Sehr geehrter Herr Präsident der Generalversammlung
Sehr geehrter Herr Generalsekretär
Sehr geehrte Damen und Herren Staats- und Regierungspräsidentinnen und -präsidenten
Sehr geehrte Exzellenzen
Sehr geehrte Damen und Herren
Am 26. Juli dieses Jahres beendete das Schweizer Solarflugzeug Solar Impulse in Abu Dhabi seine Weltumrundung. Am gleichen Tag, während die ganze Welt diese technische Meisterleistung feierte, gab die Internationale Organisation für Migration bekannt, dass seit Anfang 2016 über 3 000 Migrantinnen und Migranten im Mittelmeer ihr Leben liessen. Dies zeigt uns einmal mehr, dass der Mensch sowohl zum Besten als auch zum Schlimmsten fähig ist: Der Exzellenz und Innovation im Dienst der Umwelt stehen die Ohnmacht und eine gewisse Tatenlosigkeit angesichts der riesigen Tragödien, ausgelöst von Diktaturen, Elend und Kriegen, gegenüber.
Die Herausforderungen, mit denen die internationale Gemeinschaft konfrontiert ist, sind beträchtlich. Ein tragisches Beispiel dafür ist die Lage im Nahen Osten, in einigen Regionen Afrikas und vor den Toren Europas. Die Fragilität der Staaten, Volkswirtschaften und Gesellschaften bringt Radikalisierungsherde hervor, die zu Terrorismus und bewaffneten Konflikten führen, die Opfer, Flüchtlinge und intern Vertriebenen mit sich bringen. Die Konsequenzen spüren wir alle.
Andere Gefahren bestehen weiterhin wie Naturkatastrophen, der Klimawandel und seine Auswirkungen oder die Antibiotikaresistenzen. Die Wirtschaftskrisen und der Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Verletzlichkeit und Ausschluss, den sie auslösen, erfüllen die Entscheidungsträgerinnen und -träger der ganzen Welt mit Sorge.
Angesichts dieser grossen Herausforderungen ist eine stärkere UNO notwendiger denn je. Die Organisation hat schon bewiesen, wozu sie fähig ist. Ihre unermüdlichen Anstrengungen, die internationale Gemeinschaft im Rahmen von verschiedenen Aktionsprogrammen zu mobilisieren, führen die entscheidende Entwicklung zu einer liberaleren Weltwirtschaftsordnung weiter. In den letzten zwanzig Jahren hat die UNO so dazu beigetragen, die Zahl der in extremer Armut lebenden Menschen zu halbieren und die durchschnittliche Lebenserwartung zu erhöhen. Dank den Anstrengungen der Vereinten Nationen ist das Bildungsniveau der Weltbevölkerung gestiegen. Die Beteiligung der Privatwirtschaft und der Zivilgesellschaft an der globalen Gouvernanz nimmt weiter zu. Ein weiterer Anlass zur Hoffnung: Das kürzlich abgeschlossene Friedensabkommen in Kolumbien. Die Schweiz, Aufbewahrerin des Abkommens, gratuliert allen beteiligten Parteien zu diesem entscheidenden Schritt auf dem Weg zu nachhaltigem Frieden.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts sind wir die erste Generation, die keinen Weltkrieg erlebt hat. Die UNO hat viel dazu beigetragen, auch wenn gesagt werden muss, dass es immer noch zu viele regionale Konflikte gibt, die zu viele Opfer fordern. Die UNO verfügt aufgrund ihrer Universalität über eine einzigartige Legitimität. Diese Position bringt auch eine grosse Verantwortung mit sich in einer Zeit, in der sich die Zahl der Initiativen, Abkommen und Prozesse vervielfacht. Eine neue globale Vision nimmt Gestalt an, und alle Staaten nehmen daran teil.
Zu ihren Eckpfeilern zählt die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Sie wird den Referenzrahmen für die Ausarbeitung von nachhaltigen Lösungen bilden. Sie ist die Grundlage für einen neuen Gesellschaftsvertrag zwischen Politik und Bevölkerung.
