildete. Sie meinte, sie könne das Völkerrecht beseitigen und sich selbst an die Stelle des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen setzen, um ohne Kontrolle die Welt zu regieren.

2000 unterstützte die G8 den Vorschlag von Paul Wolfowitz und der Weltbank, die Schulden der ärmsten Länder der Welt zu annulieren. Es gab allerdings eine kleine Bedingung dafür: Sie mussten ihre Wirtschaft vollständig liberalisieren, so dass die multinationalen Konzerne sie ohne Beschränkung ausrauben konnten. Von 62 betroffenen Ländern akzeptierten nur neun Staaten diese Mogelpackung. Der Standpunkt der G8 brachte eine weltweite Antiglobalisierungs-Bewegung ins Leben. Auf dem folgenden Gipfel von Genua (2001) gab es bei der Bekämpfung der Demonstrationen einen Toten. Daraufhin wurde beschlossen, die Gipfeltreffen von nun an außerhalb der großen Städte unter massivem Schutz durch Polizei und Militär abzuhalten. Dort konnte man unter Ausschluss der Öffentlichkeit anzetteln, was man wollte.

Aber 2013 uferten die Dinge aus: Wladimir Putin war zurück im Kreml und der Westen hatte soeben den Krieg in Syrien neu begonnen trotz der von Kofi Annan ausgehandelten und vom Genfer Kommuniqué bestätigten Zusagen. Der Gipfel am Lough Erne verwandelte sich in eine Konfrontation – einer gegen sieben. Es sollte um Maßnahmen gegen die Finanzparadiese gehen, aber die Diskussion wurde durch den Umschwung des Westens in Bezug auf Syrien in Beschlag genommen. Im folgenden Jahr (2014), nach dem Staatsstreich in Kiew, der Teilung der Ukraine und dem Anschluss der Krim an die Russische Föderation stellte Deutschland fest, dass das Vertrauen zwischen den Teilnehmern gebrochen sei und das Treffen nicht in der üblichen Form stattfinden könne. Die westlichen Staaten beschlossen, ihre Teilnahme am Sotchi-Gipfel überstürzt abzusagen und fanden sich ohne Russland in Den Haag (Niederlande) ein. Die G8 minus 1 wurde zur G7.

Vor 42 Jahren wurde der Gipfel mit einer kurzen Erklärung abgeschlossen, die die behandelten Wirtschaftsthemen nannte und den Zusammenhalt des westlichen Blocks betonte. Schnell wurden diese Kommuniqués verlängert, um die internationalen Investoren zu beruhigen, dass keine wichtige Entscheidung in dieser geheimen Versammlung getroffen worden war. Seit der Einladung Russlands und der Teilnahme zahlreicher Journalisten wurde eine politische Erklärung angefügt, die zeigte, dass die Welt sich um Washington vereinte. Dann wurde begonnen, lange Seminararbeiten über den Zustand der Welt und den guten Willen der Mächte, ihn zu verbessern, zu veröffentlichen. Aber nie, absolut nie wurde durch die G8 eine Entscheidung getroffen. Im Höchstfall wurden Einsätze angekündigt, die man sich dann wieder zu vergessen beeilte (etwa den Hunger in der Welt auszurotten) oder es wurden Satzungen verkündet, gegen die man eifrig zu verstoßen bemüht war (über frei zugängliche Informationsquellen zum Beispiel).

Seit 2001 wird die G8, die sich wie eine Weltregierung parallel zu den Vereinten Nationen darstellt, in Wahrheit eine Abstimmungsgemeinschaft ohne Streitfragen. Auf diesem Foto, dessen Veröffentlichung in mehreren Ländern verboten ist, sieht man Präsident Dmitri Medwedew betrunken auf dem Gipfel von 2011.
© Voltaire Netzwerk

Wie sich die G7 entwickelt hat

Von den neun Mitgliedern der G7 haben zwei eine zusätzliche Stimme: Die Vereinigten Staaten können auf den Präsident der Europäischen Kommission, den Luxemburger Jean-Claude Juncker zählen, der von seinen Ämtern als Ministerpräsident zurücktreten musste, nachdem seine Zugehörigkeit zu Gladio (der Geheimdienst der Nato) enthüllt wurde. Deutschland hingegen stützt sich auf den Präsidenten des Europäischen Rates, den Polen Donald Tusk, dessen Familie seit Beginn des Kalten Krieges mit der Familie Merkel verbunden ist.

Bisher ist die G7 ein reines Formatierungstreffen. Die Vereinigten Staaten und Deutschland geben die Sprachelemente vor, die ihre Vasallen aufzugreifen gebeten sind. Tausende von Journalisten wohnen dieser großen Messe bei. Der Gipfel von Ise-Shima veröffentlichte schließlich eine lange wirtschaftspolitische Erklärung und sechs Dokumentanhänge, die die Sprache der US-Eliten widerspiegeln. Darin ist alles zumindest der Erscheinung nach perfekt, eine gründliche Lektüre – das werden wir sehen – zeigt dagegen Skandalöses.

In der Einleitung ihrer Erklärung betonen die Mitglieder der G7 ihre gemeinsamen Werte, die vier wichtigsten sind:
 die Freiheit
 die Demokratie
 der Rechtsstaat
 die Achtung der Menschenrechte.
Dann bestätigen sie ihre Fähigkeit zur Gewährleistung
 des Friedens
 der Sicherheit
 und des Wohlstands der Welt.
Schließlich nennen sie ihre Priorität:
 das globale Wirtschaftswachstum.

Ein kleines Kind versteht ohne Schwierigkeiten, dass diese Erwachsenen, wenn sie das globale Wirtschaftswachstum als ihre Priorität bezeichnen, sich über die Ideale und Ziele, die sie zur Schau stellen, lustig machen.

(Fortsetzung folgt…)

Übersetzung
Sabine