Das Übereinkommen von Paris, mit dem Ziel, die Klimaerwärmung zu begrenzen, ist ein starkes Zeichen für das gemeinsame Engagement der Staaten. Die unlängst getroffenen Entscheidungen der Vereinigten Staaten und Chinas, das Übereinkommen zu ratifizieren, sind ein sehr wichtiger Schritt auf dem Weg zum Erfolg dieses Abkommens. Der erste Weltgipfel für humanitäre Hilfe in Istanbul, an dem Lösungen erarbeitet werden konnten, um den von Krisen und Katastrophen betroffenen Bevölkerungen zu helfen, ist ein weiterer Beweis unserer internationalen Solidarität. Daneben hat die kürzlich durchgeführte Überprüfung der Friedens- und Sicherheitsarchitektur der Vereinten Nationen gezeigt, wie wichtig die Konfliktprävention ist.
Schliesslich feiern wir dieses Jahr das zehnjährige Bestehen des Menschenrechtsrats. Er leistet einen bedeutenden Beitrag zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte. Jetzt gilt es, einen Schritt weiter zu gehen, indem wir die Wirkung seiner Aktivitäten in den betroffenen Regionen verstärken. Der von der Schweiz lancierte und heute von 70 Staaten unterstützte internationale Appell vom 13. Juni sieht vor, die Konfliktprävention zu verbessern, indem die Ebene der Menschenrechte systematisch miteinbezogen wird. Insbesondere müssen die Beziehungen zwischen dem Menschenrechtsrat und dem Sicherheitsrat ausgebaut werden.
In den letzten Jahren haben wir uns wertvolle Instrumente gegeben, um eine bessere Welt schaffen zu können. Es ist an der Zeit, sie zu nutzen. In diesem Zusammenhang möchte ich Generalsekretär Ban Ki-moon von ganzem Herzen danken. Er hat den Vereinten Nationen mit seiner unermüdlichen Arbeit während zehn Jahren erlaubt, beträchtliche Fortschritte zu machen. Wir sind überzeugt, dass seine Nachfolgerin oder sein Nachfolger die Arbeit an der Reform und der Stärkung der UNO weiterführen wird.
Unser Vorgehen in dieser äusserst wichtigen Phase muss auf den Prinzipien beruhen, die uns Schweizerinnen und Schweizern wichtig sind, das heisst auf der Inklusion und der Partizipation. Ich bin überzeugt, dass wir die Agenda 2030 verwirklichen können, wenn wir gemeinsam handeln. Die Schweiz war eines der ersten Länder, die nationale Massnahmen zur Umsetzung der Agenda 2030 vorgestellt haben. Sie ist entschlossen, ihr Engagement weiterzuverfolgen.
Meine Damen und Herren,
Ich bin zutiefst überzeugt von der Wichtigkeit einer gesunden Wirtschaft, damit wir die Ziele erreichen, die wir uns gesteckt haben. Ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum zu fördern heisst, sich für eine Gesellschaft einzusetzen, die allen ihren Mitgliedern gleiche Chancen bietet. Eine blühende Wirtschaft ist ein vorrangiges Ziel, denn sie ist ein hervorragendes Instrument, um allen Bürgerinnen und Bürgern eine Perspektive bieten zu können. Eine blühende Wirtschaft erleichtert jungen Menschen, Frauen und älteren Arbeitnehmerinnen und -nehmern den Zugang zum Arbeitsmarkt. Das stimmt für mich absolut mit dem Engagement der UNO überein. Denn eine dynamische Wirtschaft, die Arbeitsplätze und Perspektiven sichert, ist ein wichtiger Faktor in der Prävention von terroristischen Auswüchsen und bewaffneten Konflikten.
In der Schweiz haben wir drei entscheidende Faktoren identifiziert, die es unserem Land erlauben, regelmässig zu den Spitzenreitern in Sachen Innovation und Wettbewerbsfähigkeit zu gehören:
– Erstens: ein leistungsfähiges Bildungssystem, das die Bedürfnisse der Realwirtschaft sowie der Grundlagenforschung berücksichtigt. Die universitäre Ausbildung und die Berufsbildung werden in der Schweiz in gleichem Masse gefördert und gepflegt. Die Ausbildung in einem Betrieb, ergänzt durch eine theoretische Ausbildung in einer Berufsfachschule, spielt eine zentrale Rolle in diesem System.
– Zweitens: Unsere liberalen Arbeitsgesetze erlauben es den Unternehmen, den Entwicklungen der Märkte zu folgen, am technologischen Fortschritt teilzuhaben und zu ihm beizutragen sowie auf einfachere Weise innovative Produkte und Methoden zu entwickeln. Die Flexibilität unserer Wirtschaft wird so zur besten Garantin für eine gute Beschäftigungslage.
– Drittens: eine effiziente und respektvolle Sozialpartnerschaft, die den Arbeitsfrieden sichert. Regelmässige Verhandlungen zwischen Vertreterinnen und Vertretern der Arbeitgeber und Arbeitnehmerschaft gewährleisten flexible und von allen Beteiligten getragene Gesamtarbeitsverträge, die den Bedürfnissen der verschiedenen Branchen und Regionen Rechnung tragen.
Doch diese Faktoren können ihre positive Wirkung nicht vollkommen entfalten ohne den internationalen Austausch. Der Austausch stimuliert den Wettbewerb, den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt sowie die Innovation. Und vergessen wir nicht, dass die Freiheit, die in der Demokratie zum Ausdruck kommt und in den Rechtsstaat eingebettet ist, die beste Garantie ist für eine Gesellschaft, die ihr wirtschaftliches, wissenschaftliches und kulturelles Kapital vollständig ausschöpft.
Es ist ebenfalls wichtig, sich den Herausforderungen zu stellen, welche die digitale Globalisierung mit sich bringt. Nicht nur in Sachen Transparenz, Datensicherheit und Chancengleichheit, sondern auch im Hinblick auf den technologischen, gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen Fortschritt, den sie ermöglicht. In einer offenen und demokratischen Gesellschaft ist es sicher fundamental, dass die Menschen die digitalen Technologien sicher und aufgeklärt nutzen können. Aber wir müssen auch alles unternehmen, damit die neuen Chancen, welche die Digitalisierung bietet, die Beschäftigungsmöglichkeiten verbessern anstatt sie zu gefährden.
Es kann problemlos vorhergesagt werden, welche Arbeitsplätze durch die Digitalisierung verschwinden werden. Aber das ist nicht das Entscheidende. Die wirkliche Herausforderung ist, die neuen Arbeitsplätze zu erkennen, die sie schaffen wird. Denn nur dank dieser Anstrengung können wir die Ausbildungen schaffen, die es möglichst vielen Menschen erlauben werden, in der Welt von morgen eine Anstellung zu finden. Um das zu erreichen, müssen wir den Dialog mit den innovativsten Unternehmen suchen. Die UNO und ihre Sonderorganisationen können einen Beitrag dazu leisten, dass alle Länder die Chancen der technologischen Entwicklung nutzen können.
Von den Herausforderungen zu sprechen, die auf die UNO und die internationale Gemeinschaft warten, bringt die Rede natürlich auf das Internationale Genf. Die Schweiz setzt sich dafür ein, dem Wert dieses Zentrums der globalen Gouvernanz gerecht zu werden. Nicht nur indem sie die Modernisierung ihres Immobilienparks in Genf unterstützt, sondern auch indem sie die Synergien zwischen den verschiedenen Akteuren des Internationalen Genf stärkt, sei es im Bereich der globalen Gesundheit oder der humanitären Hilfe.
Die in den letzten Monaten in Genf zustande gekommenen Initiativen, das heisst
– der internationale Appell vom 13. Juni;
– die Schaffung des hochrangigen globalen Panels zu Wasser und Frieden;
– die Organisation der Konferenz zur Prävention von gewalttätigem Extremismus;
– aber auch das Abhalten von Friedensgesprächen;
zeugen von der Bedeutung des Internationalen Genf und vom Engagement der Schweiz. Dieser Ort dient der Welt und wir werden sein Potenzial weiterhin stärken.
Ich bin der festen Überzeugung, dass die einzigen nachhaltigen Antworten auf die gegenwärtigen Herausforderungen kollektive und solidarische Lösungen sind. Um diese umzusetzen, braucht die internationale Gemeinschaft eine starke, moderne und wirksame UNO. Der Weg ist vorgezeichnet, nun ist es an uns, diese Organisation mit Voraussicht und Entschlossenheit zu begleiten.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
